Siebenmal kein Ich

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Chandrakirti’s siebenfache Argumentation

Chandrakirti war ein berühmter indischer Gelehrter, der im frühen 7. Jhdt. lebte. Er verfasste zahlreiche Werke wie die „Einführung in den Mittleren Weg“, „Klare Worte“ und andere wichtige Schriften der Schule der Prasangika Madhyamika. Seine siebenfache Argumentation ist ein Klassiker der buddhistischen Philosophie und sollte eigentlich von allen studiert werden.

  1. Der Wagen ist nicht von Natur aus dasselbe wie seine Teile.
  2. Der Wagen ist nicht von Natur aus verschieden von seinen Teilen.
  3. Der Wagen ist nicht von Natur aus abhängig von seinen Teilen.
  4. Der Wagen ist nicht von Natur aus die Grundlage, auf dem seine Teile beruhen.
  5. Der Wagen ist nicht von Natur aus der Besitzer seiner Teile.
  6. Der Wagen ist nicht von Natur aus eine bloße Ansammlung seiner Teile.
  7. Der Wagen ist nicht von Natur die Form seiner Teile.

Die siebenfache Schlussfolgerung des Streitwagens (tib., shing rta rnam bdun gyi rigs pa) ist ein Gedankengang in der logischen Argumentation, wie sie von Chandrakirti in seinem Madhyamakavatara verwendet wird, um das Fehlen eines Selbst bei einem Individuum (tib., gang zag gi bdag med) zu begründen und aufzuzeigen, dass das Selbst eine bloße Zuschreibung ist, bezogen auf eine Zusammenstellung von Teilen. Auf dieselbe Weise kann man die Bezeichnung „Streitwagen“ auch auf seine Teile anwenden, wie z.B. die Räder, die Achse, den Körper usw.

Nicht-Selbst

Das Fehlen eines Selbst bei einem Individuum meint das Fehlen einer dauerhaften, einheitlichen und unabhängigen Identität in einem individuellen Wesen. Weiters gibt es noch das Fehlen eines Selbst in Phänomenen (tib., chos kyi bdag med). Damit ist die Abwesenheit jeglicher wesensmäßig innewohnender Identität in den Dingen und Ereignissen gemeint.
Soweit so gut. Wie kann man das nun in die meditative Praxis umsetzen? Dies wird in mehreren Schritten gemacht. Zunächst gibt es zwei Vorbereitungen dazu.
Im ersten Schritt entwickelt man ein unmissverständliches Gefühl von inhärenter Existenz. Sehr leicht geht das immer durch Beschuldigungen anderer. Wenn uns jemand ernsthaft und schwer beleidigt, dann entwickeln wir sehr rasch ein Gefühl eines Selbst (eines Ich, einer Identität). Daher sollte man sich für diese Übung eine solche Situation vorstellen und die dazugehörigen Gedanken und Gefühle ganz klar aufkommen lassen. Dies gestattet der meditierenden Person ein klares und unzweifelhaftes Bild von dem, was verneint wird. Außerdem hilft es dabei, diesen Ansatz wirklich zu verinnerlichen und ihn nicht als bloßes Spiel von Gedanken und Worten verkommen zu lassen.
Dann zum Überblick für die logische Begründung: wenn die inhärente Existenz des Wagens (oder Selbst) sich begründen ließe, dann könnte diese Existenz zumindest auf eine der sieben Weisen vorgefunden werden. Wenn sich die inhärente Existenz des Wagens (oder Selbst) nicht auf eine dieser sieben Arten vorfinden lässt, dann ist eine inhärente Existenz des Wagens (oder Selbst) nicht vorhanden.
Die Begründung folgt einer allgemeinen Suche nach einem Objekt, das inhärente Existenz genannt wird und basiert auf einem Beispiel. Genauso wenn man eine Katze im Haus sucht, findet man sie entweder im Wohnzimmer oder in einem anderen Zimmer. Aber wenn man sie nirgendwo im Haus findet, also weder im Wohnzimmer noch in irgendeinem anderen Zimmer, dann sagt man zweifellos, dass keine Katze im Haus ist… und postet ein Bild auf Facebook. Im Unterschied zur verlorenen Katze ist das Beseitigen der falschen Auffassung von inhärenter Existenz sehr befreiend.

  1. Das Selbst ist nicht von Haus aus dasselbe wie seine Teile (Körper, Gefühle, Gedanken).
    Wenn also das Selbst gleich seiner Teilen – d.h. Körper oder Geist – wäre, dann würde es genauso viele Selbst(e) wie Teile geben. Wir haben aber nur ein Selbstgefühl. Wie könnten also die Teile als ein Ganzes genommen werden? Wenn man das Selbst als eines wahrnimmt, dann müssten auch die Körperteile und Gedanken als eine einzige Wesenheit wahrgenommen werden. Am Beispiel von Haare schneiden lässt sich das auch ganz gut nachvollziehen. Man würde bei der Auffassung, dass das Selbst gleich seiner Teile wäre, bei jedem Haare schneiden etwas vom Selbst verlieren. Würde man einen Finger verlieren, dann würde man auch einen Teil des Selbst verlieren.
  2. Das Selbst ist nicht grundsätzlich verschieden von seinen Teilen (Körper, Gefühle, Gedanken).
    Wenn das wahr wäre, dann könnte man die Teile des Körpers oder Geistes entfernen, bis nichts mehr übrig ist, aber dann wäre noch immer ein Selbst vorhanden.
  3. Das Selbst ist nicht grundsätzlich abhängig von seinen Teilen (Körper, Gefühle, Gedanken).
    Wenn dem so wäre, dann müsste es verschieden sein von seinen Teilen und etwas ganz anderes. Zwar haben wir manchmal den Eindruck, dass das Selbst mal oben, dann unten ist. Aber dennoch hat es etwas mit diesen Teilen von Körper, Gefühlen und Gedanken zu tun und eben nicht mit denen des Nachbarn, oder? Daher sprechen wir ja auch von unserem Selbst.
  4. Das Selbst ist nicht von Haus aus die Grundlage, von der seine Teile (Körper, Gefühle, Gedanken) abhängen.
    Das hat wieder mit den oben genannten Punkten 2 und 3 zu tun. Die Konsequenzen sind dieselben.
  5. Das Selbst ist nicht der Besitzer seiner Teile (Körper, Gefühle, Gedanken).
    Wenn dem so wäre, würden Besitzer und Teile keinen Unterschied aufweisen.
  6. Das Selbst ist nicht grundsätzlich eine bloße Ansammlung seiner Teile (Körper, Gefühle, Gedanken).
    Wenn das Selbst eine bloße Ansammlung von Körper, Gefühlen und Gedanken wäre, dann müsste man nicht weiter darüber reden. Es würde keinen Sinn machen, eine Trennung zu empfinden. In unserer gewöhnlichen Wahrnehmung spüren wir jedoch immer wieder diese kleine Kluft zwischen einem Selbst – eben uns selbst – und einem Körper, den Gefühlen, Gedanken, Handlungen etc.
  7. Das Selbst ist nicht von Natur aus die Form seiner Teile (Körper, Gefühle, Gedanken).
    Wenn dem so wäre, würde das Selbst etwas Körperliches sein. Jedoch sind geistige Zustände nicht gleich Gehirnwindungen und Gehirnströme. Nicht-körperliche Dinge wie ein Geist und Gedanken haben keine Form. Auch würde das Selbst durch Essen oder Sport dick oder dünn werden, es würde altern und Falten bekommen. Doch wir haben anscheinend ein recht gleichbleibendes Gefühl eines Selbst.

Warum tust du MIR das an?

burnout-384086_1920Würde das Selbst tatsächlich existieren, dann könnte man es auf eine der sieben Weisen auffinden. Aber da es sich nicht auffinden lässt, existiert es nicht. Es ist eine bl0ße Zuschreibung auf Basis bestimmter Ereignisse, eben ein bedingtes Entstehen. Personen und Phänomene werden als konventionell bestehend angesehen, aber eben es fehlt ihnen an inhärenter Existenz. Wenn man das begreift, dann verpuffen qualvolle Erlebnisse im Sinne „Warum tust du mir das an?“ am Ort ihres Entstehens. Und wenn man sich über längere Zeit damit vertraut gemacht hat und ein Verständnis jenseits bloßer Gedankenspiele entfaltet hat, dann tauchen diese geistigen Qualen überhaupt nicht mehr auf. Ende der Geschichte.

Beipacktext

Eine paar Sätze der Vorsicht! Man kann diese Untersuchung natürlich auch falsch angehen und meinen, es würde dann rein gar nichts existieren. Also kein Selbst und überhaupt gar nichts. Nun ja, das ist ein fundamentaler Irrtum.Es geht nicht darum, eine Ich-Inflation einzuleiten, sondern zu verstehen, dass der Fehler in der trügerischen Auffassung einer inhärenten Existenz dieses Selbstgefühls liegt. Schließlich taucht ja ein Gefühl von Selbst auf. Doch dieses beruht nicht auf inhärenter Existenz, sondern entsteht bedingt. Gerade dadurch eröffnet sich ein ungeheuer großes Handlungsfeld. Die falsche Auffassung der inhärenten Existenz gilt es zu beseitigen.


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