Schluss mit der Komfortzone!

Schluss mit der Komfortzone!Schluss mit der Komfortzone!Ein offener Eilbrief an alle Einzelhändler

Es ist ein sonniger Herbsttag am Achensee, Österreich. Ich bin auf Kundentour und leiste mir auf dem Weg eine touristische Verschnaufpause mit Verlängertem am idyllischen Ufer.
Da klingelt das Handy, ein lokaler Deutscher Radiosender will ein Kurz-Interview. „Morgen ist ja der Tag des Onlinehandels...", heißt es. „Haben Sie den ausgerufen?" frage ich - „Nein, wir waren es nicht. Ist eine Tagung in Berlin. Wir wollen darüber berichten und gerne eine Einschätzung von Ihnen bekommen, was E-Commerce für den stationären Handel bedeutet", so der Redakteur eines Lokalradios im Münsterland.

Hmm - der ‚Tag des Onlinehandels' - nun sitze ich hier am Achensee und denke über den Sinn und Unsinn dieses Signales nach. Und über die Chancen eines alternativen ‚Tag des Offlinehandels'. Würde der die gleiche mediale Aufmerksamkeit bekommen?
Eher unwahrscheinlich. Schließlich ist der stationäre Handel, sind die Läden, selbstverständlich einfach da. Das waren sie immer schon und deshalb haben sie (zu viele von ihnen) sich in ihrer Komfortzone eingerichtet. Manche ahnen gar, sie gehen bald in Rente. Sie haben keine Lust mehr auf Kissenschlachten.

Die neuen Konsumkanäle kennen keine Komfortzone. Sie eifern empor, kämpfen, werben, erfinden und entwickeln sich, mobilisieren Millionen (Kunden, Lieferanten, Waren, Aktien, Medienbeiträge, Mitarbeiter).
Sachlich betrachtet geht es um die Neuverteilung von Umsatzanteilen zwischen den Marktteilnehmern. Emotional gesehen geht es auch um das Überleben des inhabergeführten und mittelständischen Einzelhandels vor unserer Tür. Und um die Qualität des lokalen Miteinanders zwischen Menschen. Hier waren die Läden immer Bindeglieder und diese wertvolle Rolle geben zu viele heute leichtfertig auf. Sie inspirieren ihre Kunden nicht mehr, sie schlafen tief und träumen von früher, von besseren Zeiten.

Wo Kunden vor mehr als hundert Jahren sich verzückt die Nasen an den Schaufenstern der großen, faszinierenden Kaufhäuser plattdrückten, sind sie heute geflasht von den Shopping Apps ihrer Smartphones. Das drehen wir nicht mehr. Wohl aber hat der stationäre Handel heute mehr denn je eine historische Chance, Kunden zu begeistern und (zurück) zu gewinnen.
Warum? Wie?

Nachdem wir uns daran gewöhnt haben, daß die Onliner uns das benötigte Stück Ware im selben Moment vor die Tür stellen, in dem wir es gerade bestellen wollten* - zur Auswahl in drei verschiedenen Varianten, selbstredend mit kostenlosem, lebenslangem Rückgaberecht...

Nachdem es normal ist, daß wir den coolen Mantel des Bösewichts im Tatort oder das Hütchen von Caroline Reiber in ihrer Show live während der Sendung über die Fernbedienung des Smart-TV per One-Click ordern* und alles am nächsten Morgen im Büro auf uns wartet...

Nachdem wir es leid sind, immer und ständig, auf der Jagd nach dem günstigsten Onlineangebot, halbe Nächte oder Bürotage vor Displays zu verbringen - stets mit dem dummen Gefühl, das richtige Schnäppchen trotz „Bestpreisgarantie" leider doch verpasst zu haben...**

Spätestens nach all dem, ist die neue Stunde des stationären Handels gekommen.
Denn dann, und bestimmt auch schon vorher, werden die digitalisierten Kunden, wird die ‚Generation Head Down', zwischendurch mal öfter ihre Köpfe heben, sich umsehen und feststellen, daß die wahre Kultur, die Inspiration und der Spaß am Einkaufen direkt vor ihnen liegen. In ihrer Stadt, ihrem Viertel, ihrer Straße. Sie werden spannende, gut gestaltete Läden finden, mit für sie passend und individuell zusammengestellten Sortimenten.

Vorausgesetzt natürlich, der stationäre Handel macht mit, kämpft statt zu klagen und erfindet sich neu. Es kann gelingen, wenn Läden ihre frühere Bestimmung als Warenbevorrater austauschbarer Produkte den Logistikzentren der Anderen überlassen und sich auf ihre wahre und exklusive Stärke besinnen: Kunden zu begeistern und zu begleiten, durch Überraschung in der persönlichen Bindung und durch die Faszination der Wirkung inspirierender Räume. Das schafft die virtuelle Konkurrenz nicht so schnell, das ist ihr Neuland.

Dann haben stationäre Händler ihr Trauma überwunden und sich zumindest den nötigen Vorsprung verschafft für die nächste Episode des Dramas: Dem Tag, an dem der einstige Online-Pure Player im Laden nebenan seinen ersten, richtig modernen Store eröffnet*, Omni-Channel natürlich inklusive.

Alexander von Keyserlingk

* gibt's heute vielleicht noch nicht, sicher aber morgen

** gibt's schon zur Genüge

(Bild: Wikicommons)

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