Kraftprotz oder süße Püppi – wir wechseln zwischen rosa oder blauer Baby-Brille

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Gestern vor der Rückreise hat Herr A. dem Babyjungen den letzten sauberen Anzug angezogen, zufällig einen weißen mit zartrosa Punkten und drei Schleifchen an Ausschnitt und Ärmeln. Den hat schon die große Schwester getragen – und wie ihr vielleicht wisst, haben geschätzte 95 Prozent der Babyklamotten rosa oder blaue Elemente (und wenn es mal zu geschlechtsneutral aussehen sollte, weisen kleine Rüschen, Schleifchen oder Herzchen bzw. Autos, Hammer oder Lokomotiven auf die geschlechtliche Identität des Babys hin). Piepegal, dachten wir, deswegen schmeißen wir die Klamotten doch jetzt nicht weg! Seit Babyjunge da ist, konnten wir aber interessante Feldstudien betreiben, die mir zu denken geben.

Erwachsene, guckt euch mal von außen zu

War mir früher bei Babymädchen nicht so aufgefallen. Aber es gibt tatsächlich Leute, die begrüßen einen nur wenige Monate alten Jungen mit kumpelhaftem Faustschlag an die Schulter. Ist er groß und hält den Finger des Gegenübers kräftig fest (Babymädchen war da genauso), heißt es nun schnell “Ah, du bist ein Kraftprotz!” oder “Du wirst mal ein Ringkämpfer” usw.

Selbiges Baby reiste gestern nun in weiß mit rosa Punkten. “Eine süße Püppi”, kommentierte die Dame bei der Sicherheitskontrolle am Flughafen. Auch später beugten sich die Leute über ihn und riefen “So ein süßes kleines Mädchen, ach bist du lieb”. Ich hatte keine Lust, den Irrtum aufzuklären.

Kleider machen Leute

Das Ganze stimmt mich nachdenklich. Selbes Baby, andere Klamotten – und schon kommt es einem anders vor, man interpretiert sein Verhalten anders und verhält sich ihm gegenüber anders. Wenn ich es mir genau überlege, mache ich das auch. Hat der Babyjunge blaues Zeug an, kommt er mir jungenhafter vor, trägt er rosa Fummel, sieht er aus wie ein Mädchen. Dabei will ich die Kinder gern gleich behandeln bzw. ganz nach ihren eigenen Interessen, nicht nach denen, die ich in sie hineininterpretiere.

Rüschen, Schleifchen, rosa Tupfer - damit auch kein Zweifel entsteht. Oder?

Rüschen, Schleifchen, rosa Tupfer – damit auch kein Zweifel entsteht. Oder?

Womöglich würde es schon helfen, wenn mehr grüne, orange, rote und gelbe Kinderkleidung verkauft würde? Die Sache mit rosa und blau ist bekannterweise auch noch sehr neu, erst seit hundert Jahren gibt es diese Mode. Früher gab es mal eine Zeit, in der Jungs rosa (als “kleines Rot”, Farbe des Kampfes, der Männlichkeit und was-weiß-ich) und Mädchen hellblau (als “kleines Blau” in Anlehnung an die fromme Mutter Maria) trugen.

Sind Mädchen und Jungs wirklich so verschieden?

Ich weiß, die Frage markiert ein heiß umkämpftes Gebiet. Deshalb zunächst vorweg: Natürlich gibt es (schon rein physische) Unterschiede zwischen Männern und Frauen. Natürlich ist es wichtig für die kindliche Entwicklung, sich als Mädchen oder Junge einzusortieren, ich sehe selbst, wie sehr sich Babymädchen gerade damit beschäftigt. Ansonsten aber finde ich, dass Frauen und Männer die gleichen Chancen haben sollten und das erreicht man nicht, indem man Kinder dermaßen unterschiedlich fördert, wie wir es oft ganz intuitiv tun.

Ich habe mir vorgenommen, mich in Zukunft genauer zu beobachten. Animiere ich Babymädchen mehr zu Rollenspielen, Bücherlesen und Kochen als den Babyjungen, oder macht sie das, weil sie das am liebsten tut? Will Babyjunge wirklich mehr Sport treiben und weniger unterhalten werden oder erfüllt er nur die Erwartungen, die wir an ihn haben?

Alle Türen offen halten

Meinetwegen darf sie für immer in rosa Kleidchen herumlaufen und einmal Balletttänzerin werden, wenn sie das unbedingt will. Und meinetwegen soll er doch mal Ringkämpfer werden, wenn ihn das glücklich macht. Ich will aber, dass beiden alle Türen offen stehen – dem Mädchen die zum Informatikstudium genauso wie die zur Krankenschwesterausbildung, dem Jungen die zur Erzieherkarriere genauso wie die zur Mechanikerlaufbahn.

Autos oder Puppi. Mechaniker oder Erzieher?

Autos oder Puppi. Mechaniker oder Erzieher?

Dazu gehört auch, nichts von vornherein auszuschließen. Es gibt Studien, die beweisen, dass Mädchen schlechter rechnen, wenn man ihnen vorher sagt, dass Mädchen im Schnitt schlechter in Mathematik sind als Jungen. (Mich haben Stereotype zwar immer motiviert. Als man mir sagte, Frauen könnten nicht einparken, hab ich das Einparken bis zur Perfektion geübt. Kartenlesen kann ich übrigens auch prima. Aber ich bin atypisch, ich spiele auch gerne Skat.) Ich will mir aber vornehmen, mit beiden Kindern gleich viel zu reden, vorzulesen, toben und tüfteln.

Wie seht ihr das?

Interessante Links zum Thema:

“Was Mädchen zu Mädchen und Jungs zu Jungs macht” auf Zeit.de

“Frauen sind auch nur Männer” auf Zeit.de



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