Karlheinz Deschner: Von den Sünden der christlichen Kirche

CoverWohl kaum ein ande­rer Autor hat die dunk­len Kapitel der Kirchengeschichte so aus­ge­leuch­tet wie Karlheinz Deschner (89), der welt­weit zu den bedeu­tends­ten wie umstrit­tens­ten Kirchenkritikern zählt. Jetzt liegt der zehnte und letzte Band sei­ner groß­an­ge­leg­ten »Kriminalgeschichte des Christentums« vor. Sein Lebenswerk, die Arbeit von 40 Jahren.

von Werner Raupp

Zudem trat der aus Bamberg stam­mende und im unter­frän­ki­schen Hassfurt lebende Querdenker als Romancier und Aphoristiker her­vor. Sein lite­ra­ri­sches Werk umfasst mitt­ler­weile über fünf­zig Bücher, die in mehr als einer Million Exemplaren und in zwölf Sprachen Verbreitung fan­den. Dafür wurde er mit zahl­rei­chen Auszeichnungen deko­riert, unter ande­rem mit dem »International Humanist Award«. Schließlich ist er als Tierschützer bekannt gewor­den.

Mit mis­sio­na­ri­schem Eifer begann Deschner, ein Aufklärer und Asket vor dem Herrn, um 1970 mit sei­ner umfas­sen­den Abrechnung mit den Verbrechen der christ­li­chen Religion - ein­ge­bun­kert in einem Bücherturm und aus­ge­rüs­tet mit einer mecha­ni­schen Schreibmaschine, die er noch heute benutzt. 1971 stand er wegen »Kirchenbeschimpfung« vor Gericht.

Das Projekt der »Kriminalgeschichte« lief schon bald aus dem Ruder. Aus den abge­steck­ten 320 Seiten sind fast 6000 gewor­den, die er sich in ent­sa­gungs­vol­ler Arbeit Jahr für Jahr abge­run­gen hat. Der erste Band erschien erst 1986 und rief ein leb­haf­tes Echo her­vor.

1992 saßen Universitätstheologen, die ja noch immer unter kirch­li­cher Kontrolle ste­hen, in einer eigens anbe­raum­ten Tagung über ihn zu Gericht. Bis heute hat sich das stu­pende Mammutwerk 360.000 Mal ver­kauft.

Monströses Unheil

Von den grau­se­li­gen Erzählungen des Alten Testaments über die Alte Kirche zu den Kreuzzügen im Mittelalter; von der Inquisition und der Hexenjagd, vom »christ­li­chen Judenmorden« über die blut­trie­fende Conquista in Lateinamerika (»ame­ri­ka­ni­scher Holocaust«) bis zum »gräss­li­chen Gemetzel« des Dreißigjährigen Krieges spannt die »Kriminalgeschichte« einen immen­sen Bogen.

Dabei erschließt sie in jedem Band ein erschre­cken­des Panorama von Lug und Trug, Blut und Mord im Zeichen des Kreuzes; statt der ver­hei­ße­nen Heilsgeschichte die eines »mons­trö­sen Unheils«. Bisweilen ver­mag es jedoch die aus dem Nebel der Geschichte sel­ten auf­tau­chen­den Lichtblicke nicht immer genau zu erken­nen (wie etwa die durch­aus beach­tens­wer­ten diakonisch-sozialen Werke des Pietismus, der im spä­ten 17. Jahrhundert als pro­tes­tan­ti­sche Erneuerungsbewegung ent­steht).

Unheil wird auch im neuen Band ver­nehm­bar. Er berich­tet von »Königen von Gottes Gnaden« - etwa vom from­men Schwedenkönig Karl XII., der sich als alt­tes­ta­ment­li­cher Kriegsherr ver­stand und in sei­nen Kriege um 370.000 Menschen ver­schliss - wie auch vom Niedergang des Papsttums und der begin­nen­den Trennung von Staat und Kirche.

Auch darin bringt Deschner, oft mit­tels sar­kas­ti­schem Unterton und lei­den­schaft­li­cher Zwischenrufe, das zur Sprache, was die offi­zi­elle kirch­li­che Lesart noch immer geflis­sent­lich ver­harm­lost oder sogar ver­schweigt. Der huma­nis­ti­sche Autor erweist sich wie­derum als Anwalt der Millionen von Opfern, deren Namen aus den Geschichtsbüchern gelöscht wur­den. Er ist empört, wenn man das »him­mel­schrei­ende Unrecht der ›Heilsgeschichte‹ in lamm­fromme Sprüche ver­packt, in unver­schämte Lügen«.

Der letzte Band, der im Vergleich zu sei­nen Vorgängern zu kurz aus­ge­fal­len ist und man­che Lücken ent­hält (u. a. die grau­same Vertreibung der pro­tes­tan­ti­schen »Salzburger Exulanten«, 1731/1732), führt an die Schwelle des 19. Jahrhunderts. Die feh­len­den 200 Jahre sol­len gleich­sam durch die erwei­terte Neuausgabe von Deschners Werk »Die Politik der Päpste« (1982/1983 u. 1991) abge­deckt wer­den, der just vor eini­gen Tagen erschien.

Ein moder­ner Voltaire

Dem streit­ba­ren Kriminalhistoriker geht es nicht um eine aus­ge­klü­gelte Darstellung oder um brand­neue Forschungsergebnisse. Vielmehr schreibt er als ein moder­ner Voltaire, der daran Anstoß nimmt, dass das sich als Liebesreligion wäh­nende Christentum eine breite his­to­ri­sche Blutspur hin­ter­las­sen hat.

Er hat mit sei­ner in bril­lan­ter Sprache dicht erzähl­ten „Kriminalgeschichte« durch­aus ein alter­na­ti­ves Standardwerk geschaf­fen, das den Leser unge­schminkt hin­ter die Kulissen schauen lässt. Sie schließt mit den unver­söhn­li­chen Worten: »Das Christentum wurde der Antichrist. Jene Hölle, mit der es drohte: sie war es selbst!«

Werner Raupp

Karlheinz Deschner: Kriminalgeschichte des Christentums - Bd. 10: 18. Jh. u. Ausblick auf die Folgezeit. 320 S. Hardcover. Rowohlt Verlag. Reinbek bei Hamburg 2013. 22,95 Euro. ISBN 978-3-498-01331-8

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]

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