Über Grenzen, Erziehung und Glück

Der Artikel von Mo, Bloggerin bei 2kindchaos, hat mich getroffen, wo es weh tut und mir ungeschönt vor Augen geführt, dass ich an einem Punkt angekommen bin, wo ich nicht mehr die bin, die ich immer sein wollte und auch lange Zeit geschafft habe, zu sein. Wir sind uns offensichtlich viel ähnlicher als ich jemals dachte.

Schon länger wurde ich meinen eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht, alles mit Leichtigkeit zu erfüllen: die Bedürfnisse der Kinder mit Geduld und Ruhe jederzeit zu erfüllen, eine gute Ehefrau, Tochter, Schwiegertochter, Freundin, Nachbarin zu sein. Ich bin immer öfter genervt. Die Große will erst noch zu Ende spielen, bevor sie die Zähne putzt vor dem Schlafengehen, die Kleine will zum hundertsten Mal auf den Arm, die Nachbarn regen sich auf über das Unkraut im Vorgarten und dass der Hausmeister nicht ordentlich arbeitet, ich möchte meine Mama und meine Schwiegereltern und alle anderen Verwandten, die uns wichtig sind, viel öfter anrufen und besuchen, den Kontakt zu meinen Freunden halten und mich regelmäßig melden. Und nicht zuletzt mein Mann: ich möchte einfach mal wieder mit ihm einen Satz zu Ende reden, ohne dass von der rechten Seite ein "Maaaaaaaaaaamaaaaaaa" und von der linken Seite ein "wääääääääää" kommt.

In Wirklichkeit schaffe ich all das zurzeit nicht - zumindest kommt es mir so vor. Ok, die Wohnung sieht nicht aus wie ein Schlachtfeld, regelmäßiges Essen steht auch auf dem Tisch - aber geduldig auf die Kinder zu reagieren, gelingt mir zurzeit überhaupt nicht, so sehr ich das möchte. Und das, was ich einfach mal machen möchte, dafür ist keine Zeit da, weil ich entweder rund um die Uhr verlangt werde oder abends zu müde bin, um noch irgendwas zu machen, was mir gefällt.

Meine Geduld wird auf eine sehr harte Probe gestellt und diese harte Probe habe ich scheinbar nicht bestanden. Ich habe die Große angeschrien, wenn ich den Eindruck hatte, dass sie gar nicht auf mich hört, ich habe mit Konsequenzen gedroht, z. B. dass sie alleine einschlafen muss (was ich niemals wirklich tun würde, aber ich hoffte, dass sie so endlich mitmacht), wenn sie jetzt nicht bald mal ihren Schlafanzug anzieht oder dass sie heute kein Buch vorgelesen bekommt, wenn sie jetzt nicht die Zähne putzt. Als Antwort bekomme ich "Aber Du", was heißt, dass sie möchte, dass ich ihr helfe - weil das für sie Aufmerksamkeit bedeutet. Es könnte also einfach sein, ihr zu helfen - aber manchmal kann ich es einfach nicht, ich bin genervt, weil ich weiß, dass sie es alleine kann - auch wenn sie es nicht möchte. Und im nächsten Moment hasse ich mich dafür, dass ich so hart zu ihr war, keine Geduld mit ihr hatte und ihr nicht geholfen habe. Bevor wir einschlafen, entschuldige ich mich bei ihr dafür und sage, dass ich sie immer liebe, auch wenn ich heute nicht nett zu ihr war. Sie sagt dann "aber dann mach das doch nicht mehr". Aber der nächste Tag fängt dann wieder genauso an - obwohl ich es mir so fest vornehme, am nächsten Tag geduldiger, liebevoller und ruhiger zu sein. Es ist eine Spirale, ich mittendrin und ich komm nicht raus.

Wo ist meine liebevolle Art hin, ständig und ohne Rücksicht auf eigene Bedürfnisse auf die Kinder zu reagieren, ihnen die Nähe zu erfüllen, die sie brauchen? Bin ich nun an dem Punkt, vor dem mich alle gewarnt haben, als sie sagten, dass ich auch mal Zeit für mich brauche? Bin ich über meine Grenzen gegangen ohne diese zu signalisieren und zu achten?

Mir ist bewusst, dass ich sehr einfache Kinder habe und dass ich froh sein, dass sie so gut kooperieren, manchmal zumindest - aber manchmal eben auch nicht. In der Theorie weiß ich, dass ich es durch meine hohen kaum erfüllbaren Ansprüche nur schlimmer mache, weil sie spüren, wie angespannt ich bin. Und bekanntlich überträgt sich das.

Immer habe ich gedacht, meine Kraft, meine Energie, meine Geduld, meine Reserven sind unendlich und ich schaffe das alles. Heute habe ich endlich gemerkt, dass es auch mal ok ist, zu sagen "Ich schaffe das nicht" und "Ich bin genervt". Bisher habe ich mir diese Aussagen selbst verboten, denn sowas darf ich als Mama doch nicht sagen, denken, fühlen. Als Mama hat man doch unendliche Liebe und stellt alles zurück - für die Kinder.

Aufopferung ist keine Lösung und kein gutes Signal für die Kinder. Auch sie dürfen - nein, sie sollen - Grenzen zeigen, Nein sagen, wenn sie etwas nicht möchten oder mögen. Und ich als Mama darf das auch. Kinder können damit umgehen, wenn man offen und ehrlich ist und sie einbezieht und ihnen sagt, wie weit man gehen kann und was man eben nicht leisten kann. In einer Familie treffen verschiedene Bedürfnisse aufeinander und es bedeutet immer Kompromiss, auf alle gleichermaßen Rücksicht zu nehmen

Dabei ist es doch unwichtig, wie der Erziehungsstil heißt, den wir leben. Hauptsache alle kommen damit zurecht, die Kinder spüren bedingungslose Liebe und es passt für alle Beteiligten. Am nächsten kommt mir der Autoritative Erziehungsstil, dessen Namen ich allerdings erst durch den Kommentar von Snowqueen vom Blog gewünschtestes Wunschkind in der Twitter-Unterhaltung zu dem Thema erfuhr. Weitestgehend handeln wir danach und es erscheint mir passend und richtig für uns.

Einfach raus

Ich bin gestern Morgen, einfach ganz kurz entschlossen, ohne groß zu planen, ganz alleine in den Gottesdienst gegangen. Bis jetzt hatte ich immer mindestens ein Kind mit dabei, manchmal sogar zwei. Ich konnte nicht mehr, ich hatte Tränen in den Augen. Mein Mann fragte, warum ich weine. Die Kleine wich nicht von meinem Arm, kreischte, sobald ich sie mal runter setzte - und das nach einer Nacht, in der die Kleine wirklich dauerstillen wollte und die Große erst um 23 Uhr einschlief, weil sie erst noch ihren Turm abbauen wollte, damit er über Nacht nicht umfällt. Für sie war es sehr wichtig, weil sie es wirklich so meinte - für mich schien es ziemlich weit hergeholt. Irgendwann ist meine Geduld am Ende - und das war gestern einfach überfällig. Ich fragte meinen Mann nur ganz kurz, ob es ok ist und verschwand dann - mit gemischten Gefühlen. Ich hatte ein schlechtes Gewissen, ihn nun mit beiden Kindern da zu lassen und auch den Kindern gegenüber, dass ich nun eine Stunde lang nicht für sie da bin. Verrückt, oder? Ich weiß - und doch ließen sich die Gedanken und auch die Tränen nicht zurück halten. Ich zündete eine Kerze an - und betete, dass mir diese eine Stunde wieder Kraft gibt: Kraft für den Alltag, Kraft für die Bedürfnisse der Kinder und genügend Geduld und Liebe, um wieder die Mama zu sein, die ich sein möchte - damit ich mir selbst wieder gefalle.

Scheinbar war es echt ein Zeichen, dass ich ausgerechnet gestern, ausgerechnet zu diesem Gottesdienst an diesem Punkt war. Zufall allein konnte das nicht sein. Der Pfarrer eröffnete den Gottesdienst mit dem Spruch, den wir Menschen so oft sagen "Geld macht nicht glücklich, aber es beruhigt" und er stellte uns die Frage, was uns ganz persönlich eigentlich glücklich macht. Ist es das neueste Smartphone, sind es die 785 Facebook-Freunde oder die besten Computer-Spiele, fragte er. Ich musste leicht schmunzeln. Das Thema berührt mich - und es passt so gut. Die Lesung und auch das Evangelium sprachen davon, dass der Sinn des Lebens nicht darin besteht, aufgrund seines großen Vermögens im Überfluss zu leben und dass man sich vor Habgier hüten solle.

In der Predigt vertiefte er das Thema Glücklichsein noch und erzählte diese tolle nachdenkliche Geschichte vom Schuster, der nicht mehr sang. "Was macht mich selbst glücklich?" Darüber nachzudenken waren wir eingeladen in ein paar Minuten der vollständigen Stille. Wann war das letzte Mal, dass ich überhaupt eine solche Stille erlebt habe? Ich bin glücklich - so wie es ist.

Als ich wieder kam, traf ich auf 3 offensichtlich zufriedene Menschen, die eine schöne Zeit miteinander hatten, während ich um einige Erkenntnisse reicher geworden bin. Mein schlechtes Gewissen - völlig überflüssig. Die Kinder freuten sich, als ich wieder kam, beide hingen wieder an mir - aber es nervte mich nicht, sondern freute mich. Ich hatte aufgetankt - in so kurzer Zeit. Und ich freue mich jetzt schon auf nächstes Mal! Damit warte ich jetzt aber nicht so lange, bis ich mir selbst nicht mehr gefalle!

Eure Renate

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