Und bist Du nicht willig, so brauch ich Medizin!

Ich bin ja derzeit auf Diät müsst Ihr wissen. Nein, nicht Kalorien zählen.

Ich habe vor etwa einem Jahr meinen Nachrichtenkonsum drastisch reduziert. Keine „Tagesschau“ mehr, kein „heute journal“ mehr. Und wenn es mal ein Online-Magazin braucht, dann eher die „Zeit“.

Es geht mir gut damit. Ausgesprochen gut. Gefühlt bin ich dem schrill quietschenden Hamsterrad des Empörungs-, Kampagnen- und Katastrophenjournalismus entronnen. Mein Leben hat sich entspannt ohne die minütlichen Clickbait-Nichtigkeiten die zu Breaking News hochgejazzt werden.

Nur: es gibt schwache Momente. Wie das eben mit Diäten so ist. Nachrichten sind meine Schokolade.


Nachrichten sind meine Schokolade
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Also warf ich neulich einen verschämten Blick auf die Online Ausgabe des „Sturmgeschützes der Demokratie“ – und habe es sodann auch direkt bereut.


„Deutschland: Noch mehr Kinder bekommen ADHS-Diagnose“ titelte ein dpa-Artikel mir entgegen. Ich wusste noch nicht, dass es nur eine Agenturmeldung ist.

Die Überschrift versprach Gesellschaftskritik. Kritik an der immer weiter um sich greifenden Erwartung von Ärzten, Lehrern, Kindergärtnerinnen und was weiß ich noch wem, Kinder – Kinder! – hätten sich ruhig, unauffällig, unterwürfig und verdammt nochmal uniform zu verhalten. Jedes Abweichen von dieser Norm wird mit Ritalin sanktioniert. Und wenn das nicht wirkt dann halt eben Attentin.

Und bist Du nicht willig, so brauch ich Medizin.

Der dpa-Artikel erwähnt nebenbei, dass heute weniger ADHS-Kinder Medikamente bekommen also noch vor zehn Jahren. Nur, ach, nicht weil Einsicht eingekehrt ist. Sondern weil das heute nur noch von „Spezialisten“ verordnet werden darf.

Dann freuen wir uns für die ADHS-Kinder und verlieren besser mal kein kritisches Wort darüber, was es wohl für 4,4% – vier Komma vier Prozent!! – der 3- bis 17 jährigen in diesem Land bedeuten mag, den Stempel „nicht normal“, „gestört“, „krank“ schon in so jungen Jahren aufgedrückt bekommen zu haben.

Was diese Erfahrung in Kindern und Jungendlichen anrichtet, wenn sie lernen, dass ihr Verhalten Ausdrucke einer vermeintlichen Krankheit ist. Was das Stigma „ADHS“ für die Kinder bedeutet. Was es für die Kinder bedeutet, wenn herauskommt, dass die Diagnose falsch war.

Abnorm, dass ein Kind tobt, aufgedreht, unruhig ist. Abnorm, dass ein Kind sich nicht immer unter Kontrolle hat. Abnorm, das ein Kind ein Kind und ein Jugendlicher ein Jugendlicher ist! Abnorm, dass in einer Gesellschaft in der Kinder immer früher zur Schule gehen und immer früher die Schule wieder verlassen die Kinder unter ernomen Druck stehen – und dieser Druck auch irgendwie entweichen muss. Abnorm!

Dabei will ein Teil der Gesellschaft doch nur das beste für die heranwachsende Verfügungsmasse „Humankapital“!

Kein wirklich kritisches Wort. Nur eine Grafik die vermuten lässt, dass die Diagnose ADHS ein grandioses Geschäft sein muss.

Erwerb von Ritalin durch Apotheken in Form von Fertigarzneimitteln

Die Wahrscheinlichkeit für eine ADHS-Diagnose hängt den Angaben zufolge auch vom Einschulungsalter ab. Mehrere internationale Studien hätten gezeigt, dass die ADHS-Häufigkeit bei den jüngsten Kindern eines Jahrgangs höher ist als bei den ältesten.

Hoffnung flammte bei dem Absatz auf. Jetzt endlich werden Nägel mit Köpfen gemacht. Jetzt kommt der Kritikdampfhammer.

Ach nein, zu früh gefreut. Nur die trockene Erzählung, was internationale Studien zu dem Thema herausgefunden haben. Nur um dann gleich wieder zurück zu schwenken. Auslöser der Krankheit seien unbekannt und sie könne bis ins Erwachsenenalter fortbestehen. Therapien sind … Der gesamte letzte Absatz impliziert, dass die internationalen Studien gar nicht wirklich evidenzbasiert sind, dass es sich doch bei zumindest den meisten Diagnosen um echtes ADHS handelt.

Ihr armen Kinder der 2000er. Euer Verhalten war früher normal – Kinder eben. Heute seid ihr krank. Darauf eine Dosis Methylphenidat. Ich darf einfach keine Online-Nachrichten lesen.


Der obligatorische Disclaimer: ich bestreite nicht, dass es die Krankheit ADHS gibt. Ich bestreite aber, dass 4,4% der ADHS diagnostizierten 3- bis 17-jährigen in dieser Gesellschaft wirklich ADHS haben. Und ich unterstelle, dass mehr ADHS Diagnosen einfach nur ein grandioses Geschäft für Praxen und die Pharmaindustrie ist.

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