"Polizeiruf 110: Dünnes Eis": Teenager mit Klapphandys

Nach wenigen Minuten dieses zweiten Magdeburg-Polizeirufs des Duos Brasch (immer noch eine Spur zu unterkühlt: Claudia Michelsen) und Köhler (einfach charismatisch in allem, was er macht: Matthias Matschke) hatte ich innerlich abgeschlossen. Zu sehr drängte sich die Erkenntnis auf, dass doch eh der Akzent sprechende Nachbar Roman Breitkreiz (Rüdiger Klink) der Mörder sein wird. Umso schöner, dass das Drehbuch (Eoin Moore, Anika Wargand, Stefan Rogall) am Ende wahrlich ein Kaninchen aus dem Hut zauberte. Auch vorher manövrierte sich das Trio unter der Regie von Jochen Alexander Freydank (immerhin Oscar-Gewinner für Spielzeugland) von einem Plot-Twist zum anderen. Mal gelungen, mal eher weniger.
Die Verpackung dieses zumindest oberflächlich recht übersichtlich gestrickten Polizeirufs schreit jedoch erst einmal zum mehrfachen verzweifelten "Muss das wirklich sein?!!"-Schrei. Am Anfang ist da eine Frau, die rennt. Wie wir später erfahren, ist das Anja Peelitz (großartig: Christina Große). Eine Altenpflegerin, alleinerziehend. Sie rennt dort irgendwo in Magdeburg übers Gras an der Elbe entlang. Und sie ruft laut durch die Gegend, weil da eine Leiche gefunden wurde. Kim soll's sein, suggeriert der Film. Kim - das ist Anjas Tochter. 23 Jahre jung, "sieht aber jünger aus", sind sich Brasch und Köhler einig.
Kim wurde entführt, erfahren wir nun. Denn in einer Möchtegern-Variante von "24" rollt der Film das Feld nun von hinten auf. Plötzlich gibt's unten links "30 Stunden vorher" eingeblendet. Und so weiter. Da lebt sie noch, Kim. Mutter kommt heim von der Nachtschicht, kurzer Plausch über den Abend zuvor, wo Kim denn gewesen sei. "Bei Michelle", ihrer Arbeitskollegin aus dem Klamottengeschäft, eröffnet Kim. Kennt man, solche Mutter-Kinder-Gespräche. Alles im Lot also. Kim zieht ab, mit dem Rad Richtung Arbeit, wird nass gespritzt von einem Geländewagen. Ih gitt. Sie hat ein pinkes Handy bei sich (ein Klapphandy, seriously?!), fährt mit einem pinken Rad (ist halt ein Mädchen!). Und dann bekommt Anja Peelitz einen Anruf. 100.000€ soll sie besorgen, denn ihr Kind wurde entführt. Und: Keine Polizei. Also: Direkt auf zum Revier...

Links, der Nachbar - lange Zeit der Hauptverdächtige schlechthin für mich. Recht, die Protagonistin mit vielen Problemen.


Freydanks Inszenierung taugt eigentlich höchstens zum Warmwasserkochen. Im Hintergrund plärrt dauernd irgendwelche Musik. Spannung soll die suggerieren. Ständig gibt's diese Countdown-Anzeigen. Spannung sollen auch die suggerieren. Hmm. War das nötig? Vermutlich kam sich Freydank nachher im Schnitt vor wie so einige Zuschauer bei der Betrachtung von "Dünnes Eis". Denn der Streifen bewegt sich auf eben jenem.
Verdächtige gibt's ein paar. Komische Sachen auch. Schnell stellt sich die Frage, warum Anja Peelitz sich oft so seltsam verhält. Und überhaupt: Warum soll 'ne Altenpflegerin 100.000 bar auf der Kralle haben? Nur eine Frage. Bald schon kristallisiert sich heraus: Diese Anja Peelitz, angeblich Witwerin, hat so einige Probleme. Im Kopf und in ihrem Leben. Ihr Ex-Mann Jost (Eckhard Preuß) ist, na klar, Taxifahrer. Und damit schon von Berufswegen her verdächtig. Dann Michelle (Anna Herrmann), die Freundin. Der Russlanddeutsche Nachbar der Peelitzes, der ständig aus dem Fenster schaut. Und die Ex-Freunde von Kim.

Kommissar Köhler. Gespielt von Matthias Matschke. Guter Mann!


Der Ablauf ist dann wie gehabt: Die Polizei kommt nicht weiter, Polizeichef Lemp (guter Mann: Felix Vörtler) verzweifelt, weil ständig Geldübergaben misslingen. Finger der Entführten verschwinden, werden abgeschnitten. Da schwingt dann sogar ein bisschen japanische Mafia mit. Und Anja Peelitz, das wird auch immer klarer, ist nicht gerade die größte Hilfe dabei, ihre Tochter wieder zu finden. Tote sind gar nicht tot, Entführte schlussendlich gar nicht entführt. Und der Nachbar auch gar nicht der Mörder. Hä?

Fazit

Nein, so recht logisch wirken hier so einige Erkenntnisse während der 90 Minuten nicht. So recht erklärbar auch nicht. Doch: Immerhin schafft es die tapferen Schreiberlinge so ständig wieder mit ihren überraschenden Wendungen drüber hinweg zu täuschen, was das hier eigentlich ist für ein Fall. Und zwar eine Gurke. Nicht spannend. Nicht gut. Und irgendwie - aller Überraschung bei der Auflösung zum Trotz - auch nicht cool genug. Schön aber, dass vor allem Kommissarin Brasch diesmal etwas weniger zu sagen hat. Das hatte sie schließlich dringend nötig - wir erinnern uns...

BEWERTUNG: 6/10Titel: Polizeiruf: Dünnes EisErstausstrahlung: 12.02.2017Genre: KrimiRegisseur: Jochen Alexander Freydank
Darsteller: u.a. Claudia Michelsen, Matthias Matschke
Bilder: ARD, MDR/Frédéric Batier

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