Rezension: „Die Kunst des Erzählens“ (James Wood)

Rezension: „Die Kunst des Erzählens“ (James Wood)

In seinem Ratgeber für angehende Autoren gibt der Literaturprofessor James Wood einige Schreibtipps. Leider sind diese alles andere als klar strukturiert und einfach zu entschlüsseln. Lohnt es sich dennoch, dieses Buch zu lesen?

Die fehlende Struktur

Ratgeber gibt es wie Sand am Meer. Das weiß auch der erfahrene Kritiker und Dozent Wood. Deshalb hat er den Titel seines Buches anders gewählt, weniger reißerisch. Die Kunst des Erzählens ist eingedampftes Wissen in Reinform. Mit jedem Satz wird dem Leser klar, dass es sich hier um einen Experten im Literaturbereich handelt. Elegant tanzt Wood von einem Autor zum anderen, verknüpft epochenübergreifend die gemeinsamen Merkmale großer und kleiner Bücher und stellt verblüffende Beobachtungen an.

Wood schwebt förmlich durch die einzelnen Bereiche des Schreibens: Indirekte Rede, Spannungsaufbau, Aufmerksamkeit und der gekonnte Einsatz der richtigen Details, deren bloße Erwähnung bereits eine ganze Geschichte lostreten kann. Das alles wäre immens hilfreich für angehende Autoren, wenn es Struktur hätte. Hat es aber nicht.

Noch ein Ratgeber, aber …

Der Autor schreibt einfach drauflos und protzt mit seinem Wissen. Vielleicht ist das eine typische Professorenkrankheit: Das gesamte Know-how zusammenquetschen zu wollen und an den Empfänger zu schicken. Wie ein prall geschnürtes Paket, das beim Transport aufzuplatzen droht.

Bereits ein Inhaltsverzeichnis hätte dem Abhilfe schaffen können, das Grundgerüst eines Ratgebers schlechthin. Doch davon hält Wood anscheinend nicht viel. Stattdessen hangelt sich der Leser von einem durchnummerierten Kapitel zum nächsten.

Jetzt wäre natürlich die Frage zu stellen, ob es sich bei Die Kunst des Schreibens überhaupt um einen Ratgeber handelt. Schließlich thematisiert Wood die Kunst. Allerdings ist im Pressespiegel die Rede davon, dass er eine „literarische Autorität“ (Vorwort von Daniel Kehlmann) sei und seine „intelligente Respektlosigkeit“ (Süddeutsche Zeitung) erfrischend wirke. Der Economist macht dies noch deutlicher, wenn er schreibt, dass dieses Buch „für Romanautoren [und] solche, die es werden wollen …“ gedacht ist.

Es ist ein Wood!

Wir kommen also nicht umhin, dieses Werk in die Kategorie ‚Ratgeber‘ zu verfrachten. Und das völlig zurecht. Wir erfahren eine Menge über den Rhythmus der Texte bis hin zur Tonalität, wir schlagen Haken zu Hemingway, füßeln mit Flaubert und unterminieren Updike. All das ist ein großer Spaß und öffnet angehenden Autoren die Augen.

Allerdings übertreibt Wood mit seinem geschliffenen Stil. Man wird das Gefühl nicht los, dass er dem Leser auf jeder Seite seine Kompetenz unter die Nase reiben möchte. Das wirkt weniger intelligent als aufdringlich. Mehrmals dachte ich mir beim Lesen: „Ja, ich habe es verstanden, du kennst dich aus.“ Ein Ratgeber sollte jedoch auf Augenhöhe mit dem Leser arbeiten.

Fazit

Die Kunst des Erzählens ist kein Ratgeber im klassischen Sinne. Um sich auf diese stilistische Bombe einzulassen, sollten Sie einen ruhigen Platz und jede Menge Zeit mitbringen. Sonst wird es schwierig werden, die wertvollen Essenzen, die das Buch definitiv hat, wahrzunehmen und in Erinnerung zu behalten.

WOOD, JAMES: Die Kunst des Erzählens. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek 2013, 240 S., 9,99 €


Autoreninfo
: James Wood ist ein britischer Romanautor, Essayist und Literaturwissenschaftler. Derzeit lehrt er als Professor an der renommierten Harvard-Universität. Zuvor arbeitete er bei der britischen Zeitung The Guardian und beim Politmagazin The New Republic. Heute schreibt er für den New Yorker und lebt mit seiner Familie in Cambridge.


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