Ohne Schulabschluss zum Studium

Alles begann kurz vor meinem 15. Geburtstag. Meine Eltern trennten sich, ich bekam zunehmend Schwierigkeiten in der Schule, lernte die „falschen Freunde“ kennen und lebte Anti-Autoritär. Ich lies mir nichts mehr sagen und machte worauf ich gerade Lust hatte. Für einen pubertierenden Teenager bis dato nichts ungewöhnliches… Wäre da nicht die Sache mit der Schule gewesen:

Ein paar Tage vor meiner Realschulprüfung warf ich alles hin und entschied – in meinem jugendlichen Leichtsinn, dass ich keine Lust mehr auf Schule hatte. Ich ging nicht mehr zu Schule, schwänzte und wurde schlussendlich sogar von der Schule geworfen. Für das richtige Leben lernte man dort ja sowieso nichts und Mathe brauchte ich schon zehnmal nicht. Natürlich steckten meine Eltern mich auf eine andere Schule und ich sollte die 10. Klasse wiederholen. Doch diesen Plan fand ich gar nicht gut. Mein Zuhause sah ich ab da nur noch von außen und kam so gut wie nicht mehr Heim. Das meine Eltern, vorrangig meine Mutter, bei der ich zu diesem Zeitpunkt lebte, darüber nicht gerade erfreut waren, war mir egal und auf Verbote hörte ich nicht. Ich lebte mein Leben, so wie ich es wollte.

Viele Schicksalsschläge prägten zu dieser Zeit, mein noch so junges Leben

So kam es, dass ich für einige Monate „ausstieg“. Trotz meiner Schulpflicht ging ich nicht mehr zur Schule. Ich hatte andere Dinge im Kopf. Ich wollte die Welt entdecken und nicht von Montag bis Freitag, von 08:00 – 15:00 Uhr in der Schule sitzen. Ich log, fälschte Unterschriften und führte Telefonate im Namen meiner Mutter.

Doch irgendwann stand ich da. Ohne Schulabschluss, ohne richtige Freunde, ohne Hoffnung, ohne Mut. Leer. Wusste nicht wohin mit mir, was ich wollte oder was ich überhaupt konnte. So lebte ich in den Tag hinein. Tag ein, Tag aus. Monate lang. Meine Eltern versuchten alles um mich wieder auf auf die richtige Bahn zu bringen, aber ich blieb stur.

Wie durch ein Wunder fand ich nach Monaten eine Lehrstelle. Obwohl ich keinen Schulabschluss hatte, schaffte ich es den Chef beim Bewerbungsgespräch zu überzeugen und wurde prompt eingestellt. Ich war zwar nicht gut in dem was ich tat und Spaß machte es mir auch nicht, aber ich hatte wenigstens Arbeit, der ich irgendwie nachging.
Es schien bergauf zu gehen. Doch eine wirkliche Perspektive hatte ich noch immer nicht. Ich wollte keinen Beruf in dem ich jedes Wochenende 10 Stunden und mehr arbeiten musste. Ich wollte einen Beruf, der mir wirklich Spaß machte und mir erfüllte.

Trotzdem riss ich mich am Riemen und zog die Lehre zähneknirschend durch. Irgendwann begann sie mir sogar ein wenig Spaß zu machen und so bestand ich die Ausbildung doch noch ganz passabel. Zudem bekam ich durch die Beendigung der Ausbildung noch meinen Realschulabschluss und war froh dieses erste Erfolgserlebnis, nach so langer Zeit, nun endlich in der Tasche zu haben.

Ein paar Jahre vergingen, in denen ich mich beruflich umorientierte, ein Praktika nach dem anderen machte und einfach nicht die passende Arbeit für mich fand. Aber nicht nur die richtige Arbeit fehlte mir, mir fehlte auch ein Sinn. Der Sinn meines Lebens.

Irgendwann wollte ich nur noch weg

Weg aus dem Dorf in dem ich lebte, weg von der alten Umgebung, weg von all dem, was mich an damals erinnerte. Ich wollte in eine neue Umgebung und ich wollte neue Menschen kennen lernen. Menschen, die mich nicht aufgrund meiner Vergangenheit verurteilten. Und das tat ich dann auch.

Ich zog weg. Aber noch immer hatte ich keine Idee, was ich denn mal arbeiten wollte. Trotzdem bewarb ich mich an einem  Abendgymnasium. Einfach so. Ohne das ich überhaupt wusste, was ich danach machen wollte. Hauptsache ich bekam etwas Struktur in meinen Alltag. Ich hatte zwar einen kleinen Job, dieser füllte mich aber nicht aus, sondern ließ mich nur mein täglich Brot verdienen.

Und so kam es: Ich bestand den Aufnahmetest und ging fortan vormittags arbeiten und nachmittags zur Schule. Nebenher hatte ich noch mehrere Putzstellen, um mir ein wenig Geld dazu zuverdienen. Ich war vollkommen ausgelastet, hatte kaum Zeit für andere Dinge, denn ich lernte, weil mir das lernen plötzlich Spaß machte.

Je mehr ich lernte und je bessere Noten ich schrieb, desto Selbstbewusster wurde ich

Ab hier ging es dann endlich bergauf. Nach und nach entdeckte ich meine Stärken. Ich merkte, dass mir manche Dinge nicht nur gut lagen, sondern auch wirklich Spaß machten. Ich fand nette Menschen, die nichts von meiner Vergangenheit wussten und mich nicht aufgrund dieser verurteilten. Wo früher tagelange Parties zu meinen Hobbys gehörten, entdeckte ich nun Museen für mich. Ich bekam Interesse an Politik, ließ mich fortan als Wahlhelfer eintragen und ging auf verschiedenste politische Vorlesungen. Ich freute mich auf jeden Tag, in dem ich in die Schule gehen zu durfte. Der Unterricht machte mir Spaß und ich war unendlich dankbar, Wissen zu erhalten. All das, was ich früher vernachlässigt hatte, holte ich nun auf.

Und heute?

Heute bin ich verlobt, Mutter eines kleinen Kindes und habe erfolgreich mein Abitur in der Tasche. Die Welt steht mir offen und ich kann alles (bis auf Medizin ;-)) studieren. Ich lebe endlich das Leben, was ich mir früher immer erträumt habe. Weg von der alten Umgebung, weg von den falschen Leuten und endlich mit meiner eigenen Familie. Ich bin politisch engagiert und durfte sogar das ein oder andere Mal, für eine große Zeitung schreiben. Wir als Familie, versuchen so gut es geht autark zu leben und achten sehr auf regionale und saisonale Produkte. Auch wenn mich die Vergangenheit, wie ein zu kleiner Schuh manchmal drückt, habe ich sie hinter mir gelassen und bin stark geworden. Die letzten 12 Jahre waren eine Berg- und Talfahrt, aber heute stehe ich oben auf dem Berg und kann mit stolz auf die vielen schlimmen Dinge herunterschauen, denn ich habe sie überstanden.

Nach dem Abitur begann ich zu studieren. Aber noch während des Studiums kündigte sich mein wundervolles Baby an. So legte ich vor der Geburt erstmal eine Pause ein, um mich die erste Zeit nur um mein Kind kümmern zu können. Im kommenden Jahr, werde ich allerdings wieder weiter studieren. Falls ich gewinnen sollte, würde ich das Preisgeld gern dafür nutzen, um die Studiengebühren abzudecken.


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