Portugal: Der Lohn für die Arroganz

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“Da geht´s lang!” – Denkmal -Heinrich, der Seefahrer- fotografiert in Porto / Portugal – Foto: © Annamartha / pixelio.de

Bereits im Falle Griechenlands musste deutlich werden, welchen Stellenwert demokratische Wahlen in der Architektur Europas noch haben. Nahezu die gesamte EU-Bürokratie sowie die komplette Bundesregierung aus Berlin begannen bereits Stunden nach der Auszählung, noch in der Nacht, der neuen Regierung zu erklären, was ginge und was nicht. Die Forderungen, die an die Syriza-Regierung umgehend gestellt wurden, waren in dieser harschen Form keiner Vorgängerregierung präsentiert worden. Das Ergebnis der Wahlen, eine linke Antwort auf die Austeritätspolitik, schmeckte den Mächtigen in der EU nicht.

Als am 4. Oktober die Wahlzettel in Portugal ausgezählt wurden, dauerte es nicht lange, bis das Bündnis um den Konservativen Politiker Coelho als Wahlsieger gefeiert wurde. In den internationalen Medien wie in der konservativen Parteizentrale. Das Ergebnis hatte nur einen Schönheitsfehler: Die konservative Mehrheit war dahin und ein Linksbündnis aus Sozialdemokraten, Grünen und Kommunisten verfügt nun über eine Mehrheit.


Dass Republikpräsident Silva dennoch den Konservativen Coelho mit einer Regierungsbildung beauftragt hat, grenzt an einen Rechtsputsch. Er sprach damit einem Minderheitsvertreter, der keine Aussicht darauf hat, sich eine Mehrheit zu beschaffen, das Vertrauen aus. Begründet hat Silva diesen Schritt mit der Furcht vor der Unregierbarkeit des Landes. Damit gemeint ist die begründete Aussicht, dass ein Linksbündnis die für die nationale Politik verheerenden Maßnahmen der Zurückschneidung öffentlicher Leistungen und der Privatisierung, die aus Brüssel diktiert wurden, wieder rückgängig machen würde.

So ist es nicht verwunderlich, dass die Protagonisten des freien Europas sich in die portugiesische Angelegenheit bereits einmischten, als noch gar nicht klar war, wie das Wahlergebnis zu bewerten war. Denn noch bevor sich der sozialistische Bürgermeister von Lissabon, Costa, für das neue Bündnis entschieden hatte und es damit wahrscheinlich machte, dass ein Politikwechsel in Portugal möglich wird, schossen die Herren Juncker wie Schäuble bereits aus allen Rohren gegen das portugiesische Wahlvolk. Während Juncker sich an der Schreckensvision der Unregierbarkeit abarbeitete und damit natürlich eine Abweichung von den Sanierungs- und Privatisierungsdiktaten von EU und IWF meinte, donnerte Schäuble, der Großinquisitor des Wirtschaftsliberalismus, Wahlen hätten quasi keine Relevanz, es gebe Regeln.

Die portugiesische Geschichte wird natürlich weiter geschrieben und spätestens am 10. November, wenn Coelho dem Parlament seine neue Regierung vorstellen wird, wird er keine Mehrheit erhalten und abgewählt werden. Sehr interessant wird werden, wie die sich selbst mit einem nach dem anderen Preis kürenden öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten der Bundesrepublik sich mit diesem völlig normalen demokratischen Vorgang auseinandersetzen werden. Die erste Riege der politischen Klasse, auch dieser Republik, hat bereits in Person des hoch gerankten und überaus beliebten Zuchtmeisters Schäuble gezeigt, was sie von demokratischen Wahlen hält, die nicht so ausfallen, wie es ihr gefallen würde. Nämlich nichts.

Es ist sehr erstaunlich, wie der Kontext der gegenwärtigen Flüchtlingssituation dazu genutzt wird, an die europäischen Werte zu appellieren und seine Verzweiflung darüber zum Ausdruck zu bringen, wie unsolidarisch sich doch manche Staaten in dem Belastungsszenario verhalten. Das mag in dem einen oder anderen Fall zutreffen, die Giftpfeile, die allerdings von deutschem Terrain in Sachen europäischer Idee in den letzten Jahren abgeschossen wurden, sind die tödlichen. Mit dieser Doppelmoral, mit dieser heuchlerischen Arroganz und mit dieser Gier hat sich diese Bundesregierung die Gegnerschaft und den Unmut einiger europäischer Völker ehrlich und mit viel Fleiß erworben. Ergebnisse wie bei den Wahlen in Portugal sind nun die wohl verdiente Belohnung. Es wird nicht dabei bleiben.

von Gerhard Mersmann

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Quellen – weiterführende Links

Foto: © Annamartha / pixelio.de


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