“Heute bin ich blond” von Marc Rothemund

© Universum/24 Bilder / Lisa Tomaschewsky ist die an Krebs erkrankte Sophie

© Universum/24 Bilder / Lisa Tomaschewsky ist die an Krebs erkrankte Sophie

Das Model Lisa Tomaschewsky ist gerade einmal 22 Jahre jung und bereits seit acht Jahren im Business. Für Firmen wie Elle und Tommy Hilfiger läuft sie über die Laufstege dieser Welt und lässt sich in Magazinen ablichten. Für Regisseur Marc Rothenfeld („Sophie Scholl“) schreitet sie glatzköpfig über den Flur eines steril-weißen Krankenhauses, lässt sich von anderen Patienten anstarren – ein etwas anderes Gefühl des Modelns. Tomaschewsky spielt Sophie, der Niederländerin Sophie van der Stap nachempfunden, die im Februar 2008 ihre Autobiographie „Heute bin ich blond: Das Mädchen mit den neun Perücken“ veröffentlichte und damit den Kampf gegen ihren Brustfellkrebs an die Öffentlichkeit brachte.

Sophie schildert ihr Leben dabei als partyreich und unbändig. Sie stürzt sich von Mann zu Mann, will ungezwungenen Sex und erfreut sich ihres Studiums, das sie aus purem Interesse verfolgt, nicht um damit später möglichst gute Jobchancen zu erhalten. Sophie möchte eben all ihre Freiheiten genießen. Doch genau diese werden ihr genommen, als bei ihr Krebs diagnostiziert wird. Auf einmal findet sie sich im tristen Krankenhausalltag zwischen Behandlungen und pessimistischen Mitpatienten wieder. Aber Sophie will sich diesem Leben nicht hingeben. Sie rebelliert. Mit unterschiedlichsten Perücken kleidet sie sich mal kühl erotisch, mal stark, dann wieder wie eine Partyqueen. Immer andere Haarfarben und Frisuren machen Sophie zu vielen unterschiedlichen Personen.

Sophie mit blonder Perücke

Sophie mit blonder Perücke

Und hierfür wird von der Hauptdarstellerin verlangt, ein starkes, einprägsames, immerzu aber auch variables Gesicht zu zeigen. Ein Gesicht, das mal das Drama, dann aber auch wieder diese immense Lebenslust widerzuspiegeln vermag, ohne sich dabei durch die vielen Perücken die eigene Mentalität, den eigenen Charakter stehlen zu lassen. Hier darf man Lisa Tomaschewsky Lob aussprechen. Sie entblättert sich aus ihren kleinen Fernsehrollen, von mehreren Auftritten in der Soap „Verbotene Liebe“ bis hin zu den Krimiserien „Küstenwache“ und „Polizeiruf 110“, zeigt ohne Scheu und Makel ihr Gesicht auf der großen Leinwand. Ihr gelingt genau das, was der Film auch leisten soll: Sie bleibt immer in der Rolle der Sophie. Diese Figur ist immer da, immer erkennbar, so wie sie sich von ihrem Freund Rob (David Rott) auf einem Foto festhalten lässt, noch mit langen brünetten Haaren, frech die Mittelfinger ausgestreckt, der Krebserkrankung hiermit den Kampf ansagend. Zeitgleich ist sie aber auch immer jemand anderes, lässt sich von dem Krebs nicht ihren Lebensmut nehmen, sondern erweitert diesen auf viele Persönlichkeiten, lebt gleich mehrere Leben. So ist Tomaschewsky nicht nur Sophie, sondern später auch noch Pam und Blondie, beides Blondinen, die Party-Gängerin Platina, die starke Sue, Oema, Stella, Bebe oder Lydia. Die vielen Namen sind eine große Herausforderung für eine Schauspielerin, aber Tomaschewsky gibt all diesen Rollenmustern ihr eigenes Leben, manchen mehr, manchen weniger.

Der schmale Grat den der Film zwischen Drama und Komödie sucht, gelingt dabei jedoch nur selten. Es gibt die traurigen Momente, wie wenn Sophie mit ihrer Mutter in der nächtlichen Küche der heimischen Wohnung sitzt, sie fragt ob sie manchmal Angst davor habe, dass der eigene, bereits bezwungene Brustkrebs zurückkehren könne? Dagegen steht der erste Besuch eines Perückenladens mit der besten Freundin Annabel (Karoline Teska), inszeniert wie ein ganz normaler Shopping Ausflug zweier Mädels. Sophie probiert die Perücken an wie Kleider, ihre Freundin gibt den Daumen nach oben oder nach unten. Hier geht es hauptsächlich um den Spaß den man zusammen noch haben kann. Diese Töne trifft „Heute bin ich blond“ nur zu selten, vergreift sich stattdessen in den Liebeleien zwischen Sophie und Rob, erzählt von Herzschmerz und Sexgelüsten, nicht aber von dem Umgang mit der Krebserkrankung, den Nebenerscheinungen, den körperlichen Strapazen einer Chemotherapie. Sophie fragt sich lieber, ob sie noch des Flirtens mächtig ist, verführt einen Hochschuldozenten, nur um ihn abends sitzen zu lassen, in ihrer Frage positiv bestätigt. Der Zuschauer wird es verstehen. Sophie will frei sein, Sophie will nicht, dass der Krebs ihr Leben verändert, will sich all das erhalten, was sie zuvor hatte. Das ist nachvollziehbar, in diesem Fall aber viel zu idealisiert dargestellt.

Sophie ohne Perücke

Sophie ohne Perücke

So hart nun also zu Beginn die Übermittlung der Diagnose von statten geht, so tränenreich das junge Mädchen in den Armen ihrer Eltern liegt und die Hoffnung auf ein normales Leben erst einmal verliert, so selten zeigt sich diese Verzweiflung im späteren Film. In vereinzelten Momenten, oftmals in Kombination mit Freunden und Familie, sieht man einen Schimmer des Dramas, nur um dann ganz schnell wieder über das ständige Weinen des Vaters lachen zu müssen, nicht etwa weil es lustig ist, sondern weil sich die Familienmitglieder im Film selbst so vehement auf diese Eigenart stürzen. Der leicht homosexuell angehauchte Krankenpfleger, der Sophie immer mit einem Faustgruß willkommen heißt, die biedere, ernste Schwester die ihre Tage damit verbringt, Sophie ein nahrhaftes Essen zuzubereiten und damit die Krankenhausköche der Entlassung nahe bringt, all das sind unwirkliche Spaßsegmente, die dem Ernst der Lage, so leicht er herüber gebracht werden soll, nicht gerecht werden. Sophie selbst geht nicht nur geistig, sondern auch körperlich stark durch ihre Therapie und die anschließende Bestrahlung. Nur einmal sieht man sie schwächeln, dann kann sie kaum aus dem Bett aufstehen, ihr Körper verlangt seinen Tribut für die vielen Medikamente und Behandlungsmethoden die er ertragen musste. Aber sie schafft auch diese Situation zu überwinden, zwingt sich in den Stand, verbittet sich die Hilfe ihrer Mutter.

Am Ende können dann auch die Perücken wieder beiseite gelegt werden. Die Stärke zahlt sich zumindest für Sophie aus, während der Zuschauer doch etwas vor den Kopf gestoßen wirken dürfte, wie schnell und gut dieses Persönchen offenbar ihre ernste Krankheit hinter sich bringen konnte. Die kurzen Haare, natürlich nachgewachsen, machen aus dem früheren Mädchen auf einmal eine ausgewachsene junge Frau, lassen sie weitaus erwachsener erscheinen als noch zu Beginn des Films. Vielleicht lässt sich dies dann auch auf Lisa Tomaschewsky übertragen, der Film hat sie reifen lassen, nun dürfte sie bereit sein sich aus dem Modellbusiness hinaus in die Welt des Films durchzuschlagen. Mit „Heute bin ich blond“ hat sie schauspielerisch einen starken Eintrag für ihre Vita hingelegt.

 


Heute bin ich blond_Hauptplakat

“Heute bin ich blond“


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