Rezension: Patrick Hohmann – Werenbachs Uhr (Bilgerverlag, 2015)

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An Unternehmen wird heutzutage gerne der Anspruch gestellt, auch als Geschichtenerzähler agieren zu können. Stichwort “Storytelling”, Stichwort “Content Marketing”. Produkte sollen in Narrative eingebunden werden, die bei der Zielgruppe möglichst positive emotionale Reaktionen hervorrufen. Warum diesen Gedanken nicht auf die Spitze treiben?, mag sich der Zürcher Unternehmer und Autor Patrick Hohmann gedacht haben – und hat gleich einen ganzen Roman über die bewegte Entstehungsgeschichte des Produktes geschrieben, das er vertreibt:

“Werenbachs Uhr” ist ein Griff in die unternehmerische Trickkiste, der durchaus auch auf literarischer Ebene zu überzeugen vermag.

Am Anfang steht ein dramaturgischer Kniff: Aus WERENBACH, dem Namen seiner Firma, macht Patrick Hohmann in seinem Roman einen Menschen, den besten Freund des Ich-Erzählers. Damit erhebt er sich von Beginn weg über das reine Marketing-Storytelling, betritt die Welt literarischer Fiktion.

In dieser entpuppt sich besagter Werenbach als ein etwa vierzigjähriger Marketingmensch, der sich von spontanen Eingebungen leiten lässt und alles meidet, “was ihn in irgendeiner Form seiner Freiheit berauben könnte”. Seine neueste (Schnaps)idee: eine Uhr aus alten Raketenteilen. Eine Uhr mit Geschichte, eine Uhr, deren Material einst im Weltall geflogen ist!

Ohne Rücksicht auf Verluste zieht er den Erzähler samt dessen Frau Mara, die Werenbach häufig als Störenfried in den eigenen vier Wänden wahrnimmt, in sein Abenteuer mit hinein. Der grösste Teil des Buches dreht sich um die konfliktreiche Materialbeschaffung, die Werenbach und seinen besten Freund ins ferne Kasachstan führt, wo sie sich einer fremden Verhandlungs-, Verkaufs- und Gastgeberkultur gegenübersehen. Angewiesen auf Mittelsmänner und -frauen, versuchen die beiden angehenden Uhrenhersteller, an die Wrackteile einer alten Sojus-Rakete zu gelangen und deren Transport in die Schweiz zu organisieren. Extreme Wetterbedingungen, sprachliche Pattsituationen, unwirtliche Unterkünfte und lange Busfahrten kommen in die Quere. Werenbach ist jederzeit hin- und hergerissen zwischen akuter Zeit- und Geldknappheit und seiner unbändigen Lust, ein Abenteuer zu erleben.

“Werenbachs Uhr” ist die unterhaltsame Geschichte einer strapazierten Freundschaft und gleichzeitig das Manifest eines entschlossenen Unternehmers, der im Überwinden scheinbar unüberwindbarer Barrieren seine grösste Herausforderung sieht.

Auch wenn der Roman nicht zu jeder Zeit stilsicher verfährt, auch wenn plotarme Zwischenräume etwas penetrant mit ständigen Beschreibungen von Leuten beim Essen gefüllt werden, ist der Kern der Sache – die Geschichte des Produktes eben – doch inspirierend und in eine lustvoll erzählte Romanhandlung eingebettet. “Werenbachs Uhr” kann letztlich als eine gelungene Symbiose von Literatur und Marketing bezeichnet werden – ist hiermit ein neues Genre geboren?

Hohmann, Patrick. Werenbachs Uhr. Zürich: Bilgerverlag, 2015. 291 S., gebunden m. Lesebändchen. 978-3-03762-052-6


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