Manfred Hamm im Spiegel-Online-Interview

 Hamm im walisischen Musiksaal Neuadd y Brangwyn in Swansea im Jahr 2011: Am 18. Juni 2012 eröffnet in Mannheim eine Ausstellung zu seiner Serie über europäische Konzerthäuser. (Quelle: Spiegel Online)Anlässlich einer Ausstellung über Konzerthäuser, die zurzeit in Mannheim läuft, interviewte Spiegel Online den Architekturfotografen Manfred Hamm. Dieser schwört auf analoge Fotografie und steht vor dem Problem, dass sein Vorrat an Filmen zur Neige geht. Im Gespräch erläutert er, warum er Digitalkameras nicht mag und welche Motive er auf seinen letzten Bildern festgehalten möchte.

Auszüge aus dem von Hilmar Schmund geführten Interview mit Manfred Hamm:

Die Eingangsfrage, ob Hamm tatsächlich seinen Job an den Nagel hängen wolle, obwohl er als Pionier und Meister der Architektur-Fotografie gilt und gerade eine neue Ausstellung über Konzerthäuser eröffnet wurde, bejaht dieser. Grund sei, dass sein Vorrat an Farbfilmen der Marke Kodak EPD-Y rapide zur Neige gehe. Trotz seiner Hamsterkäufe nach der Produktionseinstellung im Jahr 2009 und der Auslagerung von Filmen in den Kühlschrank seines Nachbarn bleibe nur noch eine Reserve für 33 Motive. „Da muss jeder Schuss sitzen“, so Manfred Hamm.

Auf die digitale Fotografie möchte Manfred Hamm sich nicht einlassen, denn damit sei es seiner Ansicht nach nicht möglich, die Magie eines Raumes einzufangen, es gehe die Tiefe verloren. „Sie könnten das nachträglich digital mit Photoshop bearbeiten, aber das hat etwas von Nippes, das wird doch alles eine Soße. Ich habe in den Fünfzigern gelernt, wie man mit einer Plattenkamera fotografiert, und ich liebe es. Diese Digitalknipserei macht mir einfach keinen Spaß.“

Bleibt die Frage, wofür er die letzten hundert Farbplatten einsetzt, bevor diese Methode selbst zur toten Technik wird. Ein Wunsch Hamms sei es, die Wunderkammern der Renaissance zu fotografieren, die obskuren Rumpelkammern der frühkolonialen Zeit. „Das sind häufig Privatsammlungen mit ausgestopften Vögeln, Mineralien, Pflanzen, Holzmasken. So etwas ginge nur in Farbe. Das ist pure Romantik, wie eine Verlängerung meiner Kindheit.“

Zur den Motiven seiner aktuellen Ausstellung über Konzerthäuser befragt erläutert Manfred Hamm seine Arbeitsweise. Sein Arbeitsgerät ist eine alte Plaubel-Plattenkamera, eine Studiokamera. Hinzu kommen ein Koffer mit drei Objektiven, ein robustes Holzstativ und ein mit 50 Doppelkassetten gefüllter Rucksack. Beim Fliegen stelle er immer fest, wie viel seine Ausrüstung wiegt: 55 Kilo. Für Übergewicht musste er allerdings erst einmal bezahlen, als die Mitarbeiter an der Abfertigung dachten, das er mit Golfausrüstung fliegen wolle, da die Stativtasche aussehe, als seinen Golfschläger darin.

Vor Ort geht Hamm zunächst ein paarmal um das Gebäude herum, denn ruhige Bilder brauchen eine Menge Geduld. So habe er vor der Börse in Brüssel einmal den ganzen Tag gewartet, bis abends eine Pommesbude endlich weggefahren wurde. Aufnahmen in Konzertsälen habe er häufig im sogenannten „Besenlicht“ gemacht, das die Putzfrauen während des Reinigens benutzen. Um die Filmkassetten im Dunklen wechseln und beschriften zu können achtet er darauf, dass die Hotels, in denen er sich einmietet, Toiletten ohne Fenster haben.

Die Möglichkeit, ungestört Innenaufnahmen von Konzerthäusern anfertigen zu können empfindet Manfred Hamm als Privileg. „Ich bin Genießer. In meiner Fantasie höre ich dann meine eigenen Konzerte: den Boléro von Ravel oder ‚Take Five’ von Dave Brubeck, meine Lieblingsstücke von Ray Charles oder John Coltrane. Diese Freiheit will ich mit den Betrachtern teilen.“

Das Interview geht auch zurück auf die fotografischen Anfänge Manfred Hamms, der Anfang der 1980er Jahre mit seiner Arbeit “Tote Technik” bekannt wurde und in dem Bildband eine morbide Weltreise zu den “antiken Stätten von Morgen” beschrieb. Mit diesem Nachruf auf die Industriegesellschaft habe er 1981 den pessimistischen Zeitgeist getroffen. Hamm behauptete damals, dass der Schrott von heute das Material der Archäologie von morgen sei. Zugute kam ihm sein Interesse für Reisen und seine geistige Verwandtschaft mit den romantischen Ethnologen: „Nach der Fotografenausbildung zog ich erst einmal nach Südfrankreich, schlug mich als Jazzfotograf durch, dann bin ich in die Südsee gereist, auf die Neuen Hebriden. Ich hatte immer einen Hang zur Archäologie und Ethnologie, ich fand den Cargo-Kult faszinierend, diese religiöse Anbetung industrieller Massenwaren in Melanesien.“

Aktuell reist Manfred Hamm auf den Spuren der Architekten aus der Berliner Bauakademie, die im 19. Jahrhundert überall in Europa – Helsinki, Stockholm, Göteborg, Budapest, Triest, Guimaràes und sogar in Übersee gebaut haben. Die von einem Schüler der Bauakademie erbaute Brooklyn Bridge in New York wird er in Schwarzweiß fotografieren.

Manfred Hamm, Jahrgang 1944, ist mit Fotografien von Industriedenkmälern bekannt geworden. Sein Band “Tote Technik” von 1981 (mit Rolf Steinberg und Robert Jungk) gilt als moderner Klassiker der Architektur-Fotografie. Zuletzt sind von ihm die Bildbände “Konzerthäuser” (2012) und “Markthallen” (2008) erschienen.

- Das ausführliche Interview auf Spiegel Online mit Bildstrecke
- Website des Fotografen Manfred Hamm

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Ausstellung

Konzerthäuser
Rosengarten Mannheim
Rosengartenplatz 2
68161 Mannheim

18. Juni bis 29. Juli 2012


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