“Lockout” oder Sprücheklopfer im All

“Lockout” oder Sprücheklopfer im All

© Universum Film / Maggie Grace, Tim Plester und Guy Pearce an Bord der MS One

Wenn der französische Filmemacher Luc Besson selbst auf dem Regiestuhl sitzt, dann handeln seine Filme zumeist von starken Frauen, die sich an der Seite eines Mannes ebenso durchsetzungsfähig zeigen, wie das vermeintlich starke Geschlecht. Die kleine Mathilde verblüfft ihren Profikiller Léon, Leeloo aus „Das fünfte Element“ stiehlt ihrem Begleitschutz Korben Dallas (Bruce Willis) die Show, die dänische Schauspielerin Rie Rasmussen ist in „Angel-A“ ein weitaus größerer Hingucker als der Franzosen Jamel Debbouze und auch Michelle Yeohs Auftritt in „The Lady“ überschattet das starke Spiel von David Thewlis als Ehemann Michael Aris. Als Produzent wiederum scheint Herr Besson eher auf harte Machos zu stehen, die schnell zuschlagen und keinen Gedankengang zu viel machen: die „The Transporter“-Reihe, „From Paris with Love“ oder „96 Hours“ dürften die schlagkräftigsten Beweise hierfür sein. Der Science-Fiction/Action-Hybrid „Lockout“, das Spielfilm-Regiedebüt des Duos James Mather und Stephen St. Leger – besinnt sich auch auf ebendiese Machart, präsentiert dabei allerdings eher stumpfe One-Liner, oberflächliche Charaktere und einen Guy Pearce, der verzweifelt und erfolglos versucht gegen all das anzuspielen.

“Lockout” oder Sprücheklopfer im All

Die MS One-Insassen

Der amerikanische Steuerzahler darf sich freuen, fünfzig Meilen von der Erde entfernt wurde die ausbruchsicherste Gefängnisanstalt der gesamten Zukunft erbaut. Wie Schade, dass ein bloßer Knopfdruck genügt, um allen 497 Insassen der MS One die Freiheit zu schenken (vielleicht liegt deshalb der letzte Zwischenfall auch nur 364 Tage zurück). Die gefährlichsten Verbrecher der Welt, die bis zu diesem Zeitpunkt in einem künstlichen Tiefschlaf lagen, werden just in dem Moment freigesetzt, in dem die US-Präsidententochter Emilie (Maggie Grace aus der Fernsehserie „Lost“) auf geheimer humanitärer Mission auf der MS One ist. Da sieht die US-Regierung keine andere Chance als den für einen Mord zu Unrecht verurteilten Snow (Guy Pearce) zu engagieren, um die Tochter des Präsidenten aus dieser Hochsicherheits-Hölle zu retten.

Offenbar war Snake Plissken alias Kurt Russell verhindert oder gerade dabei, nach New York und Los Angeles aus einer anderen amerikanischen Großstadt zu entfliehen, die in ein Gefängnis umdekoriert wurde. Bitte niemals „Escape from New Jersey“ mit Hector De La Rosa in der Rolle des Snake Plissken konsumieren, das würde den beiden Kinofilmen von Regisseur John Carpenter nicht gerecht werden. Gegen Guy Pearces Snow wirkt der Original Kurt Russell-Snake wie ein gebildetes, hochintelligentes Individuum. Selten hat das Kino solch dumme Sprüche zu hören bekommen. Anscheinend wird sich die Figur des Snow niemals über ihre Situation klar, nimmt nichts und niemanden ernst, wirkt schlicht unglaubwürdig. Aber was soll ein Schauspieler, ist er auch noch so talentiert (Pearce war zuletzt in hoch gelobten Filmen wie „Königreich des Verbrechens“ und „The King’s Speech“ sowie der Mini-Serie „Mildred Pierce“ zu sehen), gegen eine Handlung ausrichten, die wie aneinandergereihte Zwischensequenzen eines Videospiels wirken? Hier und da könnten Szenen noch ausgetauscht werden, es würde die Handlung logischer, wenn auch noch lange nicht nachvollziehbar, erscheinen lassen. Harte Schnitte lassen den Übergang zweier Szenen wie unterschiedliche Filme wirken und die Spezialeffekte waren schon in Computerspielen der 90er Jahre besser (man nehme „Wing Commander“) – zu sehen in einer anfänglichen Verfolgungsjagd, bei der die Farben und Effekte auf der Leinwand zu verschwimmen scheinen und der Zuschauer ein recht schwammiges Bild zu sehen bekommt.

“Lockout” oder Sprücheklopfer im All

Präsidententochter Emilie Warnock (Maggie Grace)

Dann ist da aber noch der kleine Ansatzpunkt, den das Drehbuch (eine Gemeinschaftsarbeit von Mather, St. Leger und Besson) mehr in den Fokus hätte rücken sollen. Die demokratische US-Gesellschaft wird in einer Überwachungsstation den Anarcho-Ausbrechern auf der MS One gegenüber gestellt. Die USA wollen die Geiseln opfern, nur die Tochter des Präsidenten retten, das Verbrecherkollektiv handelt da nicht großartig anders. In manchen Szenen entwickelt der Film hiermit einen wunderbaren Blick auf die politischen Systeme innerhalb der beiden Gruppen, wie sie sich scheinbar doch so sehr gleichen. Ein starker Kommentar des Films, der gerne mit mehr Beweismaterial hätte gefüttert werden dürfen. Wenn dann US-Präsident Warnock (Peter Hudson) von dem CIA-Chef Langral (Peter Stormare) vorrübergehend seines Amtes enthoben wird und in der darauffolgenden Sequenz der durchgeknallte Hydell (Joseph Gilgun) auf der MS One seinen führungsfanatischen Bruder Alex (Vincent Regan) ebenfalls vom Thron stößt, entsteht kurzzeitig die Hoffnung, dass der Film, wenn auch spät, doch noch die Kurve bekommt. Aber es bleibt weiterhin belanglos bis unglaubwürdig. Selbst in einem Science-Fiction-Film möchte man keinen Helden sehen, der mit einem Fallschirm aus einem Raumschiff springt, durch die Erdatmosphäre gleitet – natürlich ohne dabei zu verbrennen – und sanft auf dem Boden aufsetzt.

Es gibt diese Actionfilme oder auch Vertreter des artverwandten Science-Fiction-Films, die man mit dem Ausknipsen des Gehirns noch ertragen kann. Manchmal setzt man seine Hoffnungen auch darauf, dass es die Regisseure eines Films vielleicht gar nicht so ernst gemeint haben und eigentlich eine Komödie drehen wollten. Im Falle von „Lockout“ kann man sein Hirn gar nicht weit genug herunterfahren, noch wirken die vermeintlich aufgesetzten coolen Sprüche in irgendeiner Form unterhaltsam. Guy Pearce wandelt als verschwendetes Potential durch langweilige Raumschiffkulissen und muss den Macho raushängen lassen, nur damit eine äußerlich zum Jungen verwandelte Maggie Grace am Ende doch noch die starke Frau sein darf, die Luc Besson so sehr mag.

Denis Sasse

“Lockout” oder Sprücheklopfer im All

‘Lockout‘


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