Review: HOLIDAY IN ST. TROPEZ - Deutsche Chaoten im musikalischen Liebesurlaub

Review: HOLIDAY IN ST. TROPEZ - Deutsche Chaoten im musikalischen Liebesurlaub
Fakten:
Holiday in St. Tropez
Österreich. 1963. Regie: Ernst Hofbauer. Buch: Hans Bilian, Max Rottmann. Mit: Vivi Bach, Rudolf Prack, Ann Amyrner, Margitta Scherr, Mady Rahl, Gus Brackus, Hannelore Auer, Gerd Vespermann, Billy Mo, Alice Treff, Edith Hancke, Enzi Fuchs u.a. Länge: 95 Minuten. FSK: freigegeben ab 6 Jahren. Aktuell leider nicht auf DVD erhältlich.

Story:
Der angehende Hotelbesitzer Carlos bekommt Probleme mit der Fertigstellung seines Hotels an der Adria. Schnell bittet er seine Nichte Vivi in Deutschland, die bisher getätigten Buchungen zu stornieren. Leider erreicht sein Telegramm sie zu spät, und eine bunt gemischte Gruppe von Gästen reist an. Prompt schlagen diese im Garten des halbfertigen Gebäudes Zelte auf. Unter ihnen ist auch Carola, deren Eltern die Reise kurzfristig absagten, woraufhin sie von zu Hause ausriss. Sie bekommt eine Stelle als Tänzerin und inszeniert eine brenzlige Situation, um ihre Eltern an die Adria zu locken. Als diese ankommen, kommt es in der Bar, in der sie arbeitet, zu einer Schlägerei, und ihr Vater Robert rettet sie. Die drei schlafen den restlichen Urlaub im Zelt, während sich beim Rest der Reisegruppe interessante Konstellationen ergeben.


Meinung:
So, wir kennen ja alle schon die Regie-Arbeiten des Hans Billian im Schlagerfilm-Genre, aber der gute Mann hat auch Drehbuch-technisch viele ähnliche Werke auf die Beine gestellt. Eine von diesen stellt jener Film hier dar, wobei Ernst Hofbauer in seiner Funktion als Regisseur dem Autoren natürlich in nichts nachsteht, besonders gewissenhaft dessen Fokus auf Sex-Appeal emuliert. Aber wir wollen mal nicht so schnell vorgreifen und erstmal feststellen, mit was für einem Ensemble wir es hier zu tun haben - und das kann sich wahrlich sehen lassen (wenn man schon mit Billians Ergüssen vertraut ist), wird es doch genauso 'gewitzt eingeführt', wie man es vom souveränen Schreiberling erwartet.

 
Review: HOLIDAY IN ST. TROPEZ - Deutsche Chaoten im musikalischen LiebesurlaubSo beginnt unser Abenteuer mit dem flotten Titellied, eingesungen und verkörpert vom hier etwas unterbesetzten Gus Backus ('ICH KAUF MIR LIEBER EINEN TIROLERHUT') auf einem Moped, der 4 Wochen dolle Ferien in St. Tropez besingt (welches hier im jugoslawischen Makarska "rekreiert" wurde), aber sodann von einer Gruppe einheimischer Arbeiter stunt-mäßig in eine Kiesgrube befördert wird - Zoff gibt's nicht, werfen sie ihm doch eine ordentliche Pulle Vino hinterher. Sodann kündigen jene Arbeiter beim sich-im-Aufbau-befindlichen Hotel St. Tropez der Eheleute Marisa & Carlos Fonti (Elma Karlowa & Kurt Großkurth), um in Deutschland als Gastarbeiter weit mehr zu verdienen. Kann man verstehen, besser wird das Bild der Einheimischen in diesem Film aber nicht. Auf jeden Fall ist die Not groß, hat doch die Nichte der Fontis, Vivi Sörensen (Vivi 'SO LIEBT UND KÜSST MAN IN TIROL' Bach, keine Ahnung wie die mit den Fontis verwandt sein könnte), bereits so einige potenzielle Urlauber per Reisebüro Reich in München angeworben. Dazu gehören nicht nur ihr anstehender Trottel-Verlobter und Reiseleiter Theo Reich (Gerd Vespermann) sowie ihr geheimer Beau Ricky (Thomas Alder), sondern auch Fraktionen zweier Familien: zum einen wäre da die 18-jährige Abiturientin Carola Engelhard (Margitta Scherr, 'DIE LUSTIGEN WEIBER VON TIROL', etc.), die ihren vornehmen Eltern Robert & Liane (Rudi Prack & Mady Rahl) zum Trotz von Zuhause flüchtet und als verlaustes Hippie-Mädel per Anhalter nach St. Tropez kommt und zum anderen Familienvater Philipp Kussmaul (Peter W. Staub, 'LUSTIGEN WEIBER...') mit seinen zwei Rotzgören Rups und Rita, dessen herrische Frau Friedericke (Edith Hancke, 'SO LIEBT UND KÜSST...') wegen Masern erst später nachkommen kann.

 
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Und wenn die nicht schon genug wären, gibt's noch die vertrocknete Gouvernante Mrs. Wolf (Alice Treff) mit ihren 6 weiblichen Schützlingen sowie die vermeintliche Journalistin und eigentliche Freundin von Ricky, Michaela ('Evergreen' Hannelore Auer), dazu. Heidewitzka! Bei der Belegschaft ist verständlicher Weise niemand so recht erfreut, als sich ihnen die unfertige Hotel-Ruine offenbart, ganz zu schweigen von den Spannungen der Reise dorthin, bei dem der Kussmaul-Sohn Rups mit seinen Cowboy-Streichen die ganze Mannschaft aufgemischt und Missverständnisse deluxe verursacht hat (Kaugummi auf Foto-Linse; Verwirrung des Reiseleiters, der aus Versehen die Hand der Gouvernante in der Tür einklemmt, etc.). Ebenso ne richtig verzogene Göre, die später zusammen mit der Schwester auch Holzbalken klaut, damit andere auf die Schnauze fallen, eine ganze Badewanne (!) entwendet, um nach Afrika zu segeln und ohne rechte Provokation unsere Hannelore Auer am Baum verbrennen will. Seine einfache Begründung: das ist der Drang, sich als Kind auszutoben, was bei Frau Mutter ja nicht erlaubt ist. Ach so, na dann!
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Rups als ausgewachsener Anarchisten-Frechdachs, der sowieso schon im Drehbuchschreiber selbst steckt, ist sodann auch der Schlüssel für einige frivole Streiche - so klaut er den Schützlingen der Gouvernante die BH's beim Topless-Sonnenbad, weshalb sie sich entrüstet mit dem Rücken zur Kamera, aber allzu knappen Bikini-Höschen, zusammenkuscheln, damit sie ja niemand so sieht. Bei dem Setting und Wetter bleibt den Damen der Schöpfung aber auch keine andere Wahl, als sich in reizvolle Badewäsche zu hüllen, da hat man schon weise vorausgedacht und feiert das folgerichtig inszenatorisch gut ab. Aber diese unbedarfte, durch und durch menschliche Fröhlich- und Freizügigkeit kommt ja nicht von ungefähr, immerhin hat sich die Hotel-lose Truppe dem 'heimatlosen' Umstand freiwillig ergeben und verbringt die sonnigen Tage am Meer in Zelten - bestes Camp(ing)-Feeling, da frohlockt nun mal die Frische der Ungezwungenheit. Den meisten Nutzen daraus zieht Hannelore Auer (und in dem Sinne natürlich auch der Zuschauer), die auf St. Tropez' Straßen schon 'Ein Strand voll Kavaliere' besingt und von eben diesen gierig beäugelt wird, was die Kamera ihnen natürlich schamlos gleichtut, von der Halbnahe ihres Gesäß an ihren Beinen vorbeifährt, um dann auf ihrem duften, verschmitzt-verführerischen Gesicht zu landen. Klar ist man da Voyeur, aber sie kokettiert ja gern damit. Auch sehr reizvoll, wie sie später mit gigantischem Ausschnitt Reiseleiter Reich tief blicken lässt, während er von starken Reisezielen voller bezaubernder 'Hügellandschaften' berichtet.
Review: HOLIDAY IN ST. TROPEZ - Deutsche Chaoten im musikalischen LiebesurlaubGeht's noch zwei/eindeutiger? Wie wär's mit der Verkäuferin Heidi Kirschmann (Ann Smyrner), die in St. Tropez auf Millionärsjagd geht, einen gefakeden Grafen (= Einheimischer, der sie sofort fallen lässt, sobald er merkt, dass sie kein Geld hat - aiaiai, Billian muss an seiner politischen Korrektheit arbeiten, vielleicht denkt da aber Hofbauer auch nur in seinem Milieu-Jargon) im Bikini anspricht, ihn beim gemeinsamen Diner sodann dafür lobt, dass er sie schon in jenem Zustand "gut behandelt" hat, woraufhin der Kellner dann ausgerechnet zwei Eisbecher mit Kirschen oben drauf heranliefert. Case closed. Erwähnenswert seien in diesem Kontext aber auch die akustischen Highlights des Films anhand seiner im Narrativ "eingearbeiteten" Schlager, die schon in Frau Kirschmanns Fall sehr präsent sind. Kommt sie nämlich in St. Tropez mit ihrem gemieteten Mercedes an, zieht Teddy Parker an ihr auf der Nebenspur vorbei und versucht mit seinem Hit 'Hätt ich ein weißes Sportcoupé' einen Flirt, bevor er einstweilig wieder aus der Story verschwindet. Bei jenem oben erwähnten Diner darf sodann auch (Little) Peggy March vorbeischauen, die zwar ihr flottes 'Lady Music' bereitstellt, aber eine furchtbare Oma-Frisur aufm Kopf hat. Kein Vergleich zu ihrem Auftritt in 'SPUKSCHLOSS IM SALZKAMMERGUT'. Übrigens ist das auch eine jener Schlager-Einschübe, bei denen sich die beteiligten Darsteller schlicht an einem Tisch abseits des Geschehens hinsetzen und ein bisschen miteinander parlieren - eine Formel, die mir inzwischen öfters aufgefallen ist.
Review: HOLIDAY IN ST. TROPEZ - Deutsche Chaoten im musikalischen LiebesurlaubBeiläufig ist auch der Auftritt Billy Mo's. Wie der zustande kommt, bedarf einer näheren Erläuterung: Carola, die Hausflüchtige, will ihre Eltern, die sie (aus Prinzip?) ins Paradies lockt, so richtig schocken und inszeniert eine Schlägerei in der Hafenkneipe, wo sie sich angeblich als Tänzerin verdient. Inwiefern das Austeilen der Prügel wirklich von den Intriganten choreographiert ist, bleibt fraglich, schließlich gibt's richtig hart-schreiend auf die Fresse - es musste wohl mal raus, bei der Gelegenheit liefert Hofbauer auch ein paar taff geschnittene Reißer-Shots der Kinnhaken-Action. Wie dem auch sei, Billy Mo stimmt inmitten dieses Chaos in Seemannskluft ein Tänzchen an und singt passenderweise 'Muss ein Seemann schwimmen können?' - eine Frage, die er sich selbst beantwortet, als er ins Wasser geschmissen wird. Man sieht: Billian versucht zumindest in diesem Fall, die Songs den bestimmten, dafür schon an sich weit hergeholten Situationen anzupassen. Dann aber gibt's solche Situationen, bei denen für eine halbe Minute lang unvermittelt ein Song-Ausbruch geschieht, als u.a. eine der 6 Gouvernanten-Damen sich als Christa Martin entpuppt, beim Kartoffelschälen aufsteht und wahrscheinlich als Ausdruck des jugendlich-liberalen Zeitgeistes 'I like the beatles' losfetzt, bevor sie antiklimatisch ihre Füße ins Kartoffel-Abwaschwasser tunkt. Ebenso sinnfrei gibt sich Klarinettist Acker Bilk die Ehre, der sein Stück 'Is this the blues?' auf einem Boot zum Besten gibt, während Finanzbetrüger Fred an Land geht und im weiteren Verlauf des Films innerhalb von lediglich zwei Szenen von Carola entlarvt wird, bevor ihre Mutter eines seiner Opfer wird.
 
Review: HOLIDAY IN ST. TROPEZ - Deutsche Chaoten im musikalischen LiebesurlaubAber zwei weitere schöne Musik-Momente kann man noch loben: so sehen wir zum ersten Mal in einem Spielfilm den grandiosen Eiskunstläufer und weniger graziösen Schlagersänger Manfred Schnelldorfer, der als Gendarm seinen Knüppel durch ein Restaurant schwingt, dabei seinen Erstlings-Knaller 'Wenn du mal allein bist' darbietet und sich zu den besten Damen des Films hinsetzt, die sogar mitsingen können, auf jeden Fall offenbar durch ihn motiviert wieder lachen können, bevor er sodann wieder zum Horizont verschwindet. Er erfüllt zumindest seine Funktion als ordentlicher Trostspender, inmitten all der amourösen Wechselspiele, die Billians Schlager-Werke durchweg ausgezeichnet haben und auch in diesem Fall verhältnismäßig undurchsichtig und freimütig variiert werden, als dass man sie an dieser Stelle ausgiebig chronologisieren könnte. Viel mehr konzentriert man sich auf jene urplötzliche Begebenheit, bei der ein Mini-Konzert am Campingplatz abgehalten wird - wo Vivi Bach ein modernes 'Let's Shake' in den Raum wirft, bevor die pseudo-intriganten Liebesspiele ihres Rickys mit Michaela gehörig stürmische Eifersucht mit sich bringen -, sowie auf die folgende Ablenkung von jenen emotionalen Tiefpunkten, den 'Hully Gully Fox' der Nilsen-Brothers, wo tatsächlich jeder unvorbereitet bei der Choreographie mitmachen kann. Außer Rudi Prack, denn der beherrscht wie bei den LUSTIGEN WEIBERN VON TIROL nur klassische Schritte. Zwischendurch zum Schluss hin kommt dann nochmal Mutter Kussmaul vorbei, die sich reichlich Beschweren darüber anhören kann, wie scheiße ihre Kinder sind, bevor dann Vater Kussmaul so tun darf, als ob er Carola aus den tosenden Wellen rettet, um sich vor der Familie als Supertyp zu behaupten - und ja, auch die obligatorischen Verlobungen einiger verdrehter Paare dürfen nicht fehlen. Happy-End in St. Tropez!
Ich weiß, das klingt jetzt alles ein Stück weit verwirrender, als es wirklich ist. Bei der Besprechung der einzelnen, filmbestimmenden Faktoren habe ich schlichtweg ein bisschen auf die Kontinuität geschissen, da die narrativen Stilmittel dieser Art von Filmen ja schon weitläufig bekannt sein dürften - was aber nicht heißt, dass dieser Film Verachtung verdienen möge. Im Gegenteil, dieser Holiday ist eine genüssliche, naive Angelegenheit mit einigen schön hämisch-pointierten Gags, drolligen Darstellerleistungen und angenehmen jugoslawischen Kulissen im herrlich-antiquierten Agfacolor. Wer mit dem Style vertraut ist, kann sich dem Charme dieses luftig-belanglosen Liebesreigen ohnehin nicht entziehen, insbesondere dann, wenn Drehbuchautor Billian seinen clever-subversiven Erotik-Klamauk raushaut und Ernst Hofbauer ebenso exploitativ-kurzweilig die irren Verwicklungen und wahrscheinlich-froh-dass-sie-dabei-sein-und-gleichzeitig-Urlaub-machen-können Charakterdarsteller inkl. gewitzter Schlagerstaffel einfängt. Also, immer nur rein ins sommerliche Vergnügen!

7 von 10 geklauten Badewannen

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