Kritik - Der weiße Hai

Kritik - Der weiße Hai

"Das hier ist kein Bootsunfall. Das war keine Schiffsschraube. Schon gar nicht ein Korallenriff. Und es war auch nicht Jack the Ripper. Es war ein Hai." -

Inszenatorische Wunder beim traditionellem Filmemachen gibt es ja nicht allzu oft zu bestaunen. Manchmal kann es aber durchaus vorkommen, dass aus einem schlichten, archaisch anmutenden B-Movie-Plot etwas richtig Großes entstehen kann. Dazu gehören eine große Portion Glück, Unverfrorenheit, Raffinesse, der richtige Umgang mit der Materie, außerordentliche Fähigkeiten in Punkto Regiekünsten, richtige Darsteller und das Gespür für wahre Dramatik und Suspense. "Der weiße Hai" ist einer dieser kalkulierten Glücksfälle der Vergangenheit, indem all diese Zutaten zu etwas außerordentlichen und heute immer noch hevorragendem bis starkem zusammengefügt wurden, trotz seiner im Grunde genommen nicht von der Hand zu weisenden, vordergründigen Banalität der vorgetragenen Geschichte: Ein großer weißer Hai tummelt sich in den Küstengewässern des Badeortes "Amity Island" und knöpft sich ein Opfer nach dem anderen vor. Nur drei mutige Männer stellen sich dem Ungetüm bzw. nehmen den Kampf auf: Steven Spielberg nutzte im Jahre 1975 diese simple, narrative Struktur jedoch um eine der besten Beiträge im Horror-Genre zu formen. Denn der weiße Hai offenbart sich nicht NUR als der "simple" Kampf des Menschen gegen die unkontrollierbaren Auswüchse der Natur, an dem am Ende die Frage offenbleibt, wer den nun das schlimmere, komplexbeladene, auf Autopilot gesteuerte Monstrum ist, der Mensch oder der Hai? Mit dieser Frage ist nämlich noch etwas anderes verbunden.

Kritik - Der weiße Hai

Steven Spielbergs Horrorschocker ist ein Beispiel dafür, das wirklicher Suspense / Horror in der Regel beim Publikum im Kopf entsteht. Und nicht durch inflationär eingesetzteTechnologie, welche den Vorzug vor Geschichte und Figuren erhält. Alfred Hitchcock z.B. gilt als der wohl begnadetste Regisseur auf dem Gebiet des klassischen / zeitgenössischen Horrors, dessen unbarmherziger Thrill in diversen Meisterwerken ("Psycho", "Vertigo - aus dem Reich der Toten", "Die Vögel") für Steven Spielbergs meisterhaften Meeres-Survival-Trip "Der weiße Hai" Pate stand. Aber dieser Trip ist nicht nur ebenso schockierend bzw. unbarmherzig wie viele qualitativ-vergleichbare Beiträge des Horror-Genre in Szene gesetzt worden, sondern offenbart sich auch als eine clevere Reflektion über die Verdrängungsmechanismen der schlimmsten amerikanischen Trauma, des Vietnam- und zweiten Weltkrieges. Und beschäftigt sich mit der Auseinandersetzung, der Annahme, dem Bestehen dieses Kampfes und der persönlichen Befreiung aus diesen Trauma in Form dreier Männer. Unzählige Male wurde "Der weiße Hai" in der Vergangenheit in seiner Intention als REINER "Creature Horror" missverstanden, was ältere Vorschauen (Trailer) zu "Der weiße Hai" Dank ihrem Tenor bedauerlicherweise widerspigelen. Ebenso führte dieses Mißverständnis zu einem völlig falschem Blickwinkel auf eine bewundernswerte Spezies. Und brachte Steven Spielbergs Film völlig zu Unrecht einen schlechten Ruf ein. Denn an der Ausrottung des Hais war Steven Spielberg weiß Gott nicht gelegen, wenn gleich er triumphierend in der gnadenlosen ersten Hälfte des Filmes geschickt mit den Urängsten des Menschen spielt. Und den Gegner unerkannt mittels der eingesetzten Perspektive unter Wasser angreifen und im Kopfe des Betrachters das real werden lässt, was bei einem wirklichem Angriff eines großen Haies aus einer natürlichen Reaktion heraus passieren würde. John Williams legendärer Score sorgt dabei für die richtige Stimmung und stiftet zum richtigen Maße an Angst/ Paranoia an, welche sich auch beim heutigem beim Publikum im hochauflösendem Format (auf der BluRay Disk) entfalten darf.

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Mit Roy Scheider, Richard Dreyfuss und Robert Shaw wählte Steven Spielberg für sein wahres, zu Grunde liegendes Thema drei einzigartige, perfekt-passende Darsteller aus, welche bei der Gesellschaft in "Amity Island" zunächst keinen besonders überzeugenden Eindruck hinterlassen. Aber mit ihren Frotzeleien / Auseinandersetzungen das Interesse des Publikums auf sich zu ziehen vermögen und für den notwendigen Antrieb in der Geschichte sorgen. Dank Drehbuchator Carl Gottlieb läßt sich Steven Spielbergs "Der weiße Hai" nämlich auch als vielschichtige Studie/Parabel zur US-amerikanischen Gesellschaft lesen, welche vor allem durch Richard Dreyfuss´Auftritte unterschwellig-boshafte und sarkastische Kritik an der Abweisung der amerikanischen Kriegsheimkehrer zwecks Aufnahme in die Mitte der Gesellschaft übt. Zum einen findet der seit dem zweitem Welt- und auch dem Vietnamkrieg desillusionierte Seebär Quint (Robert Shaw) keine andere Bestimmung mehr, als den weißen Hai zu jagen und zur Strecke zu bringen. Um sich allen noch einmal beweisen zu müssen. Richard Shaw verköpert also einen reaktionären, an Selbstjustiz vorgehenden Kriegsheld der vergangenen 40er, 50er und 60er Dekaden, welcher seine persönliche erlittenen Traumata nie ganz überwinden konnte (dazu werden immer wieder Erzählungen der Vergangenheit eingeflochten) und der in letzter Konsequenz auch an diesen in Form des Haies scheitern wird.

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Als politisch konservativer, der den Kampf, genau wie der Rest der Protagonisten, gegen die Skrupellosigkeit und Unmoral der im Film etwas bieder und formelhaft gezeichneten politischen und wirtschaftlichen, US-amerikanischen Machtverhältnisse im Badeort "Amity Island" aufnimmt, steht er auf verlorenem Posten. Richard Dreyfuss hingegen gerät als Meeresbiologe Matt Hooper zum heimnlichen Stellvertreter von Steven Spielberg, der einen von der Mehrheit in den 70er Jahrem vom politisch-gesellschaftlichen System unterdrückten, hochintelligenten und politisch-links motivierten Menschen verkörpert. Der sich aber gegen andere zu behaupten weiß, wenn wirlich wichtiges auf dem Spiel steht Aber auch er wird im richtigen Moment wird er genau wie Richard Shaw in seiner Rolle am wahr werdenden Trauma und Alptraum scheitern, weil er zum passiven Zuschauer wird. Polizeichef Brody (Roy Scheider) hingegen funktioniert als zunächst verwahrlostes US-amerikanisches Mittelsstandssymbol, also als Durchschnittsamerikaner der 70er , dem die Aufnahme in der Mitte der Gesellschaft im konventionellen Sinne zunächst verwehrt bleibt und der sich am Schluss aber gegen seine persönlichen Traumata durchzusetzen weiß. Nur zu welchem Preis geschieht das? Der Mensch vergreift sich an der Natur, welche aus einem mörderischem, aber natürlichen Instinkt heraus handelt, bemerkt gegen Ende aber selbst nicht mehr, was er gerade was er mit seinen explodierenden Gasflaschen aus einer Angst heraus, seinen Auftrag nicht erfüllen zu können, angerichtet hat. Die Schlacht ist gewonnen, nur das zählt am Ende des Tages, um in der modernen US-amerikanischen Gesellschaft ohne Komplexe hochleben zu dürfen: Bestie Mensch. Man ist also nicht besser als der Hai.

Fazit: "Der weiße Hai" offenbart sich als vorbildlich-inszenierter (Horror)Thriller und mittlerweile herangereifter, oft kopierter nie erreichter Klassiker mit wenigen Abnutzungerscheinungen. Zum Beispiel in Form der zweiten Filmhälfte, die nicht mehr ganz die Spannung der ersten aurechterhält, aber dennoch zu überzeugen vermag. "Der weiße Hai" gehört neben "Duell" zu Steven Spielbergs spannendsten Filmen und auf BluRay zum Pflichtprogramm.

Wertung: 9/10 Punkte


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