Privatdetektivin Mma Ramotswe ermittelt am Rande der Kalahari

Privatdetektivin Mma Ramotswe ermittelt am Rande der KalahariKalahari - was ist das und wo liegt das? Diese Frage dürfte sich wohl fast jeder bun­des­deut­sche Durchschnittsbürger stel­len. Nun, die Kalahari ist eine Wüste/Halbwüste im Süden Afrikas und nimmt fast das gesamte Territorium der Republik Botswana (unab­hän­gig seit 1966; rund 580.000 km² groß; aktu­ell etwa zwei Millionen Einwohner; Hauptstadt aus der "Retorte" ist Gaborone). Und hier soll nun ein Detektivroman spie­len, noch dazu mit einer Frau, einer Schwarzen, als Heldin? Doch dem ist so. Allerdings ist der Autor kein Botswanaer oder Südafrikaner, son­dern ein Engländer: Alexander McCall Smith. Dieser ver­lebte seine Jugend in Simbabwe, war dann spä­ter als Hochschullehrer in Botswana tätig und ist somit nicht ganz orts­fremd.

Dem Verlag Bastei Lübbe kommt das unbe­dingt zu erwäh­nende Verdienst zu, mit der Publikation einer deut­schen Über­set­zung die­ses Buches weit über den bun­des­deut­schen, euro­päi­schen oder US-amerikanischen Tellerrand zu bli­cken. Und dadurch soge­nannte weiße Flecken mit Inhalt und Leben zu fül­len. Wohltuend ist nicht zuletzt, daß in die­sem Buch nicht pau­schal von Afrika und Afrikanern die Rede ist - wie hier­zu­lande lei­der meist noch all­ge­mein üblich, son­dern von kon­kre­ten Nationalstaaten, Ethnien und Menschen mit eige­ner Individualität. Ja, man muß dem eng­li­schen Autor auch dies beschei­ni­gen: Seine Geschichte und seine Figuren atmen Authentizität, ver­wei­gern sich neo­ko­lo­nia­len Klischees und euro­zen­tri­scher Weltsicht.

Wohltuend ist nicht zuletzt dies: Morde am lau­fen­den Band kom­men hier nicht vor - ganz im Gegensatz zu den "Fließband-Krimis von Stange" aus bun­des­deut­scher Feder, egal ob gedruckt oder als "TV-Format"... Sondern es han­delt sich Fälle aus dem ganz all­täg­li­chen Leben unter­schied­lichs­ter sozia­ler Gruppen.

Und schon der erste Absatz ist Spitze, wie hier in prä­gnan­ten Formulierungen die Heldin, ihr "Business" und ihr Milieu beschrie­ben wer­den. Allein schon diese Zeilen machen neu­gie­rig, laden zum Weiterlesen ein und kün­den vom Talent von Autor und Über­set­ze­rin.

Mma Ramotswe betrieb in Afrika eine Privatdetektei, am Fuße des Kgale Hill. Das Inventar bestand aus: einem klei­nen wei­ßen Lieferwagen, zwei Schreibtischen, zwei Stühlen, einem Telefon und einer alten Schreibmaschine. Dann gab es einen Teekessel, in der Mma Ramotswe - die ein­zige Privatdetektivin in Botswana - Rotbuschtee zube­rei­tete. Und drei Tassen - eine für sie selbst, eine für ihre Sekretärin und eine für ihre Kundschaft. Was brauchte eine Privatdetektei mehr? Privatdetekteien leben von mensch­li­cher Intution und Intelligenz, über die Mma Ramotswe reich­lich ver­fügte. Natürlich tauch­ten diese Eigenschaften auf kei­ner Inventarliste auf. (S. 7)

Es folgt ein Blick aus der Tür auf die Umgebung, wie er poe­ti­scher und zutref­fen­der nicht beschrie­ben wer­den kann. Auf S. 9 heißt es über die Protagonistin und ihr Heimatland:

Alles, so dachte Mma Ramotswe, war irgend­wann etwas ande­res gewe­sen. Hier bin ich die ein­zige Privatdetektivin in ganz Botswana, und sitze vor mei­ner eige­nen Privatdetektei. Aber es ist nur wenige Jahre her, da gab es noch keine Privatdetektei, und davor gab es hier noch nicht ein­mal irgend­wel­che Gebäude, hier stan­den nur Akazien, und ein Stück ent­fernt war das Flußbett und dahin­ter die Kalahari, und alles ganz nahe. Damals gab es noch nicht ein­mal ein Botswana, nur das [bri­ti­sche; SRK] Protektorat Betschwanaland. (...) Aber sieh es dir jetzt mal an: eine Privatdetektei, hier in Gaborone, und ich, die dicke Detektivin, sitze drau­ßen davor. (...) Mma Ramotswe grün­dete die 'No. 1 Ladies' Detective Agency' mit dem Einnahmen aus dem Verkauf der Rinder ihres Vaters...

Die das Erbe der ein­zi­gen Tochter des frü­he­ren Grubenarbeiters bil­de­ten.

Es folgt eine Lebensbeschreibung der Mittdreißigerin und ihrer Familie - ver­bun­den mit etwas Unterricht über die bri­ti­sche Kolonialherrschaft und die neu­er­run­gene staat­li­che Unabhängigkeit im Süden Afrikas - und wie es zu ihrer doch recht unge­wöhn­li­chen Berufswahl gekom­men ist. Tja, und da sitzt nun in den 1990er Jahre die erste Detektivin Botswanas und war­tet vol­ler Optimismus und Idealismus auf Klienten. Doch die wol­len sich lange, lange nicht ein­stel­len und alles deu­tet auf ein bal­di­ges Ende des Unternehmens hin.

Aber kurz vor ultimo gibt es dann doch end­lich erste Kundschaft; eine Frau, die auf der Suche nach ihrem ver­schol­le­nen Mann ist. Mma kann den Fall rechts schnell und dazu erfolg­reich lösen. Der Mann ist nicht etwa mit einer jün­ge­ren Geliebten durch­ge­brannt, son­dern wurde schlicht und ergrei­fend das Opfer eines Krokodils. Es ist köst­lich zu lesen, wie Mma Ramotswe zu des Rätsels Lösung vor­stößt und wie sie das Krokodil stellt, es erschießt, auf­schlitzt und in des­sen Magen noch unver­daute metal­li­sche Habseligkeiten des Mannes fin­det. Dieser erste Fall macht Mma Ramotswe bekannt und gibt dem Buch auch sei­nen Titel.

Nun strömt zwar die Kundschaft immer noch nicht in Massen in diese Detektei, doch es kom­men genü­gend Aufträge her­ein, um Mma Ramotswe und ihre Sekretärin gerade so über Wasser zu erhal­ten.

In den wei­te­ren Fällen geht es um grenz­über­schrei­ten­den Betrug zwei Kenianer; die Zwillingsbrüder prak­ti­zie­ren sich wochen­weise abwech­selnd in Botswana und Südafrika als Arzt, wobei der eine gar kein Mediziner ist. Dann gibt es noch den Versicherungsbetrug eines arbeits­scheuen Mechanikers oder die Über­wa­chung der Tochter eines rei­chen indi­schen Unternehmers. Dieser sit­ten­strenge Mann ver­mu­tet, daß sein Töchterchen sich nach der Schule mit einem Jungen trifft. Und schließ­lich geht es noch um schwarze Magie und einen ver­schwun­de­nen elf­jäh­ri­gen Jungen.

Immer ist Mma Ramotswe mit ihrem klei­nen und alters­schwa­chen wei­ßen Lieferwagen unter­wegs. Dabei erlebt sie etli­che Abenteuer der beson­de­ren Art, wie etwa die Begegnung mit einer Giftschlange in ihrem Auto. Natürlich kann sie alle Aufträge erfolg­reich lösen; was beson­ders für das Wiederauffinden und die Rettung des Elfjährigen gilt.

Sie begeg­net vie­len Menschen unter­schied­lichs­ter Herkunft und sozia­ler Stellung. Diese vie­len Nebenfiguren wer­den vom Autor - ebenso wie seine Protagonistin - mit sub­ti­ler Menschenkenntnis gezeich­net. Natürlich kom­men in der Erzählweise auch ein gutes Stück Witz und viel Humor vor. Und nicht zuletzt müs­sen hier auch die wun­der­schö­nen, poe­ti­schen - aber kei­nes­falls idyl­li­sie­ren­den - Landschaftsbeschreibungen erwähnt wer­den, die zusam­men mit der Handlung diese Detektivgeschichte zu einem wirk­li­chen Lesevergnügen machen.

Ach ja, und da ist auch noch die rüh­rende Beziehung-Nichtbeziehung zwi­schen Mma Ramotswe und Mr. J.L.B. Matekoni, dem Besitzer von 'Tlokweng Road Speedy Motors', einer (klei­nen) Autoreparaturwerkstatt. Der zehn Jahre ältere Witwer und lang­jäh­rige Freund der Familie him­melt Mma an, und unter­stützt sie vol­ler Hilfsbereitschaft jeder­zeit (was ange­sichts des berühm­ten wei­ßen Liederwagens von ganz beson­de­rer Wichtigkeit ist) und macht Mma fort­wäh­rend Heiratsanträge. Wird die reso­lute (und ehe­ge­schä­digte) Mma aber dar­auf ein­ge­hen?

Leider ist die­ses wun­der­volle Buch, der Auftakt zu einer gan­zen Reihe über Mma Ramotswe, dem Rezensenten erst durch Zufall und mehr als zehn Jahre nach Veröffentlichung in die Hände gefal­len. Spät zwar, aber kei­nes­falls zu spät.

Siegfried R. Krebs

Alexander McCall Smith: Ein Krokodil für Mma Ramotswe. Kriminalroman. 3. Aufl. A.d.Engl.v. Gerda Bean. 274. S. Paperback. Bastei Lübbe. Bergisch Gladbach 2004. 7,90 Euro. ISBN 3-404-14918-1

Erstveröffentlichung Freigeist Weimar

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