Inspirierende Individualisten: Marion Selzer im Gespräch zur Zuckersucht

Inspirierende Individualisten: Marion Selzer im Gespräch zur Zuckersucht

Marion hat mir vor einiger Zeit ihr Buch „Raus aus der Zuckerfalle. So schaffst du den Ausstieg aus der Zuckersucht" zugeschickt. Es hat ein bisschen gedauert bis ich es endlich lesen konnte. Als es aber schließlich soweit war, hat es mich ziemlich gefesselt und ich muss sagen es ist besonders gut recherchiert und sehr empfehlenswert. Vor allem für all jene die sich näher mit dem Thema Zucker beschäftigen wollen! Ich hab das Buch also zum Anlass genommen um Marion ein paar Fragen zu stellen. In zwei Teilen erwartet euch ein spannendes und vor allem sehr informatives Interview mit ihr. In Teil 1 spricht sie nicht nur über die Hintergründe einer Zuckersucht sondern erklärt warum auch Glukose suboptimal ist, welches Vitamin bei Zuckersüchtigen meist Mangelware ist und erläutert warum die Kombination aus Fett und Zucker eher bescheiden ist. Weil es so schön passt, wird es bald auch einige Erfahrungsberichte von Individualisten Lesern hier geben. Ich habe einigen von ihnen Fragen zu ihren Erfahrungen mit gesunder Ernährung, Zuckerentzug und Co gestellt. Auf diese Berichte freu ich mich besonders und es wird mit Sicherheit lesenswert und spannend für uns alle. Aber nun zu Marion und ihrem geballten Zucker-Wissen!

Wer bist du und wo ist deine Heimat?

Mein Name ist Marion Selzer und ich stamme gebürtig aus dem Saarland. Die letzten acht Jahre habe ich zusammen mit meinem Partner und unseren Hunden auf der kanarischen Insel La Palma verbracht. In den nächsten Tagen brechen wir von hier auf und reisen mit Sack und Pack aufs Festland, von dort aus fahren wir über Spanien, Frankreich zurück ins Saarland, wo wir die nächsten Wochen verbringen werden. Wie es dann weitergeht, ist noch offen.

Inspirierende Individualisten: Marion Selzer im Gespräch zur Zuckersucht Was sagst du, wenn dich jemand fragt, was du so tust?

Ist die Frage beruflich gemeint, würde ich antworten, dass ich schreibe. Als freiberufliche Autorin habe ich mir über die letzten Jahre ein ortsunabhängiges Einkommen generiert. Mein Hauptfokus gilt dabei dem etwas anderen Gesundheitsportal www.inspiriert-sein.de, das ich zusammen mit meinem Partner Jens Sprengel betreibe. Während wir zu Beginn unserer Laufbahn als Autoren noch für Auftraggeber geschrieben haben, können wir inzwischen von unseren eigenen Produkten (Büchern und digitale Produkte) leben.

Wie würdest du deine individuelle Ernährungsphilosophie beschreiben?

Meine individuelle Ernährungsphilosophie würde ich als flexibel beschreiben. Mein Kompass ist dabei mein Körpergefühl. Ich achte genau darauf, was mir bekommt und was nicht, daran richte ich meine Ernährung aus. Das führt immer wieder zu Veränderungen in meiner Ernährung. Ich bin der Meinung, dass es keine allgemeingültigen Ernährungsratschläge für jeden gibt und nur jeder für sich selbst herausfinden kann, was ihm zur Zeit gut tut und schmeckt. Generell achte ich auf eine Ernährung aus natürlich gewachsenen und möglichst frischen Nahrungsmitteln, meide Fertigprodukte aller Art und ernähre mich weitestgehend vegan und zuckerfrei.

Was war dein „AHA" Moment der dich in einen gesunden Esser verwandelt hat?

Einen einzigen Moment dieser Art hat es bei mir eigentlich nicht gegeben. Ich würde die Verwandlung meines Essverhaltens eher als einen wellenförmigen Prozess beschreiben, mal ging es drei Schritte nach vorne, dann wieder einen zurück und so weiter. Ich denke, dass Jens, mein Partner, einen großen Beitrag dazu geleistet hat, dass mein Interesse an gesunder Ernährung und ganz allgemein an Gesundheit geweckt wurde. Damals war ich Anfang 20, bis dahin lebte ich recht unbewusst, was diese Themen angeht.

Du hast das Buch „Raus aus der Zuckerfalle. So schaffst du den Ausstieg aus der Zuckersucht" geschrieben. Wie kam es dazu?

Dieses Buch ist aus meiner persönlichen Leidensgeschichte heraus entstanden. Eigentlich habe ich es für mich selbst geschrieben. Es ist das Buch, das ich mir immer gewünscht habe, als ich noch selbst in der Zuckerfalle gefangen war. Ich bin sozusagen mit Weißmehlprodukten und Süßigkeiten groß geworden und habe schon recht früh gemerkt, dass ich nicht einfach auf Schokolade und Co verzichten kann. Seit meiner Jugend kämpfe ich mit meiner Lust auf verarbeitete Kohlenhydrate und habe eine regelrechte Odyssee hinter mir. Hätte ich die Infos (bzgl. der richtigen Ernährung für Zuckersüchtige, der biochemischen und psychischen Aspekte hinter einem solchen Essverhalten usw.) aus meinem Buch schon damals gekannt, wäre mir einiges erspart geblieben und mein Weg aus der Zuckerfalle wäre sicher um einiges einfacher geworden. Für alle diehenigen, denen es ähnlich geht, wie mir damals, habe ich daher dieses Buch geschrieben.

Du sprichst in deinem Buch ganz klar das Problem unserer Gesellschaft mit Zucker an. Dabei verweist du auf Industriezucker der zu gleichen Teilen aus Trauben- und Fruchtzucker besteht. Für mich liegt das Problem vor allem am Fruchtzucker. Aber auch Traubenzucker ist nicht optimal für unsere Gesundheit. Kannst du kurz erläutern warum beide Einfachzucker gemieden werden sollen?

Wie Du richtig sagst, herkömmlicher Zucker besteht zu gleichen Teilen aus Traubenzucker (Glukose) und Fruchtzucker (Fruktose). Diese beiden Zucker werden jedoch völlig anders im Körper verstoffwechselt. Während Glukose in unser Blut strömt und den Blutzucker ansteigen lässt, wodurch die Insulinproduktion angeregt wird (Stichwort Diabetes), kann Fruktose nur von der Leber verstoffwechselt werden. Dabei entstehen aggressive Moleküle, sogenannte freie Radikale, die die Leberzellen angreifen und schädigen können, sowie Stoffe, die die Entstehung von Gicht und verschiedenen Krebsarten begünstigen. Zu viel Fruktose, vor allem in konzentrierter Form, ist ähnlich schädlich für unsere Leber wie Alkohol.

Weil Glukose von jeder unserer Zellen zu Energie verbrannt werden kann, gilt sie als weniger schädlich als Fruktose, die nur von ganz wenigen Zellen direkt als Energielieferant genutzt werden kann. Ein Übermaß an Fruchtzucker ist daher schnell erreicht und wird dann in Fettsäuren umgewandelt, die die Leber verfetten und sich als gefährliches Bauchfett um unsere Organe ablagern und die Insulinresistenz vorantreiben. Das macht Fruktose so gefährlich, obwohl sie nahezu keinen direkten Einfluss auf die Insulinproduktion hat.

Aber auch ein Übermaß an Glukose, vor allem in konzentrierter Form, ist alles andere als gesund. Dann bleibt der Blutzucker zu lange zu stark erhöht, das schädigt Blutgefäße und alle anderen Gewebe und führt zu sogenannten AGEs, das sind verzuckerte Proteinbestandteile, die das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöhen und den Alterungsprozess generell beschleunigen. Aus ständig erhöhten Blutzuckerwerten resultiert eine Insulinresistenz, die als ein entscheidender Risikofaktor für die Zuckerkrankheit Diabetes Typ 2, Leberverfettung und andere Stoffwechselstörungen gilt.

Prinzipiell kann unser Körper sowohl mit Glukose als auch Fruktose recht gut umgehen, sofern wir es mengenmäßig damit nicht übertreiben und die beiden Zucker über natürliche Nahrung zu uns nehmen. Diese liefert neben dem Zucker immer auch Ballaststoffe, die die Verdauung des Zuckers verlangsamwn, sowie Mineralstoffe, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe, die für die Verstoffwechselung von Trauben- und Fruchtzucker unbedingt benötigt werden. Essen wir hingegen Tag ein Tag aus stark verarbeitete zuckerhaltige Produkte wie Süßigkeiten, Weißmehlprodukte, Kuchen, trinken Säfte usw. überfordern wir unser System und riskieren unsere Gesundheit. Ein zu wenig an Bewegung begünstigt diese Prozesse.

Immer wieder betonst du in deinem Buch das Wort „Zuckersucht". Welche Kriterien gibt es um sich für die Kategorie „Süchtig nach Zucker" zu klassifizieren?

Erst mal vorweg. Der Begriff „Zuckersucht" ist ja nicht unumstritten. Es gibt auch heute immer noch Ärzte, Ernährungswissenschaftler und andere sogenannte Experten, die abstreiten, dass Zucker wirklich süchtig machen kann. Dabei gibt es inzwischen zahlreiche Untersuchungen an Mensch und Tier, die zeigen, dass Zucker die gleichen Bereiche im Gehirn stimulieren kann, wie Kokain oder Heroin. Ich finde es daher sehr schade, dass Zuckersucht immer noch so stark belächelt und damit nicht richtig ernst genommen wird. In meinem Buch zeige ich ja, dass die wissenschaftlichen Leitlinien für die Definition von Sucht auch auf Zucker bzw. Essen übertragbar sind. Dazu zählen folgende Punkte:

  • der starke Wunsch nach einem Verhalten oder einer Substanz (Craving/Suchtverlangen)
  • die Schwierigkeit, dem Drang danach Stand zu halten oder ihn zu mäßigen (Kontrollverlust)
  • Abstinenzunfähigkeit (man kann nicht mehr ohne, trotz negativer Folgen)
  • Gewöhnungseffekt bzw. Toleranzentwicklung (man braucht immer mehr und immer öfter)
  • Auftreten von Entzugssymptomen, wenn das Suchtmittel nicht zug­führt oder das Suchtverhalten nicht ausgeführt wird
  • negative Folgen für das soziale Leben (privat und/oder beruflich)

Den letzten Punkt würde ich auch als persönlichen Leidensdruck beschreiben. Ein in meinen Augen ganz wichtiger Faktor. Wenn ich jeden Tag eine große Portion Nudeln und eine Tafel Schokolade esse, ist das vielleicht nicht gesund, aber wenn ich mich wohl damit fühle und nicht unter meinem Essverhalten leide, würde ich nicht von Zuckersucht sprechen. Der subjektiv empfundene Leidensdruck ist für mich ein wesentlicher Faktor bei der Definition von Zuckersucht und anderen Süchten.

Ich selbst erinnere mich noch an meine abendlichen Ausflüge zur Tankstelle um mir meine Zuckerdosis zu holen. Du hast eine ähnliche Geschichte in deinem Buch, die verdeutlicht, was Zucker mit uns macht. Magst du diese mit uns teilen?

Solche Geschichten können wohl wirklich nur echte Zuckerjunkies berichten 😉 Ich hätte da so einige auf Lager, diese, die Du ansprichst, war folgendermaßen: Ich fuhr abends zur Tankstelle, um zu tanken und hatte den festen Entschluss, mir nichts Süßes dort zu kaufen. Wie das aber so ist, habe ich mich dann doch hinreißen lassen, Schokolade und Kekse einzupacken. Auf dem Weg nach Hause habe ich es mir noch einmal anders überlegt und die gerade erst gekauften Süßigkeiten einfach aus dem geöffneten Autofenster in einen Waldweg geworfen. Kurz darauf kam es zu Hause zu einem Streit zwischen meinem Freund und mir und ich bin gegen Mitternacht noch einmal an die besagte Stelle gefahren und habe die Süßigkeiten dann doch wieder eingesammelt, ich brauchte einfach etwas Nervennahrung. Ich hoffe, dass mich niemand beim Einsammeln der Süßigkeiten gesehen hat! Heute kann ich über solche Vorfälle aus der Vergangenheit lachen, weiß aber auch, wie unfrei es sich anfühlt, in der Zuckerfalle gefangen zu sein. Kein schönes Gefühl ...

Du sprichst in deinem Buch verstärkt von dem durch Zucker verursachten Mangel an dem Vitamin B1. Diesen Aspekt finde ich sehr spannend. Kannst du ein bisschen auf Zucker als Nährstoffräuber eingehen?

Zucker in Form des kristallinen Pulvers ist ja kein vollständiges Nahrungsmittel, sondern wird unter aufwändigen Prozessen aus dem Zuckerrohr oder der Zuckerrübe gewonnen. Was übrig bleibt sind die beiden Moleküle Trauben- und Fruchtzucker. Sämtliche Vitamine, Mineralien und Ballaststoffe, die im ursprünglichen Nahrungsmittel enthalten sind, sind also entfernt. Allerdings ist die Natur nicht dumm. Sie sorgt stets dafür, dass ein Nahrungsmittel genau die Stoffe liefert, die zu seiner Verdauung benötigt werden. Wenn wir nun raffinierten Zucker oder weißes Mehl zu uns nehmen, fehlen die Stoffe, die zur Verdauung nötig sind (unter anderem das Vitamin B1) und müssen vom Körper unter Verbrauch seiner Ressourcen selbst hergestellt oder aus seinen Nährstoffdepots entzogen werden. So entsteht ein Mangelzustand, der für viele körperliche Beschwerden verantwortlich ist. Zucker gilt als einer der größten Vitamin B1- und Kalziumräuber und provoziert so die Entstehung von Karies, Osteoporose und Stoffwechselstörungen.

Studien zeigen eindeutig, dass Zucker unserer Gesundheit schadet. Wie siehst du das mit der Kombination aus Fett und Zucker?

Es gibt in der Natur kaum ein Nahrungsmittel, das gleichzeitig große Mengen an Fett und Zucker enthält, eine mir bekannte Ausnahme ist die Tropenfrucht Durian. Das heißt, unser System ist dafür nicht geschaffen. Die Kombination aus Zucker und Fett, wie sie in fast allen Fertigprodukten aus dem Supermarkt enthalten ist, ist dabei besonders tückisch. Denn sowohl Fett als auch Zucker aktivieren unser Belohnungszentrum im Gehirn. Beide dieser Nährstoffe sind sehr energiereich, enthalten also jede Menge Kalorien, und das wird von diesem Teil unseres Gehirns als Überlebensvorteil interpretiert. Es reagiert daher auf den Verzehr von Fett oder Zucker mit einer großen Portion Glücksgefühle, die wir uns unter natürlichen Bedingungen erst „erarbeiten" müssten. In der Natur gibt es keine isolierten Fett- oder Zuckerquellen. Essen wir etwas, das zugleich verarbeitete Fette und raffinierten Zucker enthält, werden wir förmlich mit positiven Gefühlen überschüttet und dieser Rausch führt bei den meisten von uns dazu, dass wir immer mehr von diesen Speisen essen wollen. Ein Teufelskreis der Lust beginnt, den wir nur hinter uns lassen können, indem wir uns von diesen Kunstprodukten entwöhnen und die Biochemie unseres Gehirns wieder ins Gleichgewicht bringen.

Du zitierst einige spannende Studien in deinem Buch. Was ist die Studie die dich am meisten schockiert hat und die du immer wieder gerne zitierst um andere Menschen von einem Zuckerentzug zu überzeugen?

Ui, das ist eine schwierige Frage. Es gibt wirklich viele gute Studien, eine die ich besonders spannend finde, ist die von Professor Bruce Alexander. Seiner Meinung nach entsteht Sucht nur da, wo etwas kompensiert werden muss, wo also etwas fehlt. Er behauptet, es seien vor allem fehlende soziale Verbindungen, die uns in die Sucht treiben. Professor Alexander hat dazu bereits 1970 einen spannenden Versuch mit Ratten gemacht, indem er das ursprüngliche Experiment zur Suchtforschung etwas abwandelte. Ursprünglich wurden Laborratten einzeln in ihren Käfigen gehalten und es wurden ihnen zwei verschiedene Flüssigkeiten angeboten. Eine davon enthielt lediglich reines Wasser, die andere wurde mit Drogen angereichert. Dabei konnte beobachtet werden, dass die Ratten nur kurze Zeit nach Versuchsbeginn die präparierte Lösung bevorzugten. Daraus entstand die Erkenntnis, dass bestimmte Mittel eine süchtig machende Wirkung haben.

Was tat nun unser Professor? Er wandelte das Experiment folgendermaßen ab: Statt die Ratten einzeln zu halten, ließ er sie zusammen mit anderen Artgenossen in einem großen Gehege, um ihnen möglichst natürliche Umweltbedingungen zu bieten. Die Ergebnisse waren sensationell. Im Gegensatz zu den isoliert gehaltenen Ratten wurde keines der in der Gemeinschaft lebenden Tiere süchtig nach dem Drogenwasser. Alexanders These lautet daher: „In einem gesunden Umfeld machen Drogen nicht süchtig." (Quelle: www.brucekalexander.com/articles-speeches/277-rise-and-fall-of-the-official-view-of-addiction-6) Das finde ich so beeindruckend, weil diese Untersuchungen zeigen, dass Sucht kein natürliches Verhaltensmuster ist, sondern nur in einem kranken Umfeld zustande kommt. Betroffene sind also nicht einfach willensschwach und undiszipliniert, sondern leben in einem für sie nicht gesundem Umfeld. Das zeigt auch, dass man bei Süchten immer auch an psychischen Faktoren ansetzen sollte und es nichts bringt, sich allein auf den Verzicht einer Substanz zu konzentrieren oder Süchtigen Vorwürfe zu machen. Das finde ich persönlich sehr entlastend und Mut machend.


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