Peter Berglar: Wilhelm von Humboldt

Wolfgang Krisai: Ein Gutteil meines biographischen Wissens über wichtige Persönlichkeiten stammt aus rororo Bildmonographien, die ich in meiner Jugend und vor allem Studienzeit verschlang. Und auch heute noch greife ich gerne zu dieser genialen Buchreihe, wenn es darum geht, über einen Menschen eine erste, profunde Information einzuholen.

Im Zusammenhang mit meiner Beschäftigung mit der Institution Universität begann mich Wilhelm von Humboldt zu interessieren, der die Universität als Stätte der Forschung und Lehre definierte. Was war er für eine Persönlichkeit?

Das Ergebnis war einigermaßen überraschend:

Privatgelehrter

Wilhelm von Humboldt (1767-1835) war Privatgelehrter auf dem Gebiet der Sprachwissenschaft, vor allem in den letzten 15 Jahren seines Lebens widmete er sich diesem Gebiet, lernte eine Fremdsprache nach der anderen und machte sich Gedanken über deren Zusammenhänge.

Diplomat

Genauso war er auch Diplomat, während einiger Jahre Vertreter Preußens in Rom beim Heiligen Stuhl, später Adjutant des Kanzlers Hardenberg beim Wiener Kongress, kurz auch Botschafter Preußens in London – von wo er sich aber so schnell wie möglich wieder abberufen ließ.

Diese diplomatischen Posten waren aber für Humboldts Vorstellungen nicht angemessen wichtig und selbstbestimmt. Das veranlasste ihn mehrmals, den Dienst zu quittieren und in ein anderes Tätigkeitsfeld zu wechseln.

Der preußische König Friedrich Wilhelm III. stand ihm wohlwollend gegenüber, daher konnte er sich diese Mimosenhaftigkeit leisten. 1819 allerdings ging er zu weit, stellt den König vor die Wahl zwischen ihm und Hardenberg – und der König entließ ihn.

Bildungsminister

Humboldts kulturelle Bedeutung jedoch fußt auf lediglich eineinhalb Jahren Tätigkeit als Bildungsminister Preußens vom 20. Februar 1809 bis zum 14. Juni 1810 in Königsberg, wohin der preußische Hof vor Napoleon geflüchtet war.

Kaum im Amt, entfaltete Humboldt eine titanische Gestaltungskraft und reformierte in kürzester Zeit das gesamte Bildungswesen Preußens. In Memoranden und Dekreten kümmerte er sich um das große Ganze genauso wie um scheinbar unbedeutende Details.

Schuljahr und Stundenplan

Humboldt „erfand“ das Schuljahr: Man konnte nun nicht mehr seine Kinder zu jedem beliebigen Zeitpunkt in die Schule schicken, sondern nur zu Schuljahresbeginn. Dasselbe galt für den Tagesablauf, wo nun auch ein Stundenplan vorgeschrieben wurde, an den sich die Schüler zu halten hatten.

Solche Details hatten dem großen Ziel der umfassenden Bildung der Bevölkerung. „Es gibt schlechterdings gewisse Kenntnisse, die allgemein sein müssen, und noch mehr eine gewisse Bildung der Gesinnungen und des Charakters, die keinem fehlen darf.“ (Rechenschaftsbericht an den König, Dez. 1809)

Bildung zum aufgeklärten Menschen und Bürger

Damit Bildung möglich wird, müssen dem Kind zunächst in einer „Elementarschule“ die Voraussetzungen dazu beigebracht werden. Wer sich dann als bildbar erweist, kommt auf die eigentliche Schule im Humboldtschen Sinne: in ein humanistisches Gymnasium. Dieses dient nicht eine bestimmten Berufsausbildung, sondern es bildet den Schüler zu einem „aufgeklärten Menschen und Bürger“ (ebd.). Wer dazu geworden ist, „erwirbt die besondere Fähigkeit seines Berufs nachher so leicht und behält immer die Freiheit, wie im Leben so oft geschieht, von einem zum anderen überzugehen.“ (ebd.)

Berglar kritisiert allerdings, dass die von Humboldt bewirkte Ablösung der Bildung „von ihrer Beziehung zur Tätigkeit, zur Arbeit, zur gesellschaftlichen Praxis des Menschen“ (S. 88) ein Jahrhundert später dazu führte, dass gebildete Deutsche in ein politisches Desaster stolperten, gegen das aufzutreten sie auf ihrem Bildungsweg nicht gelernt hatten.

Forschung und Lehre: die Universität

Nach Elementarschule und Gymnasium sollte der Schüler „eine Anzahl von Jahren ausschließend dem wissenschaftlichen Nachdenken an einem Orte widmen, der viele Lehrer und Lernende in sich vereinigt“: an der Universität. Dort sollte kein Schulbetrieb mehr, sondern ein lebendiger Dialog zwischen den Professoren und den Studenten herrschen. Eben die „Einheit von Forschung und Lehre“, die neben der „Freiheit“, sich selbst auszusuchen, was man studieren will, der zweite Eckpfeiler der deutschen Universität wurde (S. 95).

Gründer der Universität Berlin

Humboldt leitete die Gründung der Universität Berlin in die Wege, doch bevor sie eröffnet werden konnte, hatte er schon wieder seinen Abschied als Bildungsminister eingereicht. (Vermutlich mit der Absicht, vom König durch mehr Machtbefugnisse zum Verbleiben im Amt bewegt zu werden. Womit er sich verrechnet hatte…) Immerhin sorgte er noch dafür, dass an die Universität Berlin die führenden Köpfe der damaligen Zeit als Professoren geholt werden konnten.

Kommunikationstalent

Wie konnte Humboldt in so kurzer Zeit solche Wirkung haben? Schlüssel dazu sind sein Kommunikationstalent und sein umfassendes Interesse. Er trat mit allen bedeutenden Menschen seiner Zeit in Beziehung, und zwar schon als junger Student. In Berlin frequentierte er den Salon von Henriette Herz, in dessen Kreis er auch seine spätere Frau Caroline von Dacheröden kennenlernte. Die Berliner Salons waren damals Treffpunkt sämtlicher Intellektueller der Stadt.

Auf Reisen war es damals möglich, sich bei bedeutenden Persönlichkeiten zu einem Besuch anzumelden. So lernte Humboldt den Weltreisenden und politischen Kopf Georg Forster kennen und freundete sich mit ihm und seiner Gattin an. Oder Friedrich Heinrich Jacobi, den er in Pempelfort bei Düsseldorf besuchte.

Der dritte Klassiker neben Goethe und Schiller

Mit Goethe und Schiller, die er während einiger Jahre in Jena als Freunde gewann und mit denen er regen Austausch pflegte, bildete er das Dreigestirn der deutschen Klassik. Insbesondere Schiller stand ihm nahe, während Goethe sich eher seinem Bruder Alexander von Humboldt wesensverwandt fühlte.

Humboldt war ein Mensch, der sich mit Feuereifer auf Neues stürzte, aber schnell erlahmte und selten ein Werk zu Ende führte. Zumindest dauerte manches viele Jahre, wie seine Übersetzung des „Agamemnon“ von Aischylos, die 1816 erschien. Sein Ruhm fußt daher nicht auf einem schriftstellerischen Werk, sondern auf seinem Universalismus, von dem man sich vor allem in seinen unzähligen Briefen ein Bild machen kann.

Tausende Sonette

Bemerkenswert ist jedoch, dass er in den letzten Lebensjahren jeden Tag mit einem Sonett, das er einem Sekretär diktierte, abschloss. Diese Sonette sind bis heute nicht vollständig publiziert und behandeln inhaltlich sozusagen „Gott und die Welt“.

Unermüdlicher Briefschreiber

Das tägliche mehrstündige Briefeschreiben war Humboldt sein Leben lang ein unabdingbares Bedürfnis. Zum Glück für die Nachwelt, denn die Briefe sind zu einem großen Teil erhalten (wenn auch, wie der Briefwechsel mit seiner Frau Caroline, von den Herausgebern ein wenig geschönt). Darüber hinaus schrieb er immer wieder Tagebuch. Darin kann man minutiös nachlesen, was ihn beschäftigte.

Über seine interessante Ehe mit Caroline von Dacheröden gibt es ein ganzes Buch: Hazel Rosenstrauch: „Wahlverwandt und ebenbürtig“ – das ich als nächstes lese.

Peter Berglar: Wilhelm von Humboldt. rororo Bildmonographie. Rowohlt Taschenbuch Verlag, 16. – 18. Tsd., 1976. 186 Seiten.

Wolfgang Krisai: “Wilhelm von Humboldt”, Skizze nach der Lithographie von Oldermann nach F. Krüger auf dem Umschlag der rororo-Monographie über Wilhelm von Humboldt von Peter Berglar. Feder. 2016.


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