LiteraTour Nord 2013-2014: Ralph Dutli hat den Preis bekommen, "Soutines letzte Fahrt"

Ralph Dutli bekam am 24. April 2014 den Preis der LiteraTour Nord in einer feierlichen Veranstaltung der VGH-Stiftung. Jury (einschließlich Publikumsstimme) und Stifterin wüdigen damit vor allem sein letztes Werk: "Soutines letzte Fahrt", 2013 im Wallstein-Verlag erschienen, das während der Lesereise LiteraTour Nord vorgestellt wurde. 

  DUTLI_Ralf_Copyright

 Nach einer musikalischen Einstimmung von John Eckhardt am Kontrabass und einem Grußwort Friedrich von Lenthes, Vorstandsvorsitzender der VGH-Stiftung, hielt die Lobrede Prof. em. Dr. Martin Rector - diesmal also kein von auswärts geladener Gastredner, was einen besonderen Grund hat: Der langjährige Vorsitzende und Koordinator und große Förderer gibt den Vorsitz ab. Prof. Dr. Sabine Doering aus Oldenburg wird diese Aufgabe übernehmen, das Literaturhaus Hannover die Koordination, die Moderation in Hannover und das begleitende Seminar Prof. Dr. Alexander Kosenina. 

Ralph Dulti hat mit 50 Jahren erstmals einen Roman geschrieben, vorher war er als Lyriker, glänzender Essayist und Übersetzer bekannt. Ralph Dutli wurde 1954 in Schaffhausen geboren, studierte in Zürich und Paris Romanistik und Russistik und lebt als freier Autor in Heidelberg. U.a. ist er Herausgeber der zehnbändigen Ossip-Mandelstam-Gesamtausgabe. Mehr als 30 Bücher und Editionen sind bisher von ihm erschienen, darunter "Das Lied vom Honig. Eine Kulturgeschichte der Biene" (2012), "Fatrasien. Absurde Poesie des Mittelalters" (2010) und der Gedichtband "Novalis im Weinberg" (2005). 

"Ich habe einen Defekt", sagt Ralph Dutli - Martin Rector zitiert es in seiner Rede -, "einen Defekt, der vielleicht nur ein Respekt ist. Die sogenannt eigenen Gedichte sind mir nicht eigener und näher als die vermeintlich fremden und fernen, die ich in meine Sprache übertragen habe. Ich werde von gewissen Texten bewohnt, das ist alles. Ob eigene, ob fremde, ist gleich-gültig. Das ist ein Bekenntnis zu einem schamanistischen Verständnis von Poesie". "Dutli der Schamane", kommentiert Martin Rector, "ein solches Stichwort lassen wir uns natürlich nicht entgehen. Der Zauberer und Magier, der in Trance und Traum sein eigenes Gedicht zu dem einen großen Resonanzraum der Poesie hin öffnet".

Nun also ein Roman. Und was für einer! Eine solch gekonnte Verschmelzung - oder soll ich Verschlingung sagen? - von Fakten und Fiktion habe ich noch nicht gelesen. Es bestärkt mich in meiner Meinung, dass derartige "Dokumentarromane" manchmal der Wahrheit näher kommen als jedes Sachbuch. Erzählt wird die Geschichte des weißrussisch-jüdischen Malers Chaim Soutine (1893-1943), Zeitgenosse von Chagall, Modigliani und Picasso. Erzählt durch einen Kunstgriff von hinten her: Soutine wird am 6. August 1943 in einem Leichenwagen versteckt von Chinon an der Loire nach Paris gebracht, weil die Operation seines Magengeschwürs unaufschiebbar ist, auf Umwegen und an Kontrollposten vorbei, die Fahrt dauert ganze 24 Stunden. Während der Fahrt wird in bildhafter Sprache immer wieder von seinem Leben erzählt, manchmal wahrheitsgetreu historisch, manchmal in wirren Traumbildern, ausgelöst vom schmerzstillenden Morphium. Über den Roman wäre ein extra Bericht fällig (das einzige Werk der LiteraTour Nord dieser Saison, das ich in meiner Serie über die Lesungen bisher nicht für sich gewürdigt habe, obwohl es mich von Anfang mehr begeistert hat als alle anderen). Hier zitiere ich noch einmal Martin Rector: "Und Dutli erzählt es (das Leben Soutines) mit großer Empathie, aber ohne alle Larmoyanz, in knappen Sätzen und überwältigenden Bildern, atemlos und intensiv, eine verbale Mimesis an den Maler. Aber Dulti wäre nicht der, der er ist, wenn er sich damit begnügte, es einfach so herunterzuerzählen, als Lebensgeschichte, chronologisch und linear. Denn was ihn daran interessiert, ist die Künstlerexistenz, ihr Geheimnis, ihr Rätsel. Und wenn er auch glaubt, es letztlich nicht lösen zu können wie irgendeine Rechenaufgabe, so möchte er es doch wenigstens verstehen. Deshalb entwirft er eine ebenso artistische wie riskante erzählerische Form ..."

Weitere Informationen:

Wallstein-Verlag  http://literatournord.de/

http://www.ralph-dutli.de/

Text: Dr. Helge Mücke, Bild © Olivier Dutli

 


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