Review: PHOENIX - Vergessen und doch da

Review: PHOENIX - Vergessen und doch da
Fakten:
Phoenix
BRD. 2014. Regie: Christian Petzold. Buch: Harun Farocki, Christian Petzold, Hubert Monteihet (Vorlage). Mit: Nina Hoss, Ronald Zehrfeld, Nina Kunzendorf, Uwe Preuss, Michael Maertens, Eva Bay, Kirsten Block, Imogen Kogge, Jeff Burrell, Megan Gay, Max Hopp, Valerie Koch, Felix Römer u.a. Länge: 98 Minuten. FSK: freigegeben a 12 Jahren. Im Kino.

Story:
Deutschland im Jahre Null: Nelly (Nina Hoss) hat schwer verletzt und mit entstelltem Gesicht Auschwitz überlebt und wird von Lene (Nina Kunzendorf), einer Freundin aus glücklichen Vorkriegstagen und jetzigen Mitarbeiterin der Jewish Agency, nach Berlin, in ihre alte Heimatstadt gebracht. Dort angekommen, unterzieht sich Nelly erfolgreich einer Gesichtsoperation und macht sich trotz aller Bedenken von Lene, auf die Suche nach ihrem Mann Johnny (Ronald Zehrfeld). Dieser hatte Nelly durch sein Festhalten an ihrer Ehe lange vor der Verfolgung schützen können, doch irgendwann schlugen die Nazis unerbittlich zu.
Mittlerweile geht Johnny fest davon aus, dass seine Frau tot ist. Als Nelly ihn endlich aufspürt, erkennt er sie auf tragische Weise nicht wieder. Er meint nur eine beunruhigende Ähnlichkeit mit seiner totgeglaubten Frau zu sehen. Was Nelly auch versucht, er lässt sich nicht vom Gegenteil überzeugen. Aus dieser verwirrenden Situation heraus, macht Johnny der für ihn Unbekannten den Vorschlag, seine Ehefrau zu spielen, um an das Erbe zu kommen, das die im Holocaust ermordete Familie Nellys hinterlassen hat. Wohl oder übel lässt Nelly sich darauf ein. Sie wird ihre eigene Doppelgängerin und verzweifelt zusehends an dieser Rolle. Doch sie kann nicht aufhören. Mit aller Macht will sie in ihr altes Leben zurück.

Meinung:
Der neue Film von Christian Petzold stellt eine schwierige Übergangsphase dar, vom zweiten Weltkrieg und dem dritten Reich hinüber in einen Neuanfang, der mit abgeklärter Mühe versucht, das Vergangene hinter sich zu lassen. Mitten drin: die Überlebenden, die Heimkehrer und vorallem Verletzten, Traumatisierten. Sie scheinen auch glatt vergessen, sind zwar präsent, aber werden (auch aus Schuldgefühl) gemieden, während der Alltag unter neuer Leitung so weitergeführt wird, als sei nichts gewesen. Aus dieser psychologischen Dissonanz erbaut er sodann ein potenzielles Melodram, das sich jedoch keinen typisch-melodramatischen Stilistiken hingibt, stattdessen Understatement praktiziert, was aber auch zur Protagonistin Nelly (Nina Hoss) passt - eine ehemalige Sängerin und aus dem KZ-befreite Jüdin, deren entstelltes Gesicht dank der Unterstützung ihrer idealistischen Freundin Lene (Nina Kunzendorf) zwar halbwegs rekonstruiert wird, aber keine rechte Perspektive für sich finden kann, außer die Wiedervereinigung mit ihrem Mann Johannes (Ronald Zehrfeld).

 

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Johannes und Nelly

Der erkennt sie zwar nicht wieder, aber sich ihm zu offenbaren traut sie sich ebenso nicht, eben weil sie sich auch selbst nicht in den zerbrochenen Spiegeln zerbombter Häuser findet - nur diese starrenden, verwundeten und mit Grauen-erfüllten Augen. Allein diese optische Präsenz, die Hoss ihrer Figur zukommen lässt, definiert die brutalen Tiefen des erlebten Martyriums, ohne dass Petzold da mit filmisch-aufdringlichem Stempel auf die Tränendrüse drücken muss - lediglich eine direkte Anekdote, auch schlicht erzählt, offenbart noch genauere Einblicke in das bereits bekannte Bild vom Holocaust und vom Krieg, das sich die Charaktere in diesem Film am liebsten wegwünschen würden ("Danach wird dich keiner fragen."), obwohl ja überall Trümmer liegen. Bezeichnenderweise geistert sie dann auch wie hypnotisiert durch den neuen Club 'Phoenix', in dem ihr Mann arbeitet und beobachtet eine Welt, der sie fremd geworden ist und die sie auch auszuschließen versucht. Schließlich nimmt Johannes ihr sich aber doch noch an, jedoch mit dem Plan, dass sie sich als seine Frau ausgeben soll, damit er an ihr Geld herankommt, weil alle anderen Familienmitglieder ihrerseits verstorben sind und ihr jetzt alles zusteht.

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In den Trümmern der alten Welt

Daraus entwickelt sich sodann eine bittersüße Erfahrung für sie, indem er Nelly wieder auferstehen lässt, obwohl er nur für eigene Zwecke handelt, unwissend darüber, dass sie es wirklich ist. Dass sie sich ihm (abgesehen von einigen missglückten Versuchen) fortwährend nicht zu erkennen gibt und er auch trotz klarer Zeichen schlicht nicht darauf kommt, dass sie the real mccoy ist, mag zwar ein Stück weit konstruiert wirken, doch passt es perfekt zur psychologischen Tragik des Films, in dem nun mal von vielen (vorallem männlichen) Seiten versucht wird, Bewältigung und Reflexion zu verdrängen, alles Vorherige als geradezu statistische Erinnerungen abzuheften ("Der war ein Nazi. Die hier ist tot.") und schlicht mit dem Leben weiterzukommen. Dies alles geschieht in einem intimen Aufbau, den Petzold ausschließlich seinen Charakteren überlässt und dabei auf detaillierte oder oberflächlich-reißerische Außenfaktoren verzichtet.

Klar ist der historische Rahmen präsent, schließlich beeinflusst er ja das gesamte innere Leiden von Nelly, doch er bleibt genauso funktional wie die behutsame Dramaturgie des Ganzen, aus dem die Nachvollziehbarkeit für die Figuren noch markanteren Raum erhält - mit aller natürlicher (und doch kurzweilig/pragmatisch geschnittener) Stille, durchgehend darin wirkender, verlorener Identitäten packend. Ein spannendes schnörkelloses Stück Kino, so subtil und doch treffend-empathisch, dass es letzten Endes selbst mit der vorhersehbarsten Fassungslosigkeit der Offenbarung und der gleichzeitigen, doppelbödigen Reinkarnation messerscharf ins Herz dringt.
7,5 von 10 Kreuzen
vom Witte

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