Interview mit Kai Wido Meyer (Jury)

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Interview mit Kai Wido Meyer (Jury)

Kai Wido Meyer ist selbst Filmemacher und Schauspieler. Auf dem Festival der Nationen sitzt er diesmal jedoch in der Jury und darf über andere Filme richten, aber anstatt seine Konkurrenz zu zerschmettern, setzt er lieber auf konstruktives Feedback.

Letztes Jahr war er immerhin selbst mit seinem Kurzfim Daheim Teilnehmer am Festival und weiß daher aus eigener Erfahrung, wie man sich als Filmemacher Feedback wünscht. Auch wenn er nicht immer alles sagt, was er sich denkt. Außer wenn er zu müde ist vom Vortag, da kann ihm dann schon mal was rausrutschen.

pressplay: Nach welchen Kriterien gehst du als Jurymitglied bei der Beurteilung eines Filmes vor?

Kai Wido Meyer: Sehr unterschiedlich. Meistens fällt mir zuerst, weil ich aus der Filmecke komme, das Technische auf. Es ist eigentlich sehr intuitiv erstmal, weil es ja so schnell gehen muss. Ich schreibe mir zuerst einmal alles auf, was mir irgendwie auffällt und überlege mir hinterher, wie ich das alles verpacke, damit das zusammenpasst. Ich merke, ich gehe oft auf technische Sachen ein. Wir haben hier ja sehr unterschiedliche Filme und wenn sowas ist wie Alles wird gut, wo technisch alles klar ist, dann geht es natürlich viel mehr um die Geschichte, weil es bei der Technik ohnehin nichts auszusetzen gibt. Also das wie etwas erzählt wird, interessiert mich halt auch immer mehr als das was erzählt wird.

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Wie unterscheidest du die „Amateurfilme“ mit den „Profifilmen“? Machst du da Unterschiede in der Beurteilung bzw. wie können sie miteinander im Wettbewerb konkurrieren?

Klar ist das nicht die gleiche Liga, schon alleine von den Produktionsbedingungen. Manche Amateurfilme machen das halt im Dachboden, ohne Geld, mit ihrer kleinen Kamera. Und die anderen sind mit 30.000 Euro oder weiß der Geier wieviel Budget von der Schule und kriegen das Equipment auch noch zur Verfügung gestellt. Das kann man mal überhaupt nicht vergleichen. Aber ich finde es zuerst einmal auf jeden Fall unterstützenswert Amateurfilme zu zeigen und denen einen Plattform zu bieten und wenn sie wollen auch Kritik und Hilfestellung zu geben, auch wenn man da natürlich immer etwas aufpassen muss. Es geht immer darum was will jemand erzählen, welche Möglichkeiten hat er und was kommt dann dabei raus. Das ist genau so, wie wenn ich mir Jurassic World anschaue, dann will ich unterhalten werden und dann vergleich ich den nicht zum Beispiel mit 12 Years a Slave. Also so funktioniert es letztlich auf der Schiene auch. Ich fand zum Beispiel den Film Patagoniens Küstenbewohner total super und da merkt man auch, dass die mit Herz bei der Sache sind und tolle Bilder gefunden haben und dann kann man den genauso mit drei Sternen bewerten, wie zum Beispiel einen Profifilm.

Aber wäre es dann für das Festival nicht sinnvoller, wenn sie zwei Kategorien machen? Also die beiden Filmarten strikt voneinander trennen?

Persönlich fände ich es sehr gut, wenn es strikt getrennt ist. Wenn man pro Block wirklich gleiche Kriterien anlegen kann. Weil ansonsten wird es unfair in der Behandlung und Besprechung  der Filme. Ich verstehe allerdings den Ansatz dieses Festivals, dass es eben aus der Amateurschiene kommt, die aber nicht alle als Amateure bezeichnet werden wollen und sie eine Plattform haben wollen, die nicht eine Niesche ist, sondern eigentlich gleichberechtigt behandelt werden wollen. Aber persönlich kann ich sagen, glaube ich würde es Sinn machen, das zu trennen.

Was sind deine bisherigen Highlights des Festivals? Filmisch und persönlich?

Filmisch auf jeden Fall der israelische Film Ten Buildings Away. Ich mochte den österreichischen Theaterfilm Unmensch sehr gerne. Bubble Blues auch und ganz speziell und persönlich auch Freedom & Independece. Großartiges Ding, experimentell und einfach geil, das gefällt mir sehr sehr gut. Victory Day natürlich auch ein starker Film. Und beeindruckend natürlich auch der Legofilm Ein ganz normaler Tag. Was dieser Junge da reingesteckt hat, an Arbeit, einfach großartig. Und persönlich also mal ganz klar die Atmosphäre. Die ist einfach super. Ich hab ja das Festival letztes Jahr als Filmschaffender erlebt und dieses Jahr als Jury, also das ist schon mal was ganz anderes. Als Jurymitglied würde ich auf jeden Fall sagen ein paar Blöcke streichen, gerne die Morgenblöcke (lacht). Auch deswegen, weil die abendlichen Parties einfach mit dazugehören. Die sind so schön, aber man kann sie nicht richtig genießen, weil man dann am nächsten Morgen schon wieder im Kino sitzt. Ich denke es würde für alle Beteiligten nützen, wenn man da etwas reduziert. Aber ansonsten ich mag diesen Charme von dem Festival unglaublich gern. Wenn ich irgendwie die Möglichkeit habe, komme ich jedes Jahr her.

Wie kann sich das Festival der Nationen deiner Ansicht nach mit anderen Festivals vergleichen?

Also das Festival ist schon einmal ganz speziell und hat daher auch einen ganz eigenen Charme. Es ist eben gerade nicht so professionell wie andere Festivals und viel macht auch der Festivalleiter aus. Es muss vielleicht in der Organisation etwas mehr getan werden, aber da braucht er auch mehr Hilfe. Ich bewundere die Familie, die das so komplett auf die Beine stellt und da würde ich mir natürlich wünschen, dass sie auch Geld dafür kriegen, dass sie hier ein bisschen entlastet werden. Aber da muss man auch aufpassen. Wenn hier versucht wird das super-professionell zu machen, dann würde der Charme verloren gehen und es wäre nicht mehr das gleiche Festival. Und ich glaube die Leute sehen das und spüren die Atmosphäre und kommen gerade deshalb auch immer wieder gerne her. Und natürlich das Besprechen der Filme live, nach jedem Block ist einfach … also ich kenn das von keinem anderen Festival. Es gibt zwar die Q&As, aber da machen die Filmemacher ja meist eher Werbung für ihren Film. Natürlich setzen sich die Filmemacher da auch der Möglichkeit aus bei der Diskussion zerlegt zu werden, aber ich denke die Diskussionen am Schluss sind ein großer Punkt und das muss auf jeden Fall so bleiben.

Weil du zerlegt gesagt hast, ich denke, dass es für Filmemacher oder prinzipiell für jeden, der künstlerisch tätig ist und damit auch an die Öffentlichkeit geht, wichtig ist Feedback zu bekommen, solange es konstruktiv ist. Es hilft einem ja besser zu werden.

Auf jeden Fall. Aber es gibt natürlich auch einige, die sich trotzdem schwer tun, damit umzugehen. Klar ist es ein Unterschied, ob du Amateurfilme machst oder das als Hobby betreibst und dich somit gar nicht so sehr in Konkurrenz siehst, dann hast du halt einen ganz anderen Zugang dazu und da muss dann natürlich auch das Feedback anders ausschauen. Und dadurch dass das Festival ja doch klein ist, gibt es im Nachhinein auch die Möglichkeit die Leute und auch die Juroren darauf anzusprechen. Also man findet sich hier ja auch wieder, im Gegensatz zu anderen Festivals wo man sich in der großen Masse gar nicht mehr findet.

Du hast ja selbst auch schon einen Kurzfilm gemacht. Was ist für dich, abgesehen von der Laufzeit, der große Unterschied zwischen Kurz- und Langfilm?

Logisch, dadurch, dass es kürzer ist, springt der Kurzfilm schneller ins Geschehen hinein und auch wieder hinaus. Das find ich halt doch auch die große Qualität. Es ist außerdem eine viel größere Spielwiese, weil man natürlich in der Dramaturgie bei einem Langfilm wirklich aufpassen muss und der Spannungsbogen ganz anders zu bauen ist. Mir gefällt oft an Kurzfilmen, wenn die wirklich direkt in die Situation hineingehen und wieder hinaus, ohne alles auszuerzählen, sondern auch Dinge offen lassen. Aber vor allen Dingen, und das sieht man hier auch extrem, die Bandbreite, die der Kurzfilm hat, ist einfach so viel größer als beim Langfilm. Weil bei einem Langfilm würde man sonst nach einer Viertelstunde ausschalten (lacht). Also es ist wirklich die Dramaturgie, die etwas ganz eigenes ist und wo man auch viel mehr machen und ausprobieren kann.

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Wie gut gelingt es dir objektive und subjektive Sichtweise zu trennen? Welche Tendenz hast du?

Ich weiß gar nicht, ob es die total objektive Sichtweise gibt. Da würde ich sagen, es ist immer subjektiv was man da sagt. Also man kann sicherlich, wenn man in einer Fernsehredaktion arbeitet, kann man natürlich gewisse Kriterien anlegen, die für eine bestimmte Zielgruppe gelten, das ja. Aber ich denke, wenn man Film beschreibt hat das immer auch was damit zu tun, was man mag und was nicht. Also das ist total subjektiv und ich bin hier auch total subjektiv. Ob ich aber alles subjektive sage oder nicht, das ist noch mal eine andere Frage.

Sagst du immer alles subjektive?

(Lacht) Nein. Ich sage nicht immer alles subjektive.

Wieso nicht?

Manchmal macht es einfach keinen Sinn. Manchmal ist es einfach so subjektiv, da würde es einfach nichts bringen. Sagen wir mal so, bei guten Filmen ist es einfach mal was nicht zu sagen. Da kann man sagen da ist alles gut gemacht, aber mir persönlich gefällts inhaltlich nicht. Da macht es keinen Sinn das zu sagen. Wenn ich das Gefühl habe ein Film ist so schlecht gemacht, dass ich da nichts dran finde, dann suche ich mir normalerweise einzelne Kritikpunkte, die ich anspreche, aber ich sag nicht einfach der Film ist scheiße oder sowas, was soll ich damit anfangen. Das bringt auch nichts. Also ich versuche schon konstruktiv zu bleiben. In den meisten Fällen, wenn ich nicht gerade total übermüdet bin (lacht) und mir mal was rausrutscht.

Ist das schon mal passiert.

Ja, das ist mir hier einmal passiert.

Wie unterscheidet sich das bei dir, letztes Jahr warst du Teilnehmer, dieses Jahr sitzt du in der Jury, wo du jetzt als Filmschaffender über andere Filmemacher „richtest“?

ich hatte am Anfang schon bedenken und musste mich da erst reinfinden. Als ich am Anfang am Podium saß, da dachte ich mir schon, was mach ich hier eigentlich? Das hat sich dann aber doch schnell geändert, weil die Aufgabe ist ja da. Ich könnte natürlich die ganze Zeit nichts sagen, aber man spricht ja auch als Filmschaffender untereinander und es ist da allen klar, dass es eine subjektive Meinung ist. Was ich mir aber schon gesagt und dann auch gemacht habe, die Regisseure und Regisseurinnen, die dieses Jahr da waren und mit denen ich letztes Jahr auch da war, über die sage ich nichts. Weil ich fand das irgendwie komisch, letztes Jahr bin ich mit ihnen am See spazieren gegangen und jetzt soll ich sie beurteilen, fand ich nicht gut.

Hast du selbst gerade Filmprojekte an denen du arbeitest?

Ich bereite gerade einen Kurzfilm vor, der wird im Sommer gedreht. Und ein Langfilm ist in Planung, ist gerade in der Drehbuchphase, aber da kann ich jetzt noch nicht viel sagen. Aber der Kurzfilm wird ja vielleicht nächstes Jahr auch wieder hier gezeigt.

Vielen Dank für das Interview.


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Autor

Marco Rauch

Aufgabenbereich selbst definiert als: Kinoplatzbesetzer. Findet den Ausspruch „So long and take it easy, because if you start taking things seriously, it is the end of you” (Kerouac) sehr ernst zu nehmend.


 
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