Review: BLACK TAPE - Das Rap-Phantom von Heidelberg

Review: BLACK TAPE - Das Rap-Phantom von Heidelberg
Fakten: Black TapeBRD, 2015. Regie: Sékou Neblett. Buch: Sékou Neblett, Gregor Eisenbeiss. Mit: Sékou Neblett, Falk Schacht, Marcus Staiger, Neffie Temur, Fünf Sterne Deluxe, Thomas D, Cora E, Stieber Twins, Afrob, Materia, Haftbefehl, Eko Fresh u.a. Länge: 88 Minuten. FSK: Freigegeben ab 6 Jahren. Ab dem 3. Dezember 2015 im Kino.
Story:Beim Dreh seiner Doku über die deutsche Hip-Hop-Szene stolpert Freundeskreis-Mitglied Sékou Neblett bei den Sequenzen mit Marcus Staigner über rätselhafte Facebook-Botschaften einer Legende, dem einmalig in Erscheinung getretenen Rapper Tigon. Er, Staigner und Journalist Falk folgen der Spur, auf der Suche nach dem Ursprung des Deutsch-Raps.
  
Meinung:Ganz heimlich, still und leise schleichen sich doch noch interessante und eigenwillige Produktionen aus heimischer Manufaktur in das deutsche Kino ein, die Haltbarkeit dürfte begrenzt sein. Ob „Black Tape“ dort eine echte Chance hat, ist selbst unter optimistischen Erwartungen gering. Demnächst in der Reihe „Das kleine Fernsehspiel“ auf dem ZDF könnte er leider auch versauern, aber zählt zu dessen matt-glitzernden Perlen wie auch schon „Rammbock“. Ein ähnlicher Szene-Erfolg sei ihm gegönnt, die Qualität und das Herzblut hat er ohne Frage.

Review: BLACK TAPE - Das Rap-Phantom von Heidelberg

Ein Mann, ein Mythos.

Schon die Idee von Regisseur und Co-Autor Sékou Nablett (Ex-Mitglied von „Freundeskreis“) ist – obwohl nicht ganz neu – gewagt, in seiner Interpretation erfrischend und als Gesamtes sehr zeitgemäß, gerade da er sich rein faktisch der kreativen Krätze der deutschen Nachmittags-Unterhaltung bedient. Scripted-Reality, wenn grenzwertige Menschen in plumpe „Alltagssituationen“ geschubst werden, damit sich nur geringfügig klügere Personen dadurch bestätigt fühlen. Die Kunst hinter dieser speziellen Ausreizung besteht darin, dieses Konzept als erstaunlich spannende und tatsächlich kluge, liebevolle Reflektion über eine Szene zu nutzen, die zwischen den Zeilen enorm viele Wahrheiten beinhaltet und eher als Satire denn als typischer Genre-Beitrag zu verstehen ist. Satire auch nur deshalb, da diese Art der Darstellung oft nur zur schlichten Kostenminimierung genutzt wird, was oft erschreckend präzise funktioniert. „Black Tape“ könnte – wenn hier nicht so viel „Zufälle“ fix ineinandergreifen würden – zumindest bis zur Halbzeit fast als echte Doku durchrutschen, was an der geschickten Umsetzung liegt. Darauf spielt Nablett gezielt an und den Braten mag nicht jeder sofort riechen. Selbst wenn, wie er es an den Mann bringt schmälert weder den Gesamteindruck, eigentlich bestätigt er nur sein Talent.

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Auch ein Mann, den kennt man aber.

Hier finden sich jahrelange Intimfeinde plötzlich zusammen, um ein reizvolles Projekt auf den Weg zu bringen. Spielen sich selbst, ohne sich zu verleugnen oder aus ihren Persönlichkeiten zu fallen. Aber reichen sich unter dem Deckmantel der gespielten Szenen die Hand und zeigen auf, dass auch im harten Rap-Business vieles heißer gekocht als gegessen wird, zumindest wenn es eine Weile auf der Fensterbank abkühlen konnte. Aus einem als Doku verkauften Film entwickelt sich eine kurzweilige Schnitzeljagd nach einem angeblichen Phantom, dem sagenhaften Tigon, der als erster den Rap eine deutschsprachige Bühne eröffnete, mit katastrophalen Folgen. Zwischen echten Statements und Sequenzen, inszeniertem Material und massiven Stallgeruch erzählt Sékou Neblett zwischen den Zeilen die Entstehung des deutschen Hip-Hops, nicht „wie geplant“ als rein faktische Aufarbeitung, sondern verpackt als Fake-Found-Footage-Szene-Krimi mit überraschend wenig egozentrischen „Darstellern“, die sich eindeutig selbst spielen und deren Szenen nur vom Ablauf, nicht vom reinen Inhalt akribisch skizziert sind. Das wird nicht gespielt, da werden nur Situationen vorgegeben, ab dann sind die Protagonisten real, und wie. Gerade deshalb funktioniert „Black Tape“. Hier eiern nicht bekannte Gesichter durch ein rein gestelltes Szenario, hier wird eine Geschichte, ein Mythos um echte Figuren gebastelt, die sich im Rahmen der Vorgabe authentisch geben. Was eine Energie, einen Flow erzeugt, mit dem man mühelos mitgeht. Für so eine kleine Produktion ist der betriebene Aufwand (inklusive SPLASH-Performance) enorm, das Resultat dementsprechend spritzig, mitten in der Szene, anstatt nur außen vor.
Die reine Story entpuppt sich schnell als engagiertes, nichtsdestotrotz künstliches Spiel und Aufhänger um einen gut kreierten Promo-Jux, drumherum generiert der Film erst seine besten Szenen, die ihren dokumentarischen Zweck fast beiläufig erfüllen. Es wird der „Krieg“ des ersten großflächigen Aufschwungs deutscher Rapper beleuchtet, deren Stars und geliebte Jugendhelden wie FÜNF STERNE DELUXE, die STIEBER TWINS oder AFROB kommen zu Wort, genau wie MATERIA oder HAFTBEFEHL, die neue Generation. Das wohl beste und wichtigste Fragment aus vielen (echten) Zitaten in diesem gebastelten Konstrukt kommt von Max Herre: „ Wenn man das Gefühl hat, man kann den Move von Indie zu Major machen und bleibt sich dabei komplett künstlerisch treu, dann kann man das auf jeden Fall machen“. Da schließt sich der Freundeskreis endgültig und ehrlich. Kommerz und Underground müssen sich nicht zwangsläufig bekriegen, sie können und dürfen eine gesunde Koexistenz bilden, wenn man nur sich als Künstler und nicht seine Identität verkauft. Herre ist dafür das beste Beispiel, sein letztes Soloalbum (auf einem Major) ist vielleicht seine beste Arbeit und darf den Abspann fett unterlegen. „Black Tape“ ist ein Experiment und sicher nur für Fans uneingeschränkt (dann aber richtig) empfehlenswert, der aufgeschlossene Rest darf trotzdem gerne den Blick riskieren. Das deutsche Kino braucht so was: Filme mit Flow, Herz und Idee. 
6,5 von 10 mysteriösen Graffitis

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