Sommerregenduft, Concepción

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Sommerregenduft

Ich bin vier Stunden dem Leben in Deutschland hinterher und doch bin ich etwas voraus. Immer mehr kleine Punkte fallen auf die rote Erde nieder. Verdunkeln sie und verblassen selbst wieder. Immer mehr. Und aus dem mit warmen Regen getränkten Boden wachsen Erinnerungen, durch die ich mir eine Bresche schlage. Aber je näher ich dem Berg komme, umso kleiner wird er. Und plötzlich ist er verschwunden. Die Sonne drückt auf meinen Schultern. Die Wolken treiben südwärts. Ich kehre um, folge dem modrig riechenden Pfad, unter Palmen und Ananaspflanzen, an hüfthohen Termitenhügeln vorbei.

Und lege mich wieder vor mein Zelt. Die Sonne hat noch einen langen Weg bis zur nächsten Wolke. Soll es das gewesen sein? Dieser National-Park ist sonderbar. Alle Wandermöglichkeiten folgen alten roten staubigen Straßen, die sich irgendwann im Grün des Dschungels verlieren. Und überall stehen Büsten, Gedenktafeln und Kreuze, die an die in den Kriegen Gefallenen erinnern sollen. Am Ende einer mit flachen Kopfstein ausgelegten ›Straße‹ wurde eine Monument, an dessen Spitze die Flagge Paraguays auf ein laues Lüftchen wartet, errichtet. Wenigstens von dort hat man einen schönen Ausblick auf den schier unendlichen Dschungel, aus dem hin und wieder hunderte Meter hohe Berge aufragen.

Bereits am Nachmittag habe ich den Park erkundet und beginne mich zu quälen. Die Hitze ist buchstäblich erdrückend. Moskitos surren ständig umher. Ich esse Obst, nackt im Gras liegend. Und sonderbar ist dieser Camping-Platz. Er scheint schon lange nicht mehr benutzt worden zu sein: Die Küche, die Duschen, obwohl sie noch intakt sind, die Toiletten – langsam holt sich der Wald sein Land zurück. Gespenstisch ist ein ausgebranntes, mutwillig zerstörtes, mit schwarzen Worten beschmiertes Gebäude. Nur ein Bettrost steht drinnen, und ein paar verkohlte Holzscheite.

Als ich klein war, wusste Vater mich immer mit den Spielzeugen, die er in der Natur fand zu begeistern. Ich pflücke breites Gras, ziehe eine Hälfte von der Rippe und klemme das Blatt zwischen meine Daumen. Meine Handflächen bilden einen Hohlraum. Dann puste ich, und es erklingen vogelähnliche Laute, auf die mit der Zeit, immer mehr Tiere zu reagieren scheinen. Meine Gedanken beschäftigen sich den ersten Reiseerlebnissen. Vielleicht verabschiede ich mich gerade von ›unwichtigen‹ Erfahrungen. Dann falle ich in Schlaf bis Moskitostiche mich wieder aufschrecken lassen. Ich versuche zu schreiben, aber mein Schweiß an den Händen verwischt Wort für Wort. Ich träume von Fusel und Weibern.

Kurz vor Sonnenuntergang gehe ich nochmals zum Monument, die Berge schimmern nun in warmen Tönen. Ich bin froh, als die Nacht hereinbricht. Der Tag hat mich ignoriert.

Bereits um sieben in der Früh ist die Hitze gnadenlos. Wolkenloser Himmel. Ich gehe zum Parkeingang zurück, und erfahre erst dort, dass der Berg, auf den ich ursprünglich klettern wollte, vier Stunden weiter östlich ist. Ich bin verärgert und frage mich warum man mir diese Information anfangs vorenthielt. Eine weitere Nacht kann ich nicht bleiben. Ich habe nur noch zwei Äpfel, eine Birne und ungefähr 2 Liter Wasser. Ich versuche es dennoch und folge der Straße Richtung Brasilien, der Ranger sagte, auf diesem Wege müsste ich den Berg innerhalb von zwei Stunden erreichen. Der Asphalt  klebt unter meinjen Füßen. Ich zähle unendliche viele tote Schmetterlinge.

Die Abzweigung, auf der mir ausgehändigten Mappe, kann ich nicht finden. Ich versuche mir einen Weg durch Gras zu bahnen. Das Gras allerdings ist messerscharf und doppelt so hoch wie ich. Meine Beine und Hände bluten. Ich kehre um. Enttäuscht. Irritiert.

 

Concepción

… ist eine kleine Stadt im Norden Paraguays. Das einzige, was diese Gemeinde aufzumischen weiß, ist meine ordinäre Erscheinung. Ich bin weit und breit der einzige Tourist. Schon am dritten Tag werde ich von den Einheimischen wiedererkannt und herzlich gegrüßt. Erst hier realisiere ich den Unterschied zu den Menschen in Bolivien. Um wie viel freundlicher, offener und gesprächiger sind sie. Ich beginne wahllos Menschen auf der Straße anzusprechen, es ist endlich wieder meine Lust Spanisch zu lernen. Selbst die Kinder posieren in aberwitzigster Weise, sobald ich meine Kamera zucke. Kein harsches ›Gib mir Geld! Bezahl’ mich!‹. Auf dem Markt sprechen mich Mädchen meiner Tattoos wegen an. Eine von ihnen macht mir schöne Augen. Dann kommt ihre Mutter dazu und Shirley errötet.

Ich vertreibe mir die Zeit mit einem Besuch im Heimatmuseum, wo Kriegsgeräte und historische Photographien ausgestellt sind, Spaziergängen durch alte koloniale Viertel, dem Herumlungern am Hafen und Dosenbier. Die Muse hat mich verlassen. Die Hitze hat sie ausgeräuchert.

Zwei betagte Damen sitzen im Schatten eines LKWs und trinken tereré. Es ist keine Übertreibung, wenn ich schreibe, dass jedermann diesen kalten Mate-und-andere-Kräuter-Tee trinkt: Selbst die bewaffneten Sicherheitsbeamten vor den Banken und Supermärkten, haben ihre Thermoskannen umgehangen oder aufs Fenstersims gestellt, um sich bei Gelegenheit einen Schluck zu genehmen.

Eine Altemännerclique sitzt unter dem Schatten eines Baumes, Karten spielend. Die Tür des davor parkenden Taxis ist geöffnet. Es laufen alte Lieder über die Liebe, von alten Männern gesungen. Am Hafen trifft sich die Jugend Concepcións, Pärchen sitzen ineinander geschlungen auf der Balustrade, Freundinnen lehnen am Geländer, Kinder schlecken Eis. Ich beobachte eine Familie, die im Rio Paraguay mit der Strömung schwimmt. Vom anderen Ufer erklingt ein Dorf. Ich sitze auf einem Holzstamm. Und trinke Dosenbier, Kaiser’s.

Nein, es ist hier nichts los. Aber das ist auch gut so. Als ich die Stadt Richtung Asunción verlasse, regnet es in Strömen. Luis-Miguel setzt sich zu mir auf die Bank. Er will mir Süßes verkaufen. Ich zeige mich verwundert, denn ist jetzt nicht Schulzeit? Er sagt ›später‹, vor der Schule arbeitet er immer am Busbahnhof. Er muss seiner Familie helfen. Er ist acht Jahre alt.


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