Ostertanztage 2014 in Hannover - "Chaplin" von Mario Schröder: großartiger Auftakt, bewundernswerte Ensembleleistung

"Chaplin", die Gastchoreografie Mario Schröders aus Leipzig, war ein großartiger Auftakt der Ostertanztage 2014, mit einer bewundernswerten Ensembleleistung und vielen berührenden Momenten - das Premierenpublikum (Samstag 12. April) war sehr begeistert und spendete viele Minuten lang Beifall.

Traditionsgemäß gibt es während der Ostertanztage eine Gastinszenierung. Die Wahl fiel 2014 auf Mario Schröder, den Ballettdirektor und Chefchoreografen des Leipziger Balletts, dessen erfolgreiches Stück "Chaplin" 2010 in Leipzig uraufgeführt worden war. Für Hannover inszenierte er es neu (die erste Vergabe an ein anderes Ensemble!), zusammen mit Roman Slomski, Isis Calil de Albuquerque und Oliver Preiß. Das Ensemble ließ sich, wie zu hören war, rasch begeistern - und das war in der Premiere deutlich zu spüren.

"Chaplin" zeichnet den Lebensweg des Charles Spencer Chaplin (1889 - 1977), bekannt als Charlie Chaplin, in sechzehn Bildern nach - von der Kindheit im Slum mit Mutter und Vater über "Chaplin erschafft den Tramp" und "Ruhm und Schwarzer Freitag" bis hin zum Abschied vom Tramp.

Besonders berührend fand ich bereits den Anfang: Chaplin als Tramp ist von hinten zu sehen, er blickt auf seine Kindheit, die auf großer Leinwand als Schattenspiel dargestellt wird. Das empfinde ich als genialen Einfall. Chaplins berühmte Mischung aus Komik und tragischem Ernst, die gut herausgearbeitet wird, hat ihre Wurzeln in der Kindheit unter schwierigen Bedingungen, die er nie vergessen wird. Bewegend auch die Szene der Verwandlung in den Tramp, Chaplins Alter Ego in den Stummfilmen, die er meistens mit großer Perfektion selbst inszeniert hat. Auch das ein guter Einfall: Chaplin während des ganzen Stücks von Denis Piza und Catherine Franco (in der Figur des Tramps) zweifach zu besetzen, wie ein durchgängiges Doppelgängermotiv. Die Kunstfigur des melancholischen Vagabunden wird mit Erfolg und Ruhm rasch zur Massenware. Die Vervielfachung ist eine gute Gelegenheit für Gruppentanzszenen - ebenso wie die Militarisierung zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Durch den sog. Schwarzen Freitag 1929 und die Weltwirtschaftskrise verliert Chaplin wieder viel von seinem Reichtum (wertlos gewordene Papiere werden auf der Bühne verbrannt), aber auch die rasche Beliebtheit des Tonfilms spielt eine Rolle. Chaplin akzeptiert den Tonfilm zunächst nicht - was auf witzige Weise durch den Kampf gegen ein übergroßes Puschelmikrofon dargestellt wird. In "Moderne Zeiten" ticken die Zahnräder und andere Maschinenteile. Den Diktator macht er zur lächerlichen Figur mit Schnauzbart (wie er selbst einen trägt). Chaplin wird immer politischer, bekommt später Ärger wegen unamerikanischer Umtriebe und ist gezwungen seine Arbeit in Europa fortzusetzen.

Ein besonderes Lob möchte ich abschließend für das Programmheft (Redaktion: Brigitte Knöß)  aussprechen: Es ist sehr informativ mit vielen Zitaten, Bildern, einem Interview mit Mario Schröder (Dramaturgin Brigitte Knöß), einem flüssig geschriebenen Überblick über Chaplins Leben von Thilo Reinhardt. Um dem die Ehre zu geben, möchte ich hier mit einigen Zitaten abschließen.

"Gerade der Tanz ist eine sehr flüchtige Kunst. Die nur reine, schöne Bewegung interessiert mich dabei weniger, sondern es geht mir immer um die Aussage. Wenn ich das Gefühl habe, dass die Leute, die tanzen, überzeugt sind von dem, was sie tun, wenn sie glücklich werden, dann ist das für mich richtig ..." Wir können (als KünstlerInnen) "nichts schaffen, was allen gefällt. Wir können auch keine Antworten geben. Wir sind Suchende. Trotzdem wollen wir Menschen erreichen, und zwar mit dem, was für uns als Künstler wesentlich oder wichtig ist. Das müssen wir als Frage in den Raum stellen, um die Dinge aufzubrechen. Ich möchte das Publikum sensibilisieren und anregen - ohne nur zu unterhalten. Vielleicht ist da eine ganz große Naivität in mir? Aber schon seit meiner Kindheit, als ich die ersten Chaplin-Filme sah, gibt es diesen Wunsch, den schon Chales Chaplin hatte: die Welt ein wenig besser zu machen. Ich versuche, authentisch zu bleiben, auch auf das Risiko hin zu scheitern. Das ist manchmal schwer zu verkraften, aber es gehört zu unserem Leben als Künstler" (Mario Schröder in dem Interview).

"Meine Filme sind alle um die Idee herum gebaut, dass ich in Schwierigkeiten gerate und damit die Chance bekomme, mich verzweifelt ernsthaft darum zu bemühen, als normaler kleiner Herr zu erscheinen. Deshalb ist es mir auch so wichtig, egal wie hoffnungslos meine Lage auch sein mag, meinen Stock festzuhalten, meine Melone gerade zu rücken und meine Krawatte zu richten, auch wenn ich gerade auf dem Kopf gelandet bin." (Charles Chaplin)

"Nichts kann so schön sein, dass die Leute darüber ihr Frühstücks-Spiegelei mit Speck vergessen - und was die Bewunderung durch die Welt betrifft - die ist nichts wert - am Ende muss man nur sich selbst gefallen: - du machst etwas, weil es dir etwas bedeutet. Du arbeitest - weil du einen Überschuss an Lebenskraft verspürst. Du stellst fest, dass du nicht nur Kinder machen, sondern dich auch auf andere Weise verwirklichen kannst. Am Ende bist du es - ganz du - deine Arbeit, dein Denken, deine Vorstellung des Schönen, dein ist das Glück, dein die Befriedigung. Trau dich, den Schleier zu lüften und die Leere zu erkennen, die er verbirgt, habe Mut, dieser Leere ins Gesicht zu sehen, wohl wissend, dass deine Welt in deinem Innern liegt ..." (Charles Chaplin)

Der Besuch einer der Vorstellungen ist sehr empfehlenswert - der nächste Termin im Rahmen der Ostertanztage ist der 15. April 2014. Weitere Termine danach: 23.4., 3.5., 29.5., 5.6. usw. S. Seite der Staatsoper Hannover.

Text: Dr. Helge Mücke, Hannover


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