Interkultureller Dialogversuch, Teil VI

Für einmal nicht mit meiner Verwandtschaft aus Italien, sondern mit unserer Nachbarin, einer älteren Griechin, die ausser „Hallo“, „Tschüss“ und „Salat“ wohl kein Wort Deutsch spricht:

Ich bin im Garten am Jäten, unsere Nachbarin kommt an den Zaun und schaut mir zu. Sie zeigt strahlend auf mein Halbrundbeet und sagt ein Wort auf Griechisch, das keinerlei Ähnlichkeit mit einem mir bekannten Wort hat, von dem ich aber ziemlich sicher bin, dass es „Artischocken“ bedeuten muss, denn die wachsen dort, wo sie hinzeigt.

Ich: „Ja, Artischocken! Ich liebe sie.“ Meine irren Verrenkungen, die ich als Begleitung meiner Worte einsetze, sollen ihr zeigen, mit welchem Genuss ich die Dinger verspeise.

Nachbarin: Ergiesst einen griechischen Redeschwall über mich, gestikuliert dazu und sagt mir damit wohl, dass sie Artischocken auch wunderbar findet.

Ich gehe ein paar Schritte weiter, um ein paar lästige Neophyten auszureissen, die Nachbarin folgt mir und plaudert munter weiter. Da sie gerade bei einer frisch erblühten Rose steht, nehme ich an, dass sich ihr Geplauder inzwischen um Rosen dreht.

Ich: „Rosen sind wunderbar, nicht wahr? Ich kann nicht genug bekommen von ihnen.“

Nachbarin: Plaudert munter weiter und zeigt jetzt auf die Erbsen, die gerade erblüht sind. Ihr Tonfall lässt mich ahnen, dass die wissen will, ob es wirklich Erbsen sind, oder ob ich eine Banause bin, die lieber nur Wicken anpflanzt.

Ich: „Ja, das sind Erbsen. Auf der linken Seite eine alte, violette Sorte, rechts ebenfalls eine alte Sorte, aber sie sind früher reif und blühen weiss.“ Um sicher zu gehen, dass sie mich versteht, zeige ich ihr die Schoten, die bei der weiss blühenden Sorte bereits zu sehen sind.

Nachbarin: Strahlt über das ganze Gesicht, plaudert weiter und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie jetzt weiss, dass ich Erbsen gepflanzt habe, denn sie verwendet das eine Wort, das sie schon in ihrer Frage genannt hat, immer und immer wieder.

Wir gehen weiter, denn vorne an der Ecke hat es noch mehr Neophyten, die ich loswerden möchte. In der Nähe steht ein Fingerhut, der gerade seine ersten Blüten öffnet.

Nachbarin: Zeigt erst mit zornigem Blick auf den Fingerhut, dann schaut sie mich ganz besorgt an. Das Ganze natürlich von einem weiteren Redeschwall begleitet.

Ich: „Ja, ich weiss, Fingerhut ist giftig, aber keine Angst, die Kinder wissen das, sie werden sich also nicht daran vergreifen. Im Gegenteil, sie warnen mich jedes Mal, wenn ich die Pflanze nur schon anfasse.“

Ob sie wirklich auf die Giftigkeit der Blume hinweisen wollte und ob sie verstanden hat, dass ich verstanden habe, weiss ich nicht. Auf jeden Fall ist unser Gespräch jetzt erschöpft.

Ich: „Tschüss! Schönen Tag noch!“

Nachbarin: „Tschüss!“

Wie gut wir uns trotz unserer Sprachbarriere verstehen, zeigt sich ein paar Stunden später, als ich Zoowärter und Prinzchen im Nachbarhaus, wo auch Prinzchens bester Freund wohnt, abholen will. Als sie mich im Treppenhaus hört, ruft sie schnell den Vater von Prinzchens bestem Freund – ebenfalls ein Grieche – herbei. Die beiden unterhalten sich kurz, er fragt, ob wir Kürbis mögen, dann verschwindet sie in ihrer Wohnung. Augenblicke später kommt sie mit einem halben Kürbis zurück. „Sie hat die Samen drin gelassen. Für deinen Garten“, erklärt der Vater von Prinzchens bestem Freund und mir wird klar, dass zwei Menschen, die liebend gerne im Dreck wühlen, um ihr eigenes Gemüse zu ziehen, einander immer verstehen werden, egal, welche Sprache sie sprechen.

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