Türsteher der Nation: Die CSU passt auf

4.1.2012 – Traditionell versteht sich die CSU als Türsteher und Rausschmeißer der Nation. Bis zur Wiedervereinigung schickte sie „intellektuelle Ratten, Schmeißfliegen und Langhaarige“ verbal gerne mal nach „Drüben“. Heute hat sie es eher auf Einwanderer, verschuldete Staaten und „Extremisten“ abgesehen.

Türsteher der Nation: Die CSU passt auf

Nun könnte man meinen: Was kratzt mich die Meinung einer regionalen Splitterpartei, mit einem gesamtdeutschen Wählerstimmenanteil von gerade einmal 6,5 Prozent? Allerdings besetzt die CSU drei wichtige Bundesministerien und hat angesichts der schwachen FDP einen großen Einfluss innerhalb der Regierungskoalition.

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Stacheldraht und Schießbefehl

Zu Beginn des neuen Jahres überraschte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt mit einem unerwarteten Vorstoß gegen Rechts: Er machte sich für eine Änderung des Grundgesetzes stark, um vordergründig der NPD den Anspruch auf staatliche Finanzierung zu entziehen. Die rechtsradikale Partei wurde im Jahr 2010 mit knapp 1,2 Millionen Euro aus Steuermitteln unterstützt.

Wenn sich nun ausgerechnet die CSU den Kampf gegen rechtes Gedankengut auf ihre Fahnen schreibt, dann fühlt man sich unwillkürlich irritiert. Auf den ersten Blick hätte man meinen können, die Parteiführung verspräche sich durch ein Verschwinden der NPD aus dem Parteienspektrum zusätzliche Wählerstimmen.

Hier sorgte jedoch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt schnell für Klarheit. Gegenüber der WELT stellte sie klar, gegen wen sich die Forderung der Christsozialen tatsächlich richtet: Wieder einmal soll es der Linkspartei an den Kragen gehen. Diesmal will die CSU dem verhassten politischen Gegner, den Geldhahn zudrehen.

Gleichzeitig scheint ein automatischer Reminder Alexander Dobrindt daran erinnert zu haben, dass es mal wieder Zeit für die zyklische Verbotsforderung gegen DIE LINKE ist. Als passende Plattform bot sich Springers „WELT“ an, die in ihrer Online-Ausgabe am gestrigen Morgen, pünktlich um 8.01 Uhr titelte:

„Dobrindt setzt sich für Verbot der Linkspartei ein“

Die Forderung ist weder neu noch originell. Auf den Tag genau vor drei Monaten, am 3.10.2011, hatte Dobrindt das Verbot gefordert, weil die Linkspartei „50 Jahre nach dem Mauerbau immer noch Schießbefehl und Stacheldraht rechtfertigt“. Davor hatte sich der Generalsekretär am 5.1.2011 und am 7.8.2011 jeweils mit Verbotsforderungen an die Öffentlichkeit gewandt.

Diesmal hießt es in seinem kernigen Vorstoß:

„Es darf keine Staatsgelder für die Gegner unserer Demokratie geben, egal ob Braun oder Dunkelrot.“

Zur Begründung seiner Forderung führte Dobrindt an, dass DIE LINKE ganz offen dazu aufrufe, „neue Wege in den Kommunismus“ zu finden. Darüber hinaus stünde sie mit vielen Äußerungen und Schriften „außerhalb unserer demokratischen Rechtsordnung“ und habe mit „Demokratie wenig zu tun“.

Insgesamt sagt Dobrindts unvermeidliches „Da Capo“ weitaus mehr über sein eigenes Demokratieverständnis aus als über das der Linkspartei. Er selber und viele seiner Parteifreunde stehen ohnehin notirisch auf dem Kriegsfuß mit dem Grundgesetz.

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Alexander Dobrindt

Dabei sind Linkspartei und NPD nicht die einzigen Parteien, denen Dobrindt gerne die Tür weisen würde. Im November 2010 hatte er es noch auf die Grünen abgesehen. Damals sagte er:

Die Grünen sind keine Partei, sondern der politische Arm von Krawallmachern, Steinwerfern und Brandstiftern“.

Die Vorstellung von einem idealen Deutschland passt bei Dobrindt in einen einzigen Satz, zuletzt geäußert am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit:

Natürlicher Patriotismus und gemeinsame Freude“.

Die „Gemeinsamkeit“ in dem frommen Wunsch stellt sich allerdings reichlich selektiv dar, wenn man ein anderes Dobrindt Zitat vom Oktober 2010 betrachtet:

Diejenigen, die gestern gegen Kernenergie, heute gegen Stuttgart 21 demonstrieren, agitieren, die müssen sich dann auch nicht wundern, wenn sie übermorgen irgendwann ein Minarett im Garten stehen haben“.

Die Äußerungen des Generalsekretärs sprechen im Prinzip für sich selber und benötigen keine Kommentierung. Nur vielleicht soviel, dass Dobrindt sich in einem überschaubaren Drei-Parteien-System und unter Deutschen am wohlsten fühlen würde.

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Joachim Herrmann

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann steht seinem General um nichts nach. Auch er setzte sich am 3. Oktober 2011 für ein Verbot der Linkspartei ein und begründete seine Forderung fast wortgleich mit Dobrindt:

Es ist erschreckend, wie große Teile der Linkspartei nach wie vor noch Stacheldraht und Schießbefehl zu rechtfertigen suchen“.

Betrachtet man Herrmanns politische „Leistungen“, dann ergeben sich Zweifel daran, von welchem Grundgesetz die CSU eigentlich spricht, wenn sie der Linkspartei Verfassungsfeindlichkeit und Verstöße gegen die demokratische Rechtsordnung vorwirft.

Herrmann setzte sich in den vergangenen Jahren unter anderem dafür ein, dass die rechtlichen Rahmenbedingungen für Demonstrationen in Bayern verschärft wurden und dass Demonstranten die Kosten für Polizeieinsätze tragen sollen. Er bemühte sich um die Erweiterung der Befugnisse bayerischer Ermittler zum heimlichen Eindringen in private Wohnungen, sprach sich für eine verstärkte staatliche Überwachung des Internets aus oder machte sich für das Burka-Verbot im öffentlichen Dienst stark.

Unvergessen ist auch sein erfolgreicher Kampf um die Beibehaltung der bayerischen Asyldurchführungsverordnung. Hier heißt es in § 7, Absatz 5:

„Die Verteilung und die Zuweisung darf die Rückführung der betroffenen Personen nicht erschweren; sie soll die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland fördern.“

Mit anderen Worten: Die Bedingungen, unter denen Asylbewerber in Bayern untergebracht und versorgt werden, sollen so gestaltet werden, dass die Betroffenen nach Möglichkeit ganz von selber zurück in ihre Heimatländer wollen.

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Hans-Peter Uhl

Ein weiteres Beispiel für einen höchst zweifelhaften Umgang mit Demokratie und Grundrechten bietet eine weitere Führungskraft der CSU: Hans-Peter Uhl, Bundestagsabgeordneter und Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Innenpolitik“ der CDU/CSU.

Das 67-jährige CSU-Urgestein zog die Aufmerksamkeit auf sich als er im Oktober letzten Jahres im Bundestag sagte:

„Es wäre schlimm, wenn unser Land von Piraten und Chaoten aus dem Chaos Computer Club regiert würde. Es wird regiert von Sicherheitsbeamten, die dem Recht und dem Gesetz verpflichtet sind.“

Die Belustigung über diesen Ausfall blieb vielen Beobachtern wegen des möglichen Wahrheitsgehalts der Aussage im Halse stecken. Uhl ließ im Nachhinein das Protokoll der betreffenden Sitzung ändern. Hier kann man jetzt anstelle von „Es wird regiert von Sicherheitsbeamten“ ein harmloseres „Wir haben Sicherheitsbeamte“ nachlesen.

Auch ansonsten überschreitet Uhl gerne die Grenzen von Stil, Geschmack und demokratischer Kultur. Als sich die SPD-Fraktion im Landtag von Sachsen Anhalt im Jahr 2008 gegen eine Neufassung des BKA-Gesetzes aussprach, da bezeichnete Uhl den Standpunkt der Sozialdemokraten als „linkes Gerülpse“. Ebenfalls 2008 wollte er die Altersgrenze für die Speicherung von personenbezogenen Daten von 16 auf 14 oder zwölf Jahre senken, um eine „bessere Überwachung von terrorverdächtigen Minderjährigen“ zu erreichen.

In der Debatte um den Kampf gegen Kinderpornografie im Internet brüskierte Uhl sogar Parteifreunde und Gesinnungsgenossen als er in Bezug auf Kontrolle, Überwachung und Zensur im Netz sagte:

„Was die Chinesen können, sollten wir auch können. Da bin ich gern obrigkeitsstaatlich.“

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Zweierlei Maßstäbe

Natürlich wird in politischen Auseinandersetzungen mit harten Bandagen gekämpft und das ist auch gut und richtig so. Allerdings muss es auch in diesem Geschäft gewisse Grenzen geben, die nicht ohne Not überschritten werden sollten.

Eine solche Grenze ist der permanente Vorwurf der Verfassungsfeindlichkeit gegenüber der Linkspartei, verbunden mit der Forderung der Streichung staatlicher Mittel oder des Parteiverbots. Es ist nachvollziehbar, dass linke Positionen der CSU ebenso ein Dorn im Auge sind, wie rechte Standpunkte bei Anhängern der Linkspartei auf Ablehnung stoßen. So ist es nun einmal, wenn man unterschiedlicher Auffassung ist und verschiedene Welt-, Menschen- und Gesellschaftsbilder pflegt.

Es mag bequem sein, einen politischen Gegner alleine dadurch in Schacht zu halten, dass man ihn öffentlich im Extremismus verortet. Erfolgt dieser Vorwurf jedoch permanent, stereotyp und ohne nennenswerte Begründungen, dann verliert auch er irgendwann seine Beißkraft und fällt auf denjenigen zurück, der ihn immer wieder bemüht.

Die Frage, ob die Linkspartei verfassungsfeindlich ist, darf ausschließlich über ihr Programm erfolgen. Finden sich hier Aussagen und Forderungen, die eindeutig gegen das Grundgesetz verstoßen, dann ist eine Diskussion über die Verfassungskonformität legitim.

Nutzt man stattdessen aber sprachliche Bilder vom Mauerbau, vom Stacheldraht oder vom Schießbefehl, um die Partei zu diffamieren, stützt man seinen Vorwurf auf „Hörensagen“ oder auf angebliche Äußerungen von Personen, die sich als links bezeichnen, ohne DIE LINKE zu repräsentieren, dann handelt es sich um nichts anderes als um ein wahltaktisches Manöver oder einen populistischen Schachzug.

Ohne Zweifel geht es der Linkspartei um systemische und gesellschaftliche Veränderungen. Ohne Zweifel wendet sie sich radikal gegen die herrschenden Verhältnisse und fordert eine Politik im Sinne und im Dienste der Mehrheit der Menschen. Wenn die CSU diese Form des Engagements jedoch zur Rechtfertigung eines Verbotsverfahrens heranzieht, dann darf es sie nicht wundern, wenn sie angesichts der Positionen ihrer eigenen Vertreter der nächste Kandidat auf der Liste der Parteien ist, über deren Verbot öffentlich nachgedacht wird.

Selbst auf Gegner der Linkspartei dürfte es dabei befremdlich wirken, dass die CSU mit ihrem aktuellen Vorstoß die rechtsradikale NPD und DIE LINKE auf eine Stufe stellt. Alexander Dobrindt versucht auf diese Weise, einen Teil der öffentlichen Empörung über die verabscheuungswürdigen Verbrechen der Thüringer Nazi-Zelle auf DIE LINKE umzuleiten.

Damit instrumentalisiert er einerseits die Opfer und ihre Angehörigen für parteipolitische Ziele und verharmlost andererseits die Gewalttaten von Rechtsextremisten, deren Ziel oft genug Angehörige der Linkspartei sind.



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