Mord, Putsch & Volksbefragung. Das griechische Königreich

Hätten die Griechen der Antike die griechische Tragödie nicht gezielt erfunden, ihre Nachfahren hätten sie Jahrhunderte später ungewollt zur Kunstform erhoben. Von 1832 bis 1973 war Griechenland ein unabhängiges Königreich mit einem gefährlichen Schleudersitz als Thron. Die Geschichte der griechischen Monarchie ist eine Geschichte von Mord und Aufständen, von Krieg, Unruhen und vergebenen zweiten Chancen. Sogar die Tierwelt mischte sich ein.

In den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts versuchten sich die Griechen ihre Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich zu erkämpfen und waren dabei Spielfiguren der europäischen Mächte Großbritannien, Frankreich und Russland, die ihr eigenes Interesse daran hatten, das Osmanische Reich zu zerschlagen. Die Griechen ihrerseits spielten das Spiel nicht besonders gut, da sie unter anderem ihren ersten post-osmanischen Präsidenten Ioannis Kapodistrias gleich mal erschossen. Im so genannten Londoner Protokoll von 1830 legten Großbritannien, Frankreich und Russland schließlich fest, dass Griechenland keine Republik, sondern ein unabhängiges Königreich werden sollte. Der König wurde auch gleich mitgeliefert: Otto I. von Bayern. Der erste König von Griechenland war also ein Deutscher. Hier könnte jetzt, aber muss keine, Pointe stehen.

Otto I. von Bayern war, als er 1832 zum König von Griechenland ernannt wurde, noch minderjährig. Daher wurde ihm ein Regentschaftsrat zur Seite gestellt, der

sich aus Politikern, Juristen und Militärangehörigen zusammensetzte. Die hohen Herren sollten aus dem verwüsteten und zerrütteten Land, das einst die Wiege der Demokratie gewesen war, einen funktionieren Staat mit Verwaltung, Schulwesen, Rechtssystem und Armee machen. Nach deutschem Vorbild. Dazu wurde natürlich Geld benötigt und genau daran haperte es in Griechenland, damals wie heute, trotz ausländischer Hilfen gewaltig. Als Otto I. die Volljährigkeit erlangte und eigenverantwortlicher König von Griechenland wurde, zeichneten sich zwar erste Fortschritte ab, im Volk rumorte es aber bereits. Vielen Griechen ging der Aufbau einfach nicht schnell genug. Überdies lehnte Otto I. ein Mitwirken seiner Untertanen an der Regierung ab und errichtete eine Art „Bavarokratia", in der nur Beamte aus seiner Heimat Bayern etwas zu sagen hatten. Zu wenig Geld, zu langsame Entwicklungen, zu viele Bayern - das ging nicht lange gut. Bald erhoben sich die ersten Aufstände gegen König Otto, die ihn zwangen, eine Verfassung einzuführen und festzulegen, dass nur noch griechische Bürger Staatsämter bekleiden durften. Mit der „Bavarokratia" war Schluss, besser wurde die Lage dadurch aber nicht. Dem griechischen König aus Bayern fehlte es letztlich an Geld, Einfluss, Unterstützung von außen und Zusammenhalt im Inneren, um die vielen Probleme zu lösen. 1862 wurde er vom Hof gejagt. Immerhin überlebte er seine griechische Epoche, was nicht für alle seine Nachfolger gilt.

Nachdem Otto I. unhöflichst abgedankt wurde, suchte die griechische Nationalversammlung in den Königshäusern Europas nach einem geeigneten Nachfolger und fand Prinz Wilhelm von Dänemark, der am 30. März 1863 als Georg I. den freigewordenen Thron bestieg. Der neue Monarch wollte alles besser machen als sein Vorgänger und bemühte sich, durch Nähe zum Volk das Vertrauen der Griechen zu gewinnen. Ungeachtet seiner dänischen Herkunft und seiner Liebe für Roggenbrot, das in Griechenland üblicherweise nicht auf dem Speiseplan stand, wollte er ein richtiger griechischer König sein - und konnte trotz einer langen Herrschaft von fast 50 Jahren doch keine dauerhafte Stabilität erreichen. Während seiner Regentschaft gab es immer wieder innenpolitische Spannungen. Die finanziellen Probleme des Landes mündeten 1893 in einen Staatsbankrott. 1897 brach der Türkisch-Griechische Krieg aus, den die mangelhaft ausgestattete griechische Armee nicht gewinnen konnte. König Georg I. verlor an Einfluss gegenüber dem beliebten und politisch cleveren Premierminister Eleftherios Venizelos. Einige Jahre später errang die griechische Armee unter der Führung von Georgs Sohn Kronprinz Konstantin militärische Erfolge im Ersten Balkankrieg, so dass sich der König vom Volk noch einmal feiern lassen konnte. Am 18. März 1913 wurde er von dem Attentäter Alexander Schinas erschossen. Bis heute sind die Motive des Königsmörders, der in Haft Selbstmord beging, unklar. Fasst man die verbreitetsten Theorien salopp zusammen, war Schinas ein unzurechnungsfähiger osmanischer Agent mit bulgarischen Auftraggebern, der dem Deutschen Kaiserreich nahe stand.

Nach dem gewaltsamen Tod des langjährigen Königs Georg I. ging es quasi Schlag auf Schlag. Sein Sohn Konstantin I. folgte ihm nach und genoss zunächst hohes Ansehen, war er doch ein Kriegsheld. Als Europa jedoch vom Ersten Weltkrieg auseinandergerissen wurde, zerbrach auch das Bündnis zwischen dem neuem König und seinem Premier Venizelos. Konstantin war pro-deutsch eingestellt und wollte im Gegensatz zu Venizelos nicht auf Seiten der Entente gegen das Deutsche Kaiserreich ziehen. Das nächste dramatische Kapitel in den äußerst komplexen deutsch-griechischen Beziehungen. Venizelos probte schließlich den Aufstand und bildete im Norden Griechenlands eine Gegenregierung. Unter dem zunehmenden Druck durch Venizelos und Deutschlands siegreichen Kriegsgegnern dankte Konstantin am 11. Juni 1917 ab und floh mit seinem ältesten Sohn, dem Kronprinzen Georg II., ins Exil. Den Thron bestieg sein zweitgeborener Sohn Alexander I.

Die Herrschaft von Alexander währte nur drei Jahre und nahm ein durchaus kurios-tragisches Ende. Im Oktober 1920 verstarb der im Volk äußerst beliebte König an den Folgen eines Affenbisses. Ein Berberaffe, das Haustier eines Bediensteten, und der Hund des Königs waren aneinandergeraten. Als der König versuchte, die Tiere zu trennen, wurde er von einem Artgenossen des Affen attackiert und gebissen. Die Wunden entzündeten sich und König Alexander I. erlag einer Blutvergiftung.

Der Tod seines zweitgeborenen Sohnes brachte Konstantin I. wieder ins monarchische Spiel. In einer Volkswahl entschied sich die Mehrheit der Griechen für die Rückkehr des abgedankten Königs auf den Thron. Am 19. Dezember 1920 wurde Konstantin I. zum zweiten Mal König von Griechenland und dankte nur zwei Jahre später zum zweiten Mal ab. Die politischen und finanziellen Krisen des Landes waren einfach zwei Nummern zu groß für den König, der nun dem Kronprinzen Georg II. das sinkende Schiff überließ.

Georg II. blieb aber nicht auf dem sinkenden Schiff. Er verließ Griechenland nicht lange nach seiner Thronbesteigung und lebte zunächst in Bukarest, dann in London. Am 1. Mai 1924 wurde in Griechenland die Republik ausgerufen und der ferne König war sein Amt los. Bis er es zurück bekam.

Das zweite griechische Königreich

Abermals scheiterte in Griechenland das Wagnis Republik. Die wiedererstarkten Monarchisten holten Georg II. zurück, der am 3. November 1935 erneut den Thron bestieg. Irgendwie waren aller wenig bis gar nicht guten Dinge zwei in dieser griechischen Monarchie des 20. Jahrhunderts. Die Besetzung Griechenlands durch die Deutschen im Zweiten Weltkrieg zwang Georg II. zur Flucht nach Ägypten, England und wieder Ägypten. Nach Griechenlands Befreiung sollte Georg II. nach dem Willen Großbritanniens weiter als König herrschen, was jedoch nicht im Sinne der neuen Kräften in Griechenland war, die erbittert gegen die Besatzer gekämpft hatten. Griechenland taumelte durch die politischen und gesellschaftlichen Differenzen in einen blutigen Bürgerkrieg, der dem so dringend notwendigen Heilungsprozess nach dem Zweiten Weltkrieg im Weg stand. Am 28. September 1946 gab es eine erneute Volksabstimmung, in der sich die Mehrheit für die Rückkehr von König Georg II. aussprach. Er starb nur wenige Monate später.

Auf Georg II. folgte sein jüngerer Bruder Paul I., der dritte Sohn Konstantins. König Paul I. versuchte, Griechenland an den Westen heranzuführen. Er leitete auch eine Annäherung an Deutschland ein zu einer Zeit, als unsere junge Republik außenpolitisch noch weitestgehend isoliert war, zumindest offiziell. Ihm wurde dafür unter anderem der Bayerische Verdienstorden verliehen. Damit schloss sich gewissermaßen der Kreis vom gescheiterten Bayer auf dem griechischen Thron zum griechischen König mit dem versöhnlichen Herz für Bayern (bzw. Deutschland). König Paul I. starb 1964.

Der nächste und letzte König Griechenlands wurde Pauls Sohn Konstantin II. Er war der Aufgabe, wie schon sein zweimal abgedankter Großvater und Namensvetter, nicht gewachsen. Seine Konflikte mit dem Ministerpräsidenten Georgios Papandreou lösten eine Verfassungskrise mit großen innenpolitischen Unruhen aus. Im April 1967 war das Militär so schrottgenervt von der zerstrittenen und dadurch weitestgehend handlungsunfähigen Regierung, dass es putschte. Im Dezember 1967 holte der König zu einem Gegenputsch aus, der allerdings kläglich scheiterte. Vergleiche mit kürzlich erfolgten Begebenheiten schenke ich mir an dieser Stelle. Ohne offiziell abzudanken, setzte sich Konstantin II. ins Exil ab. Im Jahr 1973 schaffte die Militärregierung die Monarchie in Griechenland offiziell ab. Bis heute sieht sich Konstantin II. dennoch als rechtmäßiger König von Griechenland.


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