Johannes Maria Schwarz: Tagebuch eines Jerusalempilgers. Teil 1

Wolfgang Krisai: Ausrüstungsgegenstände aus dem Ersten Weltkrieg, Museo della guerra, Forte Tre Sassi, Italien. 2014. Bleistift.Im Klosterladen des Stiftes Heiligenkreuz entdeckte ich kürzlich diesen zweibändige Reisebericht des katholischen Priesters Johannes Maria Schwarz, kaufte ihn sofort und las nun den ersten Band mit größtem Interesse und Vergnügen.

Schwarz ist bzw. war Priester in Liechtenstein, wird von seinem Bischof für die Dauer der Pilgerreise ins Heilige Land aber vom Dienst freigestellt und von seiner Pfarre mit 30000 Schweizer Franken ausgestattet, die er unterwegs zu wohltätigen Zwecken ausgeben soll. (Welche Personen und Einrichtungen er unterstützt hat, steht auf S. 460.)

Allein und zu Fuß

Das wäre noch nicht so spektakulär und man könnte unmöglich zwei dicke Bände darüber schreiben. Doch Schwarz pilgert allein und zu Fuß, und zwar beileibe nicht auf der Direttissima nach Jerusalem, sondern er macht weite Umwege.

Seine Route führt von Liechtenstein über Tirol, Südbayern, Salzburg nach Wien, über Bratislava und West-Ost durch die Slowakei, die Ukraine, Rumänien, Moldawien, wieder die Ukraine, entlang der Ostküste der Halbinsel Krim nach Russland. Abchasien muss er meiden, daher quert er das Schwarze Meer per Schiff, durchwandert den Norden der Türkei, Georgien, Armenien und erreicht an der Grenze zwischen Armenien und dem Iran seinen östlichsten Punkt. Durch den Iran, die Türkei entlang der syrischen Grenze geht es bis nach Antiochia. Da sich in Syrien der Frieden nicht einstellen will, muss Schwarz per Flugzeug nach Amman weiterreisen und wandert von dort noch ans Tote, dann ans Rote Meer und schließlich auf israelischer Seite zurück nach Norden bis Jerusalem.

7937 km, 230 Tage

7937 Kilometer. Fußmarsch. Bei Wind und Wetter, Hitze und Schnee. 230 Tage ab dem 1. Mai 2013.

Gepäck auf einem „Carrix“, einer Art Nachzieh-Schubkarre. Sandalen an den Füßen. Orientierung per Google Maps und GPS. Quartier in billigen Unterkünften oder im Zelt.

„Unpolierte“ Tagebuchaufzeichnungen

Das Buch gibt die Tagebuchaufzeichnungen des Pilgers „möglichst roh und unpoliert“ wieder, das macht seinen Reiz aus. Schwarz nahm sich unterwegs zum Glück Zeit, ausführlich Tagebuch zu schreiben. Da wiederholt sich zwar manches, zum Beispiel die unzähligen Begegnungen mit Hunden, die nicht immer ungefährlich waren, doch dem Autor gelingt es, sogar das immer Gleiche abwechslungsreich darzustellen.

Eiserner Wille

Der Mann hat einen eisernen Willen, das ist natürlich Voraussetzung für so ein Unternehmen. Manchmal wird dieser Wille auf harte Proben gestellt, etwa wenn das Wetter saumäßig ist, wenn er vor lauter Lärm rund ums Nachtquartier kein Auge zugetan hat, wenn er viele Kilometer am Straßenrand dahintrotten muss und ihn die Lastwagen in den Straßengraben drängen oder wenn freundliche Gastgeber ihn drängen, doch länger bei ihnen zu bleiben.

Schwarz ist kein Neuling in Sachen Pilgern zu Fuß. Schon als junger Mann, erfährt man beiläufig, hat er eine Wanderung auf dem Jakobsweg gemacht. Das wäre ja noch nicht so ungewöhnlich; aber Schwarz machte das ohne Gepäck und ohne Geld. Die Jerusalem-Pilgerreise macht er mit Geld und Gepäck, doch sie ist trotzdem spannend.

Dank Smartphone machte er auch viele Fotos, die nun das Buch illustrieren. Außerdem gäbe es einen Dokumentarfilm, den er so nebenbei auch noch gedreht hat.

Am Sonntag wird gepredigt

Da Schwarz katholischer Priester – offenbar stark konservativer Ausrichtung – ist, kann er auch nicht umhin, einerseits immer wieder mit seinen Gesprächspartnern unterwegs Fragen von Glaube, Kirche und Religion zu erörtern, andererseits aber auch dem Leser ein wenig zu predigen: Er tut dies jeden Sonntag mit einer eingeschobenen Betrachtung über jeweils eine Fragestellung, wie sie von modernen Menschen an einen Priester herangetragen werden: über den Zölibat, ob Religion Privatsache sei, ob im Grunde nicht alle Religionen das Gleiche wollen oder gar seien, was es mit der Dreifaltigkeit auf sich habe, usw., usw.

Diese Predigten sind nett zu lesen, aber sie haben mich, offen gesagt, nicht so begeistert wie der eigentliche Reisebericht.

Solide Gestaltung

Schwarz hat sein Buch im Eigenverlag herausgebracht. Aber es wirkt in keiner Weise selbstgestrickt, enthält praktisch keine Fehler, hat ein lesefreundliches, klares Layout sowie Hardcover und Fadenheftung. Einziger Mangel: Für Bildbeschriftungen hat es nicht mehr gereicht. Das macht meistens nichts, verhindert jedoch, dass man zunächst einmal gemütlich die Fotos samt erklärenden Bildlegenden ansehen kann. Na ja, vielleicht doch keine so unkluge Entscheidung, denn sie zwingt zum Lesen…

Fazit: Tolles Buch! Freue mich schon auf dem zweiten Teil.

Johannes Maria Schwarz: Tagebuch eines Jerusalempilgers. Teil 1: Von Liechtenstein ins Heilige Land. 2., korr. Aufl., Eigenverlag, Heiligenkreuz, 2015. 463 Seiten.

Bild: Wolfgang Krisai: Ausrüstungsgegenstände aus dem Ersten Weltkrieg, Museo della guerra, Forte Tre Sassi, Italien. 2014. Bleistift. – Schwarz benützte zwar modernere Ausrüstungsgegenstände, die Strapazen ähnelten aber jenen, die die Soldaten im Ersten Weltkrieg zu bestehen hatten.


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