Kurzgeschichte des Monats

Die Kurzgeschichte des Monats November ist eigentlich ein Romanauszug:
Nils Ehlert, Anette Butzmann, Jancu Sinca, Olga Manj,Lothar SeidlerNebelkopfhütte
Sechs ehemaligeSchulfreunde sind auf einer einsamen Berghütte verabredet. Ihre frühereAnführerin hat alle zu einem verlängerten Wochenende in der freienNatur eingeladen. Doch Siggi, Edi, Isabell und Nico warten vergeblich aufKatharina. Und dann schafft es auch Jasmin nicht rechtzeitig zum Treffpunkt zukommen. Der Rest der Gruppe macht sich auf den langen Aufstieg. Die Hütteentpuppt sich als winzig und unkomfortabel, unglaublich, dass Katharina,als neureiche Tochter, die Freunde auf dieseWeise einquartiert. Obwohl sie nicht da ist, haben alle das Gefühl,dass sie weiterhin die Fäden zieht.
Dunkle Erinnerungen kommen auf. Die anstrengenden Wanderungen, die sich Nikoausdenkt, tragen nicht gerade zur Erheiterung der Gruppe bei. UnausgesprocheneFragen kreisen in den Köpfen: Was war damals zwischen Niko und Siggi? Und waszwischen Katharina und Edi? Wird die Container-Situation in den Bergen die Kartenneu mischen? Dann schlägt auch noch das schöne Wetter um. Das Wochenendewird zu einem alpinen Psychopanorama. Und nicht nur das. Es entwickeln sichlebensbedrohliche Situationen. Steckt hinter allem ein heimtückischer Plan?
Treffpunkt:Goldener Ochse
Niko kommt eineDreiviertelstunde zu früh auf dem Parkplatz des Goldenen Ochsen an. Natürlichist er der Erste. Etwas anderes hat er nicht erwartet. Es wird noch dauern, bisdie anderen eintreffen. Der Verkehr ist, wie üblich vor langen Wochenenden,unerträglich dicht gewesen. Wäre Niko nicht schon in den frühen Morgenstundenlosgefahren, hätte er es nicht so zeitig geschafft. Von derAutobahnabfahrt über Niederschlegen, dem Ort am Taleingang, bis zum kleinenWeiler Oberschlegen, durch den Niko gerade gefahren ist, ist die Straße immerschmaler geworden. Der Goldene Ochse ist das letzte Haus. Hinter dem
Parkplatz der Gastwirtschaft endet die Teerdecke, und es beginnt ein erdigerWaldweg, der mit einer Schranke abgegrenzt ist. Das Talende ist nicht mehrweit, die Berge sind zum Greifen nah. Niko nimmt dieWanderkarte, die neben ihmauf dem Sitz liegt, steigt aus dem Auto und faltet sie auf der Motorhaubeauseinander. Es dauert nicht lange, und er hat die ringsum stehenden Bergeidentifiziert. Er beschließt, schoneinmal den Schlüssel für die Hütte im Goldenen Ochsen abzuholen. Vielleichtgibt es auch noch ein paar Tipps vom Wirt, welche Wanderungen sich besonderslohnen. Er geht zum Eingang, drückt die schwere Tür auf und geht durch den Flurbis in die Gaststube. Es ist ein großer, fast saalartiger Raum mit zahlreichenTischen und einem massigen Tresen. Boden, Wände, Decke und auch dasMobiliarsind aus dunkel lackiertem Holz, das an vielen Stellen abgewetzt ist und einetwas helleres Braun durchschimmern lässt. Durch die kleinen,gardinenverhängten Fenster fällt nur spärliches Licht. Nikos Augen braucheneine Weile, um sich daran zu gewöhnen. Ein unbestimmter Geruch nach fettemEssen und abgestandener Luft dringt in seine Nase. Im Hintergrund läuft leiseein Radio. Niko vermutet, dass der Goldene Ochse schon bessere Zeiten erlebthat. Zwei Männer um diesechzig befinden sich im Raum, der ansonsten leer ist. Einer sitzt an einemTisch, ein Glas mit schalem Bier vor sich, der zweite mit fleckiger Schürze stehtdaneben und unterhält sich mit ihm. Niko fragt denMann mit der Schürze, ob erder Wirt sei. »Ja, das bin ich«, sagt der in breitem Dialekt.
»Ich möchte den Schlüssel für die Nebelkopfhütte abholen «, sagt Niko, »Siewissen sicher Bescheid.«
»Einen Moment«, sagt der Wirt und brüllt nach hinten in den Raum: »Maria!«
»Der Weg zur Hütte ist nicht einfach zu finden«, wendet er sich wieder an Niko,»es gibt keine Markierungen.«
»Das habe ich schon gehört«, sagt Niko.
»Sie können die Steigspuren leicht verfehlen und sich verlaufen. Das ist nichtungefährlich. Es gibt überall Steilabstürze. Wenn Sie nicht aufpassen, dann...«
»Ich habe ausreichend Bergerfahrung«, unterbricht Niko.
»Es wäre doch besser, Sie nehmen jemanden mit, der Sie führt. Hier zumBeispiel, den Schorsch.« Der Wirt deutet auf den einsamen Gast, der keine Mieneverzieht, und brüllt ein weiteres Mal nach hinten: »Maria! DenHüttenschlüssel!«
»Vielen Dank, aber wir haben eine Ortskundige in der Gruppe«, sagt Niko undnennt Katharinas Namen.
»Die Kathi«, ruft der Wirt erfreut, »die kommt also auch! Ich dachte, sie hättenur für euch reserviert. Ja, die Kathi kennt sich aus hier. Die ist schonfrüher oft mit ihren Eltern hier gewesen. Ein prächtiges Mädel, schon als Kind.Eine ganz
Aufgeweckte, ganz Hübsche. Wartet sie draußen? Warum ist sie nicht mit Ihnenhereingekommen?«
Niko runzelt die Stirn, er teilt die Begeisterung des Wirtes für Katharinanicht, obwohl er zugeben muss, dass sie gut aussieht, intelligent undselbstbewusst ist. Bei einem Mann hätte er das attraktiv gefunden. Als Frau warund ist sie eine Konkurrentin für ihn.
Kurzgeschichte des Monats
In der Hütte:Kochen am ersten Abend
Was für einefurchtbare Küche, denkt Isabell enttäuscht. Irgendetwas riecht streng undmuffig, nach Keller. Sie reibt sich frierend die Oberarme. Sie kann kaumglauben, dass die Hütte wirklich Katharina gehören soll. Zu Katharina hätteeher eine geräumige Wellness-Hütte gepasst. Isabells Blick wandert forschenddurch eines der beiden Regale mit Haushaltsgegenständen. Ein Stövchen,handgestrickte Eierwärmer und einige Glaskrüge. Hier hat jemand Ausrangiertesdeponiert. Becher, Schnapsgläser, Teller, zu viele Löffel und zu wenig Gabelnund Messer, das sieht nach häufigem Geschirrspülen aus. Allerdings fehlt dafürein Waschbecken. Nach längerem Suchen findet Isabell eine alte Zinkwanne. Jetztwird ihr klar, wo der muffige Geruch herkommt. Sie entsorgt mit spitzen Fingernein paar alte Lappen nach draußen. Als sie zurückkommt, sitzen Siggi und Ediauf den Bänken. Niko hantiert mit souveränem Gleichmut an der Feuerstelle.Gelegentlich fallen einige Aschereste auf den Boden.
»Niko«, beginnt sie zaghaft.
»Was?« »Ich will dich ungern unterbrechen, aber wir haben kein Wasser!«
Niko dreht sich mit einem süffisanten Grinsen zu ihr um.
»Doch, doch, Wasser gibt es hier schon. Katharina hat es mir erklärt. Draußengibt es einen Wasserlauf, wenn du raus gehst, gleich links.«
Isabell beginnt zu verstehen. »Du meinst hoffentlich nicht diese Kuhtränke mitdem verrosteten Rohr darüber?«
»Bei mir ist das einWasserlauf! Das beste Bergquellwasser, das du je getrunkenhast«, erwidert Niko. Isabell ärgert sich über Nikos Unwissenheit. Sie kannkaum glauben, dass sie und Niko in der gleichen Schule gewesen sind.
»Aus dem alten Rohr kommen bestimmt giftige Metalle, so wie das aussieht. Außerdem ist das Ding mit schwarzen Spinnweben voll.«
»Machst du Witze? Hier ist alles mit Spinnweben voll. Warte mal, bis morgenTageslicht ist!« Niko wendet sich wieder seinem Ofen zu.
Isabell schreit auf: »Also, ganz ehrlich, das müssen wir aber noch ändern,sonst kann ich hier nicht schlafen.«
Edi tritt auf sie zu: »Er will dich doch nur ärgern, merkst du das nicht? Ichmache das mit demWasser. Siggi kann ja schon mal den Tisch decken. Was gibt eseigentlich zu essen?«
»Erbswurst«, sagt Niko.
»Erbswurst?« Isabell ist entsetzt, »Erbswurst, ist das nicht irgend so eindehydriertes Zeug aus dem Supermarkt?«
Niko fuchtelt mit dem Schürhaken im Feuer. Er dreht sich genervt zu Isabell um.»Erbswurst gibt es schon seit hundert Jahren, es ist noch niemand darangestorben. Man kocht es mit Wasser auf und fertig ist die Sache. So ist das ineiner Hütte. Haute cuisine kannst du hier leider nicht erwarten. Ich habereichlich Brot und Käse mitgenommen, Katharina wird auch noch ein paarLebensmittel mitbringen. Bis dahin gibt es Erbswurst und basta.«
EHEC und ETEC
»Ich kann nichtverstehen, warum Katharina nicht kommt. Hat sie denn gar nichts weiter gesagt?Du hast dich doch mit Katharina getroffen«, bohrt er. Isabell schreckt auf.
Das ist es also! Er will sie ausquetschen über Katharina. Die ganze Zeit hat ersich schon überlegt, wie er es anfangen soll. Schon gestern auf der erstenWanderung hat er nach diesem Treffen im Café gefragt. Der ganze Smalltalk hatnur zu diesem Zweck gedient.
»Wir wollten die Reise besprechen, wieso?«, sagt Isabell gedehnt.
»Hat sie wirklich nichts gesagt? Gibt es vielleicht irgendeinen Grund, weshalbsie uns hier in die Berge schickt und dann nicht kommt?«
»Keine Ahnung«, sagt Isabell. Sie wagt nicht, ihm in die Augen zu schauen.
»Habt ihr euch gestritten?«, fragt Edi.
»Nein, nein«, beeilt sich Isabell zu sagen, »wie kommst du darauf!«
»Nun ja, ein Herz und eine Seele seid ihr noch nie gewesen.«
»Das liegt nicht an mir«, erwidert Isabell verschnupft.
Wenn sie so tut, als wäre sie beleidigt, könnte man das Thema vielleichtschnell und unauffällig wechseln.
Edi knufft sie in die Seite und lächelt sie an.
»Erzähl dochmal, was habt ihr beiden Kaffeetanten besprochen?«
Was ist er doch für ein Mistkerl, denkt Isabell, er will mich unbedingtaushorchen. Aber ich habe ihn durchschaut. Seine weiche Stimme. Sein Lächeln.Alles nur Maskerade. Es ist widerlich! Nichts werde ich erzählen. Soll Edi sichdoch denken, was er will. Dieser Nachmittag mit Katharina gehört mir. Das bleibtmein Geheimnis. Ich habe so lange gewartet, viel zu lange.
Sie schaut ihm konzentriert und kalt in die Augen. Mit einemMal ist es ganzleicht. Sie lächelt: »Es war alles bestens zwischen Katharina und mir.«
Isabell sieht seinen verunsicherten Blick. Die Runde hat sie erst mal gewonnen.Edi schweigt wieder.
Isabell konzentriert sich auf ihre Füße. Das ewig Gleiche lullt sie ein: Baum,Gras, Äste, Vogelstimmen, Fichtennadeln, Steine, Gras, Äste, Baum, Steine,Wolken, Äste, Gras. Selbst die Blase an ihrem Fuß erzeugt immer wieder dasgleiche Gefühl, autsch, weg, autsch, weg. Der Wald wird langsam dichter. Derdüstere Nadelwald taucht ihren Kopf in ein taubes Gefühl. Alles wird leer,jeder Gedanke wird weggesaugt von diesem Baum, Gras, Äste, Baum, Gras. DumpferGeruch von moderndem Holz dringt in ihre Nase. Der Takt von Edis Schuhenerscheint ihr wie einMarschlied: tuff, tuff, tuff, ta da. Als komme nun eineweiße Wolke von oben und hülle sie in eine stille Zufriedenheit. Nun ist es ihregal, dass Edi sie gestern wegen der Sonnensteine angegriffen hat. Was immerauch der Grund war: Sie würde ihm verzeihen. Vielleicht würde sie ihm doch nochetwas über das Treffen mit Katharina erzählen. Aber was könnte sie ihm dazusagen?
Ein paar Tage vor dem Treffen im Café hat sie aus beruflichen Gründen diesesverflixte Seminar besuchen müssen, eine stressigeWoche. »Schauen Sie bittenoch mal ganz kurz auf.  Danke. Bevor wir in einer halben Stunde mit einemanderen Diagnoseverfahren, dem Immunabsorptionstest, weitermachen, möchte ichSie bitten, doch nochmal einige Proben selbst in Augenschein zu nehmen. Dannkommt es später nicht zu Verwechslungen.
Kommen Sie bitte alle nach vorn?« Isabell und Evi zwängten sich hinter denTischen vor. Sie folgten eifrig den klappernden Schritten und versammelten sichgemeinsam mit den anderen um einen Tisch. Dort lag eine rotbraune Ledermappe.Die ganze Gesellschaft war schon sehr müde. Einige unterdrückten ein Gähnen.Evi starrte über alle hinweg durch das sonnige
Fenster hinaus. Die Dozentin strahlte die Teilnehmerinnen an, als hätte sieeinen Geburtstagskuchen vor sich, den sie gleich anschneiden würde. »Hier habeich Ihnen eine sehr interessante Sammlung von seltenen Erregern aus allerHerren Länder mitgebracht. Wie Sie alle wissen, schleppen uns die Leute
durch ihre Flugreisen einige Raritäten in deutsche Krankenhäuser.
Die Tropenmedizin kommt beinahe nicht hinterher. Daher habe ich hier eine ganz,ganz neue Sammlung mitgebracht. « Mit schnarrendemGeräusch wurde der Reißverschluss der Mappe geöffnet. Zwanzig verschlossene,gleich aussehende Glasröhrchen waren zu sehen. Verzückt griff sichFrauMeyer-Riemhofer eines der kleinen Röhrchen und hob es
hoch. »Die Erreger, die sich in den kleinen Glasgefäßen befinden, sindteilweise abgetötet und teilweise noch lebensfähig. Das kommt darauf an. MancheBakterien fühlen sich ganz wohl in dieser besonderen Nährlösung. Ich schreibeIhnen die Zusammensetzung später noch an die Tafel. Das Fläschchen,
das Sie hier sehen, enthält den Erreger der typischen Darminfektion, auch ETECoder im Volksmund Montezumas Rache genannt.« Sie wartete kurz das Kichern inder Gruppe ab. »ETEC, weiß eine von Ihnen noch, wo die Abkürzung herkommt?«Eine kleine Blonde aus der zweiten Reihe murmelte
gelangweilt: »Enterotoxischer Escherichia coli.« »Ich danke Ihnen, FrauReissmann«, sagte Frau Meyer- Riemhofer lächelnd, »also gut, Toxine hat derkleine ETECGiftzwerg, nämlich sowohl hitzelabile als auch hitzestabile
Toxine. Mehr darüber finden Sie in der Lektüre, die ich Ihnen gleich austeilenwerde. ETEC unterscheidet sich also im Prinzip nicht von den hierzulandeüblichen Erregern für die typischeWochenenddarmgrippe. Bis die Krankheitausbricht, dauert es zehn bis vierundzwanzig Stunden. Außer Darmkrämpfen,
wässrigen Durchfällen und Erbrechen ist nichts zu befürchten. Nach weniger alsfünf Tagen ist alles vorbei.« Frau Meyer-Riemhofer sah aufmunternd in die Rundeund griff schwungvoll ein zweites Mal in ihr Waffenarsenal:
»Doch hier haben wir einen gefährlichen Vertreter aus der Gruppe derDarmbakterien: EHEC oder enterohämorrhagischer Escherichia coli genannt.«Neugierig beugten sich die Teilnehmerinnen nach vorn. Frau Meyer-Riemhofer hobvorsichtig mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand ein anderes Röhrchenhoch. »Die Flüssigkeit sieht bräunlicher aus«, erwähnte eine Teilnehmerin. FrauMeyer-Riemhofer nickte wohlwollend: »Nun ja, das ist kein wirklicherUnterschied, die Proben sind beide noch etwas mit Stuhl verunreinigt.
Der eigentliche Unterschied ist, dass beim EHEC nach fünf Tagen noch nichtalles vorbei ist. Das Krankheitsbild geht mit Fieber einher, ist sehr viellangwieriger und kann zu blutigem Durchfall und später zu Nierenschädigungenführen.
Letztendlich kann die Krankheit auch tödlich enden, meine Damen.« Sie schwenkteverspielt die Röhrchen. Mit zartem Gluckern befreiten sich zwei Luftbläschen,die träge nach oben wanderten. Nun hatte sie je eines der Fläschchen in derrechten und linken Hand. Sie drehte sie lässig mit den Fingerspitzen hin undher. Isabell beneidete sie um dieses Gefühl.
Dieses Gefühl der Macht über so viele Dämonen. Eingesperrt in einem kleinenGlasgefängnis. Wie ein Dschinn, der in der Flasche sitzt. Im Märchen wird erbefreit. Er wird dem Befreier drei Wünsche erfüllen. Isabell brauchte keinedrei Wünsche. Isabell hatte nur einen Wunsch.
Kurzgeschichte des Monats
Edi will weg
Ein grollendesRumpeln lässt Eduard hochblicken. Die Wolkendecke hat sich in ein sehr dunklesGrau verwandelt. Eine diffuse Dämmerung liegt  über der Landschaft. ErsteTropfen fallen, Wetterleuchten erhellt die finstere Himmelskulisse. Eduardbleibt stehen und sieht sich um. Durch den dünnen Baumbewuchs kann er in dasTal blicken, aus dem sie am Freitag gekommen sind. Er sieht ein bekanntesMuster: einen Waldrand und in einem gewissen Abstand davon ein Gebäude miteinem Parkplatz, jetzt stehen drei Autos darauf, eines davon ist sein eigenes,sein vorläufiges Ziel. Eduard erinnert sich an dieses Bild. Beim Aufstieg warensie hier irgendwo über einen Pfad auf den Weg gestoßen, auf dem er geradesteht. Da der Ausblick genauso war wie jetzt, kann die Stelle nichtweit sein.Jetzt wäre er beinahe zu weit geradeaus gegangen und hätte sich doch nochverlaufen. Er geht langsam weiter und sucht die Abzweigung.Die Zahl der Tropfennimmt zu, in immer dichterer Folge klatschen sie auf die Landschaft ringsumher,auf den Weg und auf Eduard. Da sieht er die Gabelung. Er nimmt den linken Weg,der etwas unebener ist als der Weg vorher, aber das ist wie beim Aufstieg,nur umgekehrt. Der lichte Wald geht in Gestrüppinseln über, zwischen denen sichder Pfad hindurch windet, das Gefälle nimmt stetig zu. Eduard bewegt sich durchdas dichte Rauschen, das ihn umgibt und immer noch lauter wird. Ein starkerWindstoß treibt ihm einen Schwall harte Tropfen ins Gesicht, raubt ihm einenMoment die Sicht, ein weißer Knall erfüllt die Luft, vorwärts, nur weg, Eduardverliert den Boden unter den Füßen und rutscht halb auf der Seite liegend abwärts,unaufhaltsam. Er weiß, hier ist er so falsch wie noch nie in seinem Leben. Erversucht, sich an den kurzen Halmen festzuhalten, seine Finger in das nasseGras zu krallen, aber nichts hilft, alles glitscht weg, der schwere Rucksackträgt das Seine dazu bei. Der sichtbare Hang ist ein großer Abwärtsbogen, deram Ende zur Senkrechten strebt. Eduard treibt auf einGestrüpp zu, sieht dieletzte Chance. Eine Bodenwelle verändert seine Richtung, er streift dasGestrüpp nur, verlangsamt aber doch und bekommt beim Vorbeischlittern etwasKratzendes zu fassen. Er hält sich mit beiden Händen daran fest, dieAbwärtsbewegung kommt zu einem Stillstand. Eduard hängt am Busch in steilerSchräglage, das Gesicht auf das nasse Gras gedrückt, unter sich irgendeinNichts. Drei Elemente toben sich aus, nasskaltes Prasseln, Sturmgezaus undkrachende Blitze. Eduard schmiegt sich an die Erde. Er spürt, dass er sich hiernicht mehr lange halten kann, durch die Kälte werden seine Finger allmählichgefühllos. Er muss den Rucksack loswerden, der an ihm zerrt. Um den Bauchgurtzu öffnen, sind zwei Hände notwendig. Eduard gelingt es mit der rechten Handdurch ein Wechselspiel aus Ziehen und Drücken, den Bauchgurt zu lösen. Dannwinkelt er den rechten Arm an und zieht ihn unter dem Schultergurt hindurch. Umnoch die linke Schulter zu befreien, sucht er sich am Busch mit der rechtenHand einen neuen Halt und lässt danach die linke los. Dabei bricht dasüberforderte Pflanzenstück ab, an dem er hängt. Auf der steilen Schräge beginnter sofort wieder zu rutschen. Der Rucksack zieht ihn in die Tiefe. Er strampeltmit den Beinen, um sich Auftrieb zu verschaffen, erreicht aber nichts, seineletzten Griffe nach dem rettenden Busch gehen hektisch ins Leere. Eduardschreit. Er fällt.
(...) elkopfh%25C3%25BCtte.jpg">Kurzgeschichte des Monats
Ehlert, Butzmann, Sinca, Manji, Seidler  NebelkopfhütteErschienen im seidler verlag 14,80 EUR  ISBN 978-3-931382-45-2 

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