John Lanchester - Kapital

“Wir wollen, was ihr habt.”

Rezension – John Lanchester: Kapital

Leseprobe

Inhaltsangabe:

Auf den ersten Blick ist die Pepys Road im Londoner Süden eine Straße wie jede andere: Dort Leben alte Menschen, junge Familien, Hausfrauen, Bänker, dort gibt es einen kleinen Kiosk, dort gehen Handwerker und Lieferanten ein und aus und dort verrichten Politessen ihre Arbeit.

Auf dem zweiten Blick ist diese Straße doch nicht ganz so gewöhnlich: Die Häuser sind ein Vermögen wert, viele Bewohner gehören der gehobenen Mittelschicht an und jemand scheint sich genau daran zu stören, denn den Bewohnern werden Postkarten mit Fotos ihrer Häuser zugeschickt, auf denen immer derselbe Satz vermerkt ist: “Wir wollen, was ihr habt.”

Bewertung:

John Lanchester beschreibt das Leben genau jener Bewohner, deren Schicksal unweigerlich mit der Pepys Road verbunden ist. Ein Jahr lang begleitet der Leser diese Menschen, lernt sie und ihr Leben kennen, lernt Menschen lieben und hassen, fühlt Kummer, Trauer und Mitleid, schmunzelt und lacht über die Bewohner, oder schüttelt den Kopf über so viel vorgefundener Ignoranz und Egoismus.

Diese Gefühlsregungen und viele mehr sind alle in der Pepys Road und damit in diesem wunderbaren Roman zu finden. Selten habe ich einen Roman gelesen, der so voller Gefühl, Charme und leiser Ironie ist. Dabei ist das Konzept Lanchesters ganz einfach: die Darstellung gewöhnlicher Menschen mit gewöhnlichen Problemen, die so überall auf der Welt zu finden sind. Und doch ist es ganz so einfach nicht. Dieses Feingefühl, mit dem Lanchester die Schicksale der Figuren beschreibt,  ist der Schlüssel zu all der Emotionalität, die sich zwischen den Zeilen verbirgt.Dieser Roman ist zugleich eine Hommage und eine Kritik an das Leben und an unsere Gesellschaft. In Zeiten der Finanzkrise zeigen sich menschliche Abgründe, aber auch vergessene Traditionen.

Doch Kapital beinhaltet mehr. Die Bewohner der Pepys Road mögen zwar ihr eigenes Leben haben und sich über die anderen Bewohnern nur durch Tratsch und Klatsch oder durch zufällige Begegnungen ein Bild machen können, dennoch verbindet sie ein Element, welches zugleich den Rahmen für dieses Roman bietet: die zunächst harmlos erscheinenden und wenig beachtete Postkarten mit der Aufschrift “Wir wollen, was ihr habt” werden aufdringlicher, sodass sich die Polizei einschalten muss. Denn dem Übeltäter reichen diese fotographischen Postkarten bald nicht mehr aus. Und auch dieses Element binden Lanchester geschickt in seinen Roman ein, sodass es nicht nur einen Rahmenhandlung ist, sondern ein Bezugspunkt und ein roter Faden, an dem sich die Einzelschicksale entlangziehen.

Zu guter Letzt muss der angenehm geistvolle Sprachstil Lanchesters angesprochen werden. Die feine Ironie, die manchmal nur eine sanfte Stichelei ist, andererort aber durchaus sarkastische Züge annehmen kann, belebt den Roman. Durch sie wird der Facettenreichtum des Romans erst lebendig, sie trägt dazu bei, dass einzelne Figuren noch lange in Erinnerungen bleiben, sie ist es, die den Leser so manche (vielleicht sogar eigene) Verhaltensweise überdenken lässt, ohne dabei zu moralisieren oder ein unangeehmes Gefühl zu hinterlassen. Genau dieses macht Lanchesters Leistung aus: leise Kritik ohne gehobenen Zeigefinger.

Fazit:

Ein emotionaler und lebendiger Roman über das Leben, die Gesellschaft und nicht zuletzt über London. Ein Roman, der von Menschen erzählt, die in Erinnerung bleiben, ein Roman, mit bemerkenswertem Feingefühl für Ironie, kurz: ein äußerst lesenswerter Roman!

Daten:Rezension – John Lanchester: Kapital

John Lanchester: Kapital
Verlag: Klett-Cotta Verlag
ISBN: 978-3608939859
Seitenzahl: 682Erscheinungsdatum: 24. SOktober 2012
Originaltitel: Capital


Bewertung:

Rezension – John Lanchester: Kapital

Ich bedanke mich recht herzlich bei dem Klett-Cotta Verlag sowie beim Internetforum vorablesen.de für die Bereitstellung und Organisation der Rezensionsexemplare.

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Zusatzinformationen

Autor:

autor_portraitJohn Lanchester wurde 1967 in Hamburg geboren, wuchs im Fernen Osten auf und istheute Redakteur der “London Review of Books”, daneben arbeitet er für zahlreiche Zeitschriften, ist als Restaurantkritiker und Kolumnist tätig.

Weitere Informationen zum Autor finden sich hier.

Buchtrailer:

Quellenangaben:

Cover und Leseprobe – Klett-Cotta-Verlag,  Autorenbild – Coll McDonell

 


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