„Jetzt sei still!“ – Die Nacht in der ich mich vergaß

Vorab: ich bin nicht stolz auf meinen Ausbruch. Im Gegenteil. Ich schäme mich dafür…

Es ist mitten in der Nacht. Ich sitze mal wieder wippend auf der Matratzen und versuche Mini-Me zu beruhigen. Die fünfte Nacht in Folge, in der der Kleine schlecht schläft, schreit und weint. Jede 1-2 Stunden ist er wach und schreit. Aber anders als sonst. Ich kann ihm kaum helfen und schon gar nicht beruhigen. Alles was ihn sonst beruhigt hat, bringt gerade nichts. Außerdem darf ich  nicht von seiner Seite weichen. Egal ob tagsüber oder nachts, ich muss bei ihm sein. Er war schon immer ein absolutes Mama-Kind, aber derzeit ist es besonders stark. Ich darf nicht auf Toilette gehen und schon gar nicht in den Keller. Kochen ist auch schlecht. Alles andere aber auch. Seit Tagen habe ich keine freie Minute und sobald ich abends auf die Couch schleichen will fing das Geschrei wieder an.

Erst war es der Zahn der ihn störte.

Dann kam die Impfung. Dann wieder der Zahn und nun quälte ihn eine Erkältung. Seine Nase war zu und er röchelte und schnarchte ganz leise. Sobald er eingeschlafen war und ich ihn ablegen wollte, schreckte er schreiend aus dem Schlaf. Er lies sich so gut wie nicht beruhigen. Erst wenn ich aufstand, ihn wippend meine Brust gab und dabei sang, ging es langsam ein wenig besser.

Tagsüber war es das Gleiche.

Er war schlecht drauf, weinte viel und alles war doof. Es fing schon morgens beim Windeln wechseln an. Oftmals ein richtiger Kampf. Er wollte sich partout nicht die Windel wechseln lassen und wenn ich ihn eine Minute zu lang ohne Windel laufen ließ, pinkelte er mir entweder ins Bett oder auf den Boden. Vielleicht ärgerte ihn aber auch seine Verdauung, denn er kackte mindestens drei Mal am Vormittag. Und dann jedes Mal das gleiche Prozedere. Er schrie und ließ sich seine Hose nicht ausziehen. Er war schlecht gelaunt und weinte den ganzen Tag.

Dann ging es weiter an den Esstisch. Hier gab es das selbe Theater. Er machte sich steif und schrie wenn ich ihn in den Hochstuhl setzen wollte. Also versuchte ich ihn auf meinen Schoß zu setzen und ihn zu füttern. Aber Fehlanzeige.

Er wollte nichts essen.

Das wäre an sich ja kein Problem, wenn er mich wenigstens etwas essen ließ. Ich stille ihn noch so gut wie voll und brauche wirklich Energie für den Tag.

Aber nein, er wollte mich einfach nicht essen lassen. Er wollte viel lieber auf meinen Schoß. Dann runter, dann wieder hoch. Und wieder runter. Als ich ihn irgendwann einfach neben mich auf den Boden setzte war ihm das aber auch nicht recht. Irgendwann lief er aber dann doch ganz vergnügt unter dem Tisch herum. Aber auch nur kurz. Stille. Ich schaute nach warum es so still geworden war und was der kleine Mann da unten so trieb… Aha – er hatte unsere Plastiktischdecke im Mund und biss munter darauf herum. Als ich ihn von der Decke wegholen wollte, schmiss er sich nach hinten und schrie.

Nach gefühlt einer Stunde hatte ich ihn dann soweit das ich ihn kurz in seinen Hochstuhl setzen konnte. Aber auch nur kurz. Denn dann fing er an, sich auch hier nach hinten zu werfen, alle Sachen herunter zu schmeißen und zu weinen. So ging es die ganzen Tage weiter. Mal wurde mehr geweint, dann mal wieder mehr gebrüllt.

Und obwohl ich absolut kein Freund von Medikamenten bin, gab ich ihm etwas. Vergeblich. Denn irgendwie machte es denn Anschein, als bringe es rein gar nichts. Das einzige was half war die Natur. Deshalb waren wir in den letzten Tagen auch besonders oft und lange draußen. Doch sobald wir wieder in der Wohnung waren, war die schlechte Laune wieder da.

Und dann vergaß ich mich…

Es war wieder eine schreckliche Nacht. Er weinte viel. Aber nicht so wie sonst, sondern viel schmerzerfüllter und hilfloser. In einer Lautstärke, die ich so von ihm nicht kannte. Plötzlich konnte ich es nicht mehr hören. Die Schreie gingen mir durch Mark und Bein. Normalerweise nahm ich ihn sofort auf den Arm und versuchte ihn zu beruhigen, aber diesmal hatte ich keine Kraft. Ich ließ ihn schreien. Eine Sekunde, zwei Sekunden, drei Sekunden, vier Sekunden. Dann stand ich auf und stampfte wütend auf den Boden. Ich schreie: „Jetzt sei doch bitte still !! Ich kann nicht mehr !! Hör auf zu schreien !!“

Ich merkte wie meine Anspannung sofort abfiel. Ich wurde schlagartig ganz ruhig und begriff was ich da gerade getan hatte. Der Tritt auf den Boden hatte mich sprichwörtlich entladen. Meine Wut war draußen, aber durch so eine Art und Weise?

Mini-Me wurde plötzlich ganz still. Kein Schreien und kein Weinen erklang mehr den Raum. Nur mein Schrei hallte innerlich in mir nach. Ich nahm ihn sofort hoch, drückte ihn fest an mich und entschuldigte mich bei ihm. Ich fühlte mich schlecht. Dieses unschuldige kleine Wesen hatte Schmerzen und ich schrie voller Ermüdung, voller Überforderung und voller Respektlosigkeit. Ich kam mir so unglaublich schlecht vor. Ich hätte weinen können, doch mein Gewissen ließ mich erstarren…


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