Japan Deine Kinder

Japan Deine Kinder

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Wenn im Jahre 2022 die Fußball-Weltmeisterschaft in Japan ausgetragen wird, werden viele japanische Kinder das Spektakel auf dem Fernseher ihrer Leukämiestation verfolgen müssen. Wie die österreichische Umweltschutzorganisation Global 2000 berichtet, soll die 30 Km Evakuierungszone rund um den havarierten Katastrophenreaktor zum Ende dieses Monats aufgelöst werden. Dabei sind dort derzeit noch mindestens drei Kernschmelzen unter freiem Himmel im Gange.

Die Hauptleidtragenden dieser Entscheidung werden die dortigen Kinder sein. Unter normalen Bedingungen ist die hohe Zellteilungsrate von Kindern ein wichtiger Überlebensfaktor, da sich deren Gewebe bei Verletzungen schneller regeneriert. Durch die hohe Strahlenbelastung gerät dies den Kindern Japans nun zur Todesfalle, da die genetischen Schäden, verursacht durch die ionisierende Strahlung, ebenfalls vermehrt an die nachfolgenden Zellgenerationen weitergereicht werden.

Letzten veröffentlichten Messungen zufolge betrug die Strahlung (Ortsdosisleistung) zwischen Reaktorblock 1 und 2 mindestens 10 000 Milisievert, also 10 Sievert pro Stunde, weiter reichte die Skala der Messgeräte nicht. Ein absolut mörderischer Wert, bei dem Betroffene in nur einer Sekunde bereits die tolerierbare Maximaldosis eines gesamten Jahres aufnehmen. Krebserkrankungen sind bereits bei deutlich niedrigeren Dosen vorprogrammiert, wie beispielsweise in der Ortschaft Namie, etwa 24 Km entfernt vom Unglücksort gelegen. Dort wurden Strahlenwerte von 30 Mikrosievert pro Stunde (mS/h) gemessen. Die Bewohner dort nehmen alle dreieinhalb Stunde soviel Strahlung auf wie bei einer Röntgenuntersuchung von Brustkorb und Lungen. In Itate, dreissig Kilometer von den Kernschmelzen entfernt, beträgt der Wert immerhin noch 12 mS/h, also einer Lungenröntgen alle acht Stunden. Bei jeder noch so kleinen Röntgenuntersuchung bekommt der Patient zum Schutz eine schwere Bleischürze umgehängt, die freundliche Arzthelferin muss den Raum zu ihrer eigenen Sicherheit verlassen. Die Kinder in Nordjapan sind hingegen ohne den geringsten Schutz der tödlichen Strahlung ausgeliefert.

Die Grenzwerte für die Jahreshöchstdosis japanischer Kinder wurde stattdessen um das zwanzigfache erhöht auf 20 Millisievert pro Jahr. Dies entspricht dem Wert von Arbeitern in einem Kernkraftwerk. Erlaubt ist laut der europäischen Richtlinie 96/29/EURATOM und der deutschen sowie der schweizerischen Strahlenschutzverordnung (StrlSchV), lediglich ein Grenzwert von 1 Millisievert pro Jahr. Dieser wird seit Fukushima in manchen Teilen Süddeutschlands bereits um das zweifache überschritten, im restlichen Deutschland um etwa das 1,7fache. Zu Beginn der Katastrophe hatte die durchschnittliche Ortsdosisleistung in Deutschland dem Grenzwert von 1 Millisievert pro Jahr entsprochen, seitdem steigt die Radioaktivität auch bei uns kontinuierlich. Bisher sind die Werte bei uns um durchschnittlich 0,05 bis 0,09 mS/h angestiegen.

Immerhin besser als in Fukushima, wo Greenpeace Werte von bis zu 4 mS/h gemessen hatte, als etwa 20 mal soviel wie bei uns. Der Ort, ausgerechnet ein Kinderspielplatz. Die Verseuchung ist so hoch, dass die tolerierbare Jahresdosis bereit in wenigen Wochen von den Menschen dort aufgenommen wird. Schlimmer noch ist es in der Ortschaft Tsushima, etwa 35 Km vom Ort der Katastrophe entfernt. Dort wurden bis zu 100 mS/h gemessen. Die Jahreshöchstdosis nehmen die Betroffenen dort in nicht mal einem halben Tag auf. Hinzuzurechnen sind desweiteren all die radioaktiven Partikel, die durch direkten Hautkontakt, durch Einatmen oder durch die Nahrungsaufnahme in den Körper gelangen und noch viel verheerender wirken, als die Außenstrahlung. Eine Karte zeigt die enorme Strahlenbelastung, der weite Landstriche Nordjapans während der nächsten Jahrzehnte und Jahrhunderte ausgesetzt sein werden.

Ein großes Problem ist das kontaminierte Trinkwasser in den Präfekturen rund um Fukushima bis hin nach Tokio. Die Wasserversorgung der japanischen Hauptstadt und Metropole mit knapp 9 Mio Einwohnern speist sich aus Oberflächenwasser. Tiefe Grundwasserbrunnen würden wohl noch einige Jahre lang einwandfreies Wasser liefern, zumindest solange die Kernschmelzen sich noch nicht bis ins Grundwasser hinuntergefressen haben. Allerdings wird das tokioter Trinkwasser dem Fluss Tone, dem zweitlängsten Wasserlauf Japans entnommen, geklärt und gechlort, bevor es in die Wasserversorgung der Stadt eingespeist wird. Weitere Wasseressourcen entspringen den Flüssen Tama und Ara. Über Wind und Niederschläge gerieten radioaktives Jod 131 und Cäsium 137 in die Flüsse und somit ins Trinkwasser der Millionenmetropole. Der offizielle Wert, dem keinesfalls getraut werden darf, gibt bereits Ende März eine Strahlenbelastung des Wassers von 210 Bequerell pro Liter an. Babys und Kleinkinder, so der Ratschlag von Regierungssprecher Yukio Edano, sollte daher nur noch abgepacktes Wasser aus der Flasche trinken. Auch Speisebreis für Kinder dürfen nicht mehr mit Leitungswasser zubereitet werden. Zugleich herrscht auf der gesamten Insel Wassernotstand, da nicht ausreichend sauberes Trinkwasser für alle zur Verfügung steht.

Fukushima heißt ins Deutsche übersetzt soviel wie Glücksinsel. Durch den verantwortungslosen Umgang mit der Kerntechnik als auch der Reaktorkatastrophe kehrt sich dieser Begriff nun um zur Unglücksinsel, zur Krebsinsel. Nicht das Krebs in Japan unbekannt wäre. Seit 1981 ist Krebs die häufigste Todesursache in Japan. Aber wenn die Fußball WM 2026 ein Land weiter gezogen ist, werden viele der Kinder, die auf der Leukämiestation die vorangegangene WM verfolgten, bereits tot sein.



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