London 2017 – Tag 3: Von opulenten Frühstücken, Fußmärschen durch London und Warten am Flughafen

Werde um 6.30 Uhr vom Handy-Wecker aus dem Schlaf gerissen, weil ich vergessen habe, ihn gestern Abend neu zu stellen. Ich überprüfe kurz, ob die Morgenstunde Gold im Mund hat, finde aber nur meine Porzellan-Füllung. Anschließend nutze ich das frühe erzwungene Aufwachen, nicht um einen Wurm zu fangen, denn ich bin ja kein Vogel, sondern um die Koffer zu packen.

Von meinem Fluchen beim Versuch, den ersten der beiden Trolleys zu schließen, wird der Sohn wach. Ich erkläre ihm, dass wir zunächst zur Victoria Station führen, um unsere Koffer in die Gepäckaufbewahrung zu bringen und danach irgendwo Frühstücken gingen.

Rise & Dine in Großbritannien – Verheißung oder Drohung?

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am 21. Mai 2017 um 0:06 Uhr

Da der Sohn aber jetzt schon Hunger hat, holen wir uns am Snack-Automaten in der Hotel-Lobby eine Packung M&Ms für ihn und einen Breakfast Biscuit für mich. Die Supper-Nanny und Dr. Best liegen sich weinend in den Armen, der Sohn ist dagegen begeistert von dem kulinarischen Start in den Tag. Und ich erwarte, demnächst Gegenstand einer RTL II-Dokumentation „Deutschlands schlimmste Väter“ zu sein.

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Als wir ein paar Stationen mit der Bahn gefahren sind, betritt eine Frau mit einem kleinen Jack Russell-Terrier unseren Waggon. Der Hund kläfft unsere Koffer an. Dann versucht er, einen von ihnen zu besteigen und sich morgendliche Befriedigung zu verschaffen.

Der Hundebesitzerin ist das furchtbar peinlich und sie entschuldigt sich mit ausschweifenden Worten. Der Sohn ist vollkommen entgeistert. In Berlin würden die Hunde nicht so lustig spielen und da habe sich noch nie ein Hundebesitzer für irgendwas entschuldigt.

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An der Gepäckaufbewahrung der Victoria Station dürfen wir mal wieder Schlange stehen, bevor wir unsere Koffer aufgeben und einen Preis entrichten müssen, der in Berlin für eine Woche Garagenstellplatz reichen würde. Da Geld nach anderthalb Tagen London jedoch ohnehin keine große Rolle mehr spielt (zumindest so lange der Dispo-Kredit noch ausreicht), gehen wir anschließend trotzdem opulent frühstücken. Da wir beide morgens lieber süß essen, verzichten wir auf ein Full English Breakfast mit Eiern, Speck, Bohnen, Toast und allerlei Frittiertem. Meine Leber- und Cholesterinwerte nicken zustimmend.

Stattdessen gehen wir in einen Costa-Laden und bestellen Croissants, Porridge, Scones, Muffins, Clotted Cream, Marmelade, Sirup, Orangensaft, Cappucino und einen entkoffeinierten Latte Macchiato. Meine Leber- und Cholesterinwerte schütteln missbilligend den Kopf. Und die Verkäuferin ist verwirrt, dass unsere Bestellung nicht für eine fünfköpfige Familie, sondern nur für den Sohn und mich ist.

Das Frühstück nutzen wir, um ein paar Postkarten zu schreiben. Schließlich sollen die Großeltern und die Oma wissen, dass wir eine großartige Zeit in London verbringen.

Der Sohn erklärt, als Linkshänder verschmiere er immer alles und habe deswegen eine unleserliche Sauklaue. Eine durchaus realistische Selbsteinschätzung, der ich nicht widersprechen möchte. Daher, fährt der Sohn fort, müsse ich alle Karten schreiben. Ein durchaus valides Argument, dem ich dennoch widersprechen möchte. Wir einigen uns schließlich darauf, dass ich schreibe und er mir den Text diktiert.

Picture Postcards from London. Originell im Motiv, symmetrisch in der Anordnung. #london2017

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am 28. Mai 2017 um 10:16 Uhr

Der Sohn möchte auf den Karten alles auflisten, was wir gesehen, gekauft und gegessen haben. Insbesondere für Letzteres reicht aber der Platz auf den Postkarten nicht aus. Wir belassen es daher bei einem „Wir senden euch viele Grüße aus London“ in möglichst großer Schrift. Das ist zwar nicht originell, aber effizient.

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Von unserem Frühstück gestärkt, aber auch leicht ermattet, machen wir uns zu einem kleinen Fußmarsch auf, um von Victoria Station aus zu Big Ben zu laufen. Den kennt der Sohn nämlich aus dem Englischunterricht (oder, was wahrscheinlicher ist, aus einem Harry Potter-Film) und möchte ihn sich in echt anschauen.

Während unseres Spaziergangs wirft der Sohn die Frage auf, ob die Queen wohl ein Handy hat. Das könne schon sein, erwidere ich. Daraufhin rätselt er, ob sie dann auch ‚Clash Royale‘ spielt, wo sie doch die Königin ist. Wann verliert man als Erwachsener eigentlich die Fähigkeit, die wirklich wichtigen Fragen zu stellen?

Auf halbem Wege machen wir einen kurzen Abstecher zur Westminister Cathedral (nicht zu verwechseln mit ihrer berühmten Schwester Abbey). Da dort gerade ein Gottesdienst beginnt, der das Entertainmentbedürfnis des Sohns nur begrenzt befriedigt, drängt er rasch zum Aufbruch. Mir ist das ganz recht, denn von dem Weihrauch ist mir ein wenig blümerant. Eventuell wird das aber auch durch die Verdauungstätigkeiten meines Magens verursacht, der aufopferungsvoll gegen die Frühstücks-Kohlenhydrate kämpft.

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Die Fußmarsch-Bereitschaft des Sohns lässt allmählich nach und er fragt in immer kürzeren Abständen, wie lange es noch bis Big Ben ist. Da entdeckt er in der Ferne das London Eye, das mit einer Höhe von 135 Metern größte Riesenrad Europas. Er erklärt, damit wolle er unbedingt fahren. Trotz des horrenden Fahrpreises von knapp 50 Pfund für uns beide für eine halbe Stunde Fahrzeit willige ich ein, um den lauffaulen Sohn bei Laune zu halten. Die Urlaubskasse protestiert aufs Schärfste.

London Eye. Riesig. #london2017

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am 28. Mai 2017 um 11:53 Uhr

Kurze Zeit später passieren wir Westminster Abbey, wo eine lange Schlange auf den Einlass zum Gottesdienst wartet. Ich bestelle einen schönen Gruß von Cathedral und Abbey nickt würdevoll.

Als wir schließlich Big Ben erreichen, komme ich meiner Touristenpflicht nach und schieße ein Foto. Währenddessen will der Sohn wissen, warum Big Ben eigentlich Ben heißt.

Mein Name ist Ben. Big Ben. #london2017

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am 28. Mai 2017 um 10:24 Uhr

Ich versuche krampfhaft, mich an meinen Englischunterricht zu erinnern und durchsuche verzweifelt mein semantisches Gedächtnis, in dem das Gehirn Fakten abspeichert. Leider ohne Erfolg. Wahrscheinlich ist die Information unter allen Resultaten der deutschen Nationalmannschaft bei Fußball-Weltmeisterschaften seit 1982 verschüttet. An die kann ich mich nämlich alle erinnern. Ein Wissen, das mir vielleicht mal als Telefonjoker bei ‚Wer wird Millionär‘ zum Vorteil gereichen wird, sich als bildungsbürgerliches Distinktionsmerkmal allerdings nur bedingt eignet.

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Auch ohne Antwort auf seine Frage möchte der Sohn nun weiter zum London Eye. In einer manipulativen Meisterleistung schaffe ich es, sein Interesse auf ein paar Ausflugdampfer am London Pier zu lenken und ihn für eine Bootsfahrt zu begeistern, die wesentlich günstiger als der Eintritt für das Riesen-Riesenrad ist. Die Urlaubskasse reckt jubelnd eine Becker-Faust in die Höhe.

Themse. Idyllisch. #london2017

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am 28. Mai 2017 um 11:55 Uhr

Auf dem Dampfer sind die guten Plätze auf dem Oberdeck leider alle schon vergeben. Daher schlägt der Sohn vor, dass wir uns in die letzte Reihe setzen, wo die Stühle entgegen der Fahrtrichtung angeordnet sind, denn da hätten wir einen freien Blick auf alle Sehenswürdigkeiten.

Ein wirklich hervorragender Plan. Allerdings nur so lange, bis sich eine Gruppe nicht mehr ganz so junger Männer vor uns an der Reling ausbreitet. Über meine Anregung, die Männer noch vor Abfahrt über Bord zu schubsen, lacht mein Sitznachbar herzlich, macht aber keine Anstalten, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen.

Motiv für meinen neuen Fotoblog: "London tourist attractions with complete strangers". #london2017

Ein Beitrag geteilt von Familienbetrieb (@betriebsfamilie) am 28. Mai 2017 um 10:28 Uhr

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Im Anschluss an die Bootstour fahren wir mit der U-Bahn zur Baker Street. Wenn wir schon mal in London sind, wollen wir auch wissen, wo und wie Sherlock Holmes gelebt hat. Wenn er denn gelebt hätte. Vor dem Museum, das dem Meisterdetektiv gewidmet ist, steht aber eine – wie sollte es auch anders ein – lange Schlange, so dass wir auf einen Besuch verzichten müssen.

Dafür erledigen wir einen anderen Punkt auf der London-Bucket-List des Sohnes: eine Fahrt mit einem roten Doppeldeckerbus. Die Urlaubskasse begrüßt das außerordentlich, da dies nur einen Bruchteil des Museumseintritts kostet und ohnehin schon mit unserer Oyster Card abgegolten ist.

In dem Bus gehen wir sofort nach oben und freuen uns wie zwei Kinder, dass die erste Reihe frei ist. Also, genau genommen, freue ich mich wie ein Erwachsener, der sich wie ein Kind freut, und der Sohn wie ein Kind, weil er ja ein Kind ist.

Nach circa drei Minuten Fahrtzeit stellt der Sohn fest, dass der Linksverkehr enttäuschend unspektakulär ist und sich das Fahrerlebnis in einem roten Doppeldeckerbus in London nur marginal von einem gelben Doppeldeckerbus in Berlin unterscheidet. Lediglich der Fast-Zusammenstoß mit einem Müllauto bringt ein paar Punkte auf der nach oben offenen Action-Skala.

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In der Victoria Station holen wir unsere Koffer ab und geben unser letztes Bargeld für Souvenirs wie ein Union-Jack-Notizbüchlein, Boost-Schokoriegel und ein englisches Rätselheft aus. Letzteres besorge ich aus nostalgischen Gründen für die Frau, denn während unseres Studienaufenthalts in England Ende der 90er Jahre hatten wir die uns immer gekauft. (Bevor Sie nachfragen: Nein, wir waren nicht zum Senioren-Studium dort.)

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Um 17.30 Uhr erreichen wir Luton Airport. Wie von der Airline empfohlen zwei Stunden vor der Abflugzeit. Eine Anzeigetafel im Flughafen informiert uns, dass wir sogar dreieinhalb Stunden vor Abflug erschienen sind. Unser Flug verspätet sich nämlich um 90 Minuten.

Aus Gründen der Kostenminimierung hatte ich ohnehin schon einen recht späten Rückflug gewählt, der erst um halb Elf in Schönefeld gelandet wäre, was aus pädagogischer Sicht vor dem Hintergrund, dass der Sohn am nächsten Morgen Schule hat, zugegebenermaßen grenzwertig ist. Aber für eine Ersparnis von 100 Euro (Das sind immerhin zweieinhalb Tower-Besuche für den Sohn und mich.) halte ich es für vertretbar, wenn der Sohn mal dem Unterricht nicht mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit folgt. (Gut, das tut er auch sonst nie, aber es hört sich besser an.) Ob sein Klassenlehrer derselben Ansicht ist, weiß ich nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass er mir sicherlich keine 100 Euro gegeben hätte, damit wir früher zurückfliegen.

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Der Sohn und ich nutzen die Zeit, um ausgiebig zu Abend zu essen. Der Sohn isst Lasagne und darf ausnahmsweise eine Cola Light trinken. Wobei es auf dieser Reise so viele Ausnahmen gab, dass ich den Überblick verloren habe, was eigentlich unsere kulinarische Norm ist.

Ich selbst esse wieder einen Burger. Aus gesundheitlichen Gründen ist es ja eigentlich nicht so empfehlenswert, jeden Tag Fleisch zu essen, ich rechtfertige es aber als meinen Beitrag zum Klimaschutz. Immerhin kann das Rind, das für meinen Burger geschlachtet wurde, nicht mehr mit seinen Flatulenzen zur Erderwärmung beitragen. Das kann ich dann gegen meinen anteiligen Kerosinverbrauch für die beiden Flüge rechnen, so dass ich für unseren Trip einen recht schmalen CO2-Fußabdruck haben sollte. Mit so einem reinen grünen Gewissen schmeckt der Burger gleich nochmal so gut.

Nach dem Essen bekommen wir dann eine Rechnung präsentiert, die Peter Zwegat Tränen in die Augen treiben würde. Zum Glück war ich so weitsichtig, den späten, günstigen Rückflug zu buchen.

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Als wir das Restaurant verlassen, verkündet die Anzeigetafel, dass unser Flug inzwischen zwei Stunden Verspätung hat. Wir müssen also weiter Zeit totschlagen. Und mein Handy muss aufgeladen werden.

Dies führt uns in einen Donut-Laden, wo es Steckdosen an den Plätzen gibt. Um unsere Anwesenheit zu rechtfertigen, kaufe ich einen Donut mit Schoko-Füllung und einen mit Käsekuchen-Füllung. Man muss sich ja auch irgendwie für die lange Wartezeit entschädigen.

Wenn der Flug 120 Minuten Verspätung hat, muss man das mit 12.000 Kalorien kompensieren.

Altes Familienbetrieb-Gesetz.

— Familienbetrieb (@Betriebsfamilie) 21. Mai 2017

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Nachdem das Handy aufgeladen ist und wir die Donuts verputzt haben, ist uns langweilig. Wir stromern durch den Flughafen. In einem Sportgeschäft werfen wir uns einen Ball zu, bis sich ein Verkäufer erkundigt, ob er uns helfen kann. Da mir das englische Fachvokabular fehlt, um ihn zu fragen, ob er Schweinchen in der Mitte mit uns spielt, verneine ich.

Im Souvenirladen nebenan probiert der Sohn Hüte auf (sieht gut aus) und ich ziehe Sonnenbrillen in Big-Ben-Form auf (sieht doof aus). Im Buchladen verschaffen wir uns einen Überblick über die zahlreichen Autobiographien von Fußballern, Rugby-Spielern und Snooker-Profis. Ich hätte denen ja gar nicht zugetraut, dass die überhaupt schreiben können.

Die Verspätung unseres Fluges ist inzwischen auf 150 Minuten angewachsen. Der Sohn spekuliert darauf, dass der Flug ganz gestrichen wird und er morgen nicht zur Schule muss.

Ich trinke erstmal einen Cappuccino und der Sohn eine weitere Cola Light, was selbstverständlich die letzte Ausnahme auf der Reise ist. Dann müssen wir beide aufs Klo. Am Waschbecken gibt es einen futuristischen Dyson-Wasserhahn, der per Bewegungssensor entweder Wasser ausspuckt oder die Hände trocken pustet. Es dauert auch nur fünf Minuten, bis ich verstanden habe, welcher Sensor welchen Prozess auslöst. Der Sohn hat inzwischen seine Hände an der Hose abgewischt.

Bis zum Abflug sind es immer noch 60 Minuten. Wir kaufen uns ein Eis. Danach studieren wir die Auslagen im Victoria-Secret-Shop. Der Sohn findet, dass die Unterwäsche sehr hübsch sei und sich die Mama darüber bestimmt freuen würde. Ich bin mir da nicht so sicher. Wenn sie von mir Reizwäsche als Mitbringsel bekommt, denkt sie sicherlich, ich hatte in London eine Affäre. (Aus dem gleichen Grund schenke ich ihr auch nie Blumen.)

Der Sohn ist inzwischen in eine Drogerie gegangen. Dort probiert er sämtliche Parfums, Aftershaves und Eau de Toilettes aus, bis er riecht wie eine Prostituierte, die sich den Geruchssinn weggekokst hat. Ich möchte mich jetzt schon bei unserem Sitznachbarn im Flugzeug entschuldigen.

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Um 22.30 Uhr beginnt endlich das Boarding und nach ereignislosem Flug landen wir um kurz vor Zwei in Schönefeld. Damit wir noch ein wenig London-Feeling haben, müssen wir bei der Passkontrolle in einer langen Schlange anstehen.

Als wir um 3 Uhr im Bett liegen, teile ich dem Sohn mit, dass er morgen nicht in die Schule müsse. Somit hat unsere London-Reise den perfekten Abschluss für ihn. Obwohl ich danach seinen Vorschlag, wir könnten noch ein wenig Schokolade essen, ablehne.

The End!

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Alle Beiträge des London-2017-Reisetagebuchs gibt es hier.


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