Krieg der Welten

Krieg der Welten[Hörbuch] Salman Rushdie - Zwei Jahre acht Monate und achtundzwanzig Nächte

Unsere Welt ist aus den Fugen geraten und Salman Rushdie liefert in seinem Roman, der in dieser Hörbuchversion ungekürzt und grandios von Simon Jäger vorgetragen wird, eine Erklärung dafür: die Dschinn treiben ihr Unwesen mit uns.

Und der Auslöser dafür liegt Jahrhunderte zurück: Dunia, die Dschinn-Prinzessin des Lichts, hat sich damals in Ibn Ruschd verliebt, einen Philosophen, der von vielen seiner Zeitgenossen als Gottteslästerer verschrien wird, weil er sich für den Gebrauch der Vernunft und gegen blinden Gottesgehorsam ausspricht. Mit dieser Weltansicht widerspricht er ganz besonders dem tiefgläubigen islamischen Philosophen Ghazali. Nebenbei zeugt er mit Dunia eine Vielzahl an Nachkommen, die Dschinn-Blut in sich tragen, dies jedoch über Generationen hinweg nicht beachten.

Erst Jahrhunderte später öffnen sich wieder die lange Zeit verschlossenen Risse zwischen unserer Welt und der Welt der Dschinn und eine Gruppe von ihnen beginnt, in der Menschenwelt ihr Unwesen zu treiben. Dies ist auch der Moment, den Ghazali - genauer gesagt der Staub, zu dem er zerfallen ist - nutzt, um eine noch ausstehende Schuld einzutreiben: die Dschinn sollen die Menschen - vor allem in der westlichen Welt - wieder wahre Gottesfurch lehren. Dunia indes, die ebenfalls wieder in die Menschenwelt hinabsteigt, beschließt, ihre zahlreiche Nachkommenschaft zu nutzen, um den rivalisierenden Dschinn in den Weg zu treten und die Welt vor dem Untergang zu bewahren.

Im Verlauf dieser Auseinandersetzung bricht Chaos in den Gesellschaften aus - Häuser brechen zusammen, Flüsse und Meere treten über die Ufer, Meeresungeheuer verspeisen Fähren und Menschen sprengen sich mit dem Wunsch, Gottesstaaten zu gründen, in die Luft. Dies wird euphemistisch von Zeitgenossen als "Zeit der Seltsamkeiten" bezeichnet, und diese Seltsamkeiten halten die Welt zwei Jahre, acht Monate und achtundzwanzig Nächte (also Tausendundeine Nacht lang) in Atem. Kurzum: Rushdie lässt es krachen in diesem neuen Buch und während er dem sympathischen Gärtner Geronimo durch das moderen New York folgt, lässt er nebenbei die Kulissen einstürzen.

Manche der Ereignisse lassen sich einfach tatsächlichen Geschehnissen nach dem 11. September 2001 zuordnen. Auch bei seiner Beschreibung einiger Staaten im Nahen Osten ist Rushdie derart spezifisch, dass kein Name fallen muss und doch klar ist, um welches Land es hier geht. Und die Menschen, die mit Gewalt und Blutvergießen ihr Paradies auf Erden zu schaffen versuchen, erscheinen dem Zuhörer leider ebenfalls sehr viel realer als das Seemonster.

Alles ist möglich in diesem Roman und Rushdie scheint seine Allmacht in vollen Zügen zu genießen und auszukosten, sodass der Leser / Zuhörer spätestens nach der ersten Hälfte der Geschichte geneigt ist, mit allem zu rechnen, in etwa so, wie der heutige Mensch auch jeden Morgen bei einem ersten Blick auf eine Nachrichtenquelle seiner Wahl das Schlimmste erwartet und dennoch immer wieder überrascht wird von dem Wahnsinn, der ihm da entgegenblickt.

Rushdie mag erzürnt sein über religiöse Fanatiker und erschrocken über Klimawandel und Naturkatastrophen - entsprechend spitzzüngig lässt er diese Elemente in seinen Roman mit einfließen. Gleichzeitig jedoch schwingt in der Erzählung ein ironischer Unterton mit, den Leser Simon Jäger durch leichte Schwankungen in der Stimmlage aufzugreifen vermag, der das ganze zu großer Unterhaltung macht und nicht zu dem Erguss eines zynischen alternden Mannes.

Die Mischung aus Rushdies überbordender Fantasie und Spitzzüngigkeit, gepaart mit der gekonnten Erzählart von Simon Jäger machen dieses Hörbuch zu einem modernen Märchen, dem man sich zwar nicht tausendundeine Nacht lang, aber knapp 12 Stunden gerne hingibt.

Ich danke dem Hörverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplares. Lust bekommen? Dann könnte dir auch das gefallen: Krieg der Welten

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