Medienqualität: Man feiert sich halt doch gerne selbst

«Qualität im Journalismus definieren zu wollen, gleicht dem Versuch, einen Pudding an die Wand zu nageln» (Russ-Mohl, 1992, p. 85). Die Aussage von Russ-Mohl (1992) ist Sinnbild für die Problematik des Qualitätsdiskurses und wird deshalb häufig in der entsprechenden Literatur zitiert (see Engesser, 2013, pp. 42-43; Meier, 2013, p. 234; Rau, 2007, p. 92; Wyss, 2002, p. 95). Die Diskussion darüber geht deshalb auch schon sehr weit zurück. «Dass es schon in der frühen zeitungskundlichen Literatur um Qualitätsfragen ging, das hatte mit einer in der abendländischen Tradition stark normativ geprägten Grundhaltung zu tun» (Wilke, 2003, p. 35). Nun wurde vor zwei Tagen ein Medienqualitätsrating herausgegeben. Aus Sicht der Initianten soll die Bestenliste dazu beitragen, die Medienqualität in der Schweiz zu fördern und das Qualitätsbewusstsein bei den Medien selbst sowie bei den Mediennutzern zu stärken. So weit so gut. Ob der Stifterverein Medienqualität Schweiz sein hehres Ziel jemals erreichen wird, bleibt abzuwarten. Ein Blick in die Resultate zeigt jedoch, dass sich vor allem die alte Garde auf die Schultern klopfen darf.

Die Holzmedien liegen vorne
In der Vergleichsgruppe «Tages- und Onlinezeitungen» schwingen die «NZZ» und die Online-Ausgabe «nzz.ch» obenaus. Qualitativ nur knapp mithalten kann hingegen «Watson.ch». Im Oktober vor einem Jahr hatte das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich zum qualitativ drittbesten Onlineportal der Schweiz gekürt. «Watson.ch» titelt damals selbstironisch: «Jetzt wissenschaftlich bewiesen: watson doch nicht so scheisse wie angenommen». Heute könnte man das «nicht» wohl streichen, sofern man dem neuen Qualitätsrating Glauben schenken will. Wäre die Onlinezeitung jedoch in der Vergleichsgruppe «Boulevard- und Pendlerzeitungen» gelandet, stände es nicht so düster um die Platzierung. Dies bestätigen auch die Studienverfasser: «Das mobile Newsportal watson.ch ist im Jahr 2014 mit hohen Ansprüchen gestartet.» Die Onlinezeitung werde denn Ansprüchen jedoch noch nicht gerecht. «Dies ist allerdings auch dem Umstand geschuldet, dass watson.ch im Vergleich mit den anderen Titeln der Vergleichsgruppe stärker auf einen Mix zwischen Information / Hintergrund und Unterhaltung / leichter Kost setzt.» Im Segment der Pendler- und Boulevardzeitungen hätte «Watson.ch» eine Spitzenplatzierung erreicht.

«Blick» weit abgeschlagen
Regula Stämpfli, Politikwissenschaftlerin, kritisierte auf «Klein Report», dass das Medienqualitätsrating speziell von den Medien unkritisch aufgenommen worden sei. Ehemalige, gegenwärtige und durch Auftragsstudien mit der SRG, NZZ und Tamedia verflochtene Personen hätten hier die Medienqualität der Schweiz bewertet und seien zum Ergebnis gekommen: «Die SRG gewinnt mit ‹Echo der Zeit› unter den Informationsmedien, die NZZ brilliert unter den Zeitungen, knapp gefolgt von Tagi und ‹SonntagsZeitung›.» Es bleibt jedoch anzumerken, dass Stämpfli als Kolumnistin für die Gratiszeitung «Blick am Abend» arbeitet. Und die Blick-Titel sind in der Gruppe Boulevard- und Pendlerzeitungen weit abgeschlagen. Trotzdem lässt sich der Vorwurf nicht ganz von der Hand weisen. Mark Eisenegger, Präsident des Fög, zeichnete sich gemeinsam mit Vinzenz Wyss von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und Diana Ingenhoff, vom Departement für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Universität Fribourg, für die wissenschaftliche Seite der Studie verantwortlich. Eisenegger und Wyss gelten beide als Verfechter des öffentlichen Rundfunks, also namentlich der SRG. Sowieso war es für die SRG ein Leichtes, die Konkurrenz in der Vergleichsgruppe «Radio- und Fernsehsendungen» hinter sich zu lassen. Acht der zehn untersuchten Angebote waren SRG-Sendungen. Schlusslichter sind die Nicht-SRG-Sendungen «Léman Bleu – Le Journal» und «TeleZüri – ZüriNews». Die SRG erhält mit Abstand am meisten Geld aus dem Gebührentopf.

Die goldene Ananas
Trotzdem ist das neue Medienqualitätsrating eine interessante Ergänzung zum «Jahrbuch Qualität der Medien», welches das Fög jährlich herausgibt. Erstmals wurde auch die Qualitätswahrnehmung des Publikums miteinbezogen. Das kann gerade bei «Watson.ch» einen grossen Einfluss haben, weil viele qualitative Artikel immer noch in den vielen Listicles und Katzenbilder untergehen. Für die Ausgabe 2016 des Medienqualitätsratings wurden 43 Medientitel (Presse, Radio, Fernsehen sowie Online) untersucht. Für das Sample seien nur Medientitel berücksichtigt worden, «die zumindest wöchentlich über ein breites, universelles Themenspektrum unter Einschluss von Politik, Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft berichten». Die Berichterstattungsqualität hat man mit einer Inhaltsanalyse gemessen, die Qualitätswahrnehmung mittels zweier Online-Befragungen.

Das goldene «Q» ist eine Art goldene Ananas der Medienqualität. Nur wenn die Schweizer Medien das Qualitätsrating auch ernst nehmen, hat die Auszeichnung mehr als nur ideellen Wert. Dieses Jahr wurde die «NZZ» in der Gruppe «Tages- und Onlinezeitungen», die «NZZ am Sonntag» (Vergleichsgruppe «Sonntagszeitungen und Magazine»), die Online-Ausgabe von «20 Minuten», «20minuten.ch», in der Gruppe «Boulevard- und Pendlerzeitungen» und die Informationssendung «SRF Echo der Zeit» bei den Radio- und Fernsehsendungen ausgezeichnet. Es ist geplant, das Ranking im Zwei-Jahres-Rhythmus vorlegen zu können. Die Schlusslichter haben also theoretisch noch Zeit, um in Sachen Qualität aufzuholen.

  • Engesser, S. (2013). Die Qualität des Partizipativen Journalismus im Web: Bausteine für ein integratives theoretisches Konzept und eine explanative empirische Analyse. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Meier, K. (2013). Journalistik (3rd ed.). Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.
    Rau, H. (2007). Qualität in einer Ökonomie der Publizistik: Betriebswirtschaftliche Lösungen für die Redaktion. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Ruß-Mohl (1992). Am eigenen Schopfe…: Qualitätssicherung im Journalismus – Grundfragen, Ansätze, Näherungsversuche. Publizistik, 37(1), 83-96.
  • Wilke, J. (2003). Zur Geschichte der journalistischen Qualität. In Hans-Jürgen Bucher, Klaus-Dieter Altmeppen (Eds.): Qualität im Journalismus: Grundlagen – Dimensionen – Praxismodelle (pp. 35-54). Wiesbaden: Westdeutscher Verlag.
  • Wyss, V. (2002). Redaktionelles Qualitätsmanagement: Ziele, Normen, Ressourcen. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft.


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