Knabenbeschneidung

Michael Schmidt-Salomon, Norbert Kunz, Frieder-Otto Wolf in der URANIA

Michael Schmidt-Salomon, Norbert Kunz, Frieder-Otto Wolf
in der URANIA

Montagabends in der URANIA: die Besucherplätze sind nur zur Hälfte gefüllt. Als wäre das Thema des Abends nicht mehr inter­es­sant genug: „Der Streit um die Knabenbeschneidung – sym­pto­ma­tisch für das Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland?“

Auf dem Podium sit­zen sich Michael Schmidt-Salomon und Frieder-Otto Wolf gegen­über. Vom Moderator Norbert Kunz (HVD Berlin-Brandenburg) als Philosophen vor­ge­stellt soll es an die­sem Abend um die Verflechtung von Staat und Kirche in Deutschland gehen. Ein Ziel, das nicht ganz erreicht wird.

Denn Ziel der Debatte sollte es sein, noch ein­mal grund­le­gend über die Konsequenzen nach­zu­den­ken, die mit der Legalisierung des Rituals ver­bun­den sind: Ist mit dem Gesetz schon das letzte Wort in Sachen Beschneidung gespro­chen? Könnte mit glei­cher Begründung auch das Verbot der weib­li­chen Genitalbeschneidung fal­len? Wie kommt es, dass deut­sche Politiker in vie­len Fällen dazu ten­die­ren, reli­giöse Interessen stär­ker zu gewich­ten als säku­lare Rechtsnormen? Ist die poli­ti­sche Entscheidung in der Beschneidungsfrage sym­pto­ma­tisch für das Verhältnis von Staat und Religion in Deutschland?

Richtig ist, dass sich gerade am Zustandekommen des „Gesetzes über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männ­li­chen Kindes“ her­vor­ra­gend auf­zei­gen lässt, wie wenig ratio­nale Argumente in einer solch emo­tio­nal hoch­ge­koch­ten Diskussion wie der um die Knabenbeschneidung zäh­len. Hierin waren sich Schmidt-Salomon (gbs) und Frieder-Otto Wolf (HVD) einig. Beide ver­wie­sen in ihren Eingangsreden dar­auf, dass etwas mehr Besonnenheit und Vernunft der Diskussion gut zuge­stan­den hät­ten.

Allerdings ver­tra­ten sie inso­fern gegen­sätz­li­che Meinungen, als dass Wolf sich gewünscht hätte, dass das Gesetz – wie in einem Memorandum gefor­dert – über einen län­ge­ren Zeitraum mit Fachleuten bespro­chen hätte wer­den müs­sen. Schmidt-Salomon ver­wies dar­auf, dass die GBS mit Ihrer Kinderrechtskampagne des­halb erst zu einem Zeitpunkt gestar­tet ist, als klar wurde, dass der Bundestag einen völ­lig über­eil­ten Schulterschluss mit eini­gen Religionsgemeinschaften suchte. Für ihn ist eine gesetz­li­che Regelung völ­lig unnö­tig; denn es gab Bestimmungen, die aus­reich­ten.

Besonders ver­wie­sen wurde auf die recht­li­che Ungleichbehandlung von Jungen und Mädchen als einen kla­ren Verstoß gegen grund­ge­setz­lich ver­an­kerte Rechte. Schmidt-Salomon hält die Tür zur Vaginalverstümmelung von Mädchen mit die­sem Gesetz für geöff­net. Denn die Begründungen, die dabei – genau wie bei der Beschneidung von Jungen – gege­ben wer­den, ähneln sich. “Über­all dort, wo Jungen aus kul­tu­rel­len oder reli­giö­sen Gründen beschnit­ten wer­den, betrifft das auch Mädchen.”

Doch ganz konnte der Abend die Erwartungen nicht erfül­len. Das lag sicher­lich auch daran, dass sich sowohl das Podium als auch das Publikum zu einig waren in ihrer Ablehnung des Gesetzes. Hier wäre es gut gewe­sen, wenn ein Verfechter der Beschneidung wenigs­tens unter den Zuschauern geses­sen hätte.

Die ein­zig wirk­li­che Diskussion ent­zün­dete sich an dem Punkt der “geis­ti­gen Zurechnungsfähigkeit” von Politikern. Während Frieder-Otto Wolf den ver­ant­wort­li­chen Politikern kei­nen bösen Willen oder gar Dummheit unter­stellte, ver­wies Michael Schmidt-Salomon dar­auf, dass er im Zusammenhang mit der PID-Debatte den Eindruck gewann, dass etli­che der Entscheidungsträger tat­säch­lich keine Ahnung haben von dem, wor­über sie beschlie­ßen (er drückte das dras­ti­scher aus).

Etwas wei­ter gehend debat­tier­ten das Podium dann auch die Frage, ob Religionsunterricht – und auch welt­an­schau­li­cher Unterricht! – in Schulen noch ange­mes­sen ist. Hier zeigte sich die ein­zige Differenz zwi­schen der Auffassung der GBS und des HVD. Während Wolf die Meinung ver­trat, dass nur ein staat­lich über­wach­ter (?) Religionsunterricht ver­hin­dere, dass extre­mis­ti­sche Auffassungen die Oberhand gewin­nen – er ver­wies dabei auf die USA – lehnte Schmidt-Salomon jeg­li­chen Religionsunterricht als Bekenntnisunterricht strikt ab. Er plä­dierte für einen Ethikunterricht, der über die Religionen infor­miert ohne jedoch einer davon den Vorzug zu geben oder gar deren Glaubensinhalt als Schulunterricht ver­mit­telt.

Auf Fragen aus dem Publikum hin blickte Schmidt-Salomon posi­tiv in die Zukunft der säku­la­ren Szene. Vor zehn Jahren wäre undenk­bar, dass man die GBS oder den HVD bei ethi­schen oder welt­an­schau­li­chen Fragen gehört hätte. Heute hin­ge­gen sind diese – im Vergleich zu den Kirchen finan­zi­ell und per­so­nell bedeu­tend schlech­ter aus­ge­stat­te­ten – Organisationen aner­kann­ter  Teil der Gesellschaft. Davon hätte man vor zehn Jahren nicht zu träu­men gewagt.

Umso frag­wür­di­ger ist es, wenn sich diese Verbände in Einzelfragen strei­ten und sich von­ein­an­der abgren­zen anstatt mit­ein­an­der zu arbei­ten.

Nic

Fotos der Veranstaltung im EHBB-Blog

[Erstveröffentlichung: hpd]


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