Glotze aus!? Medienkompetenz für Kinder

Medienkompetenz ist ein Wort, das wir inzwischen alle kennen. Wie schult man Medienkompetenz und wie halten wir persönlich das? Wir geben Einblicke in unser fernseharmes Leben und natürlich gibt es am Schluss auch Experten-Tipps: Was müssen wir unseren Kindern über den Umgang mit modernen Medien beibringen?

Medienkonsum muss individuell gestaltet werden

Der Umgang mit den Medien gehört für Kinder zum Alltag. Oft wird kommentiert, es solle nur nicht zu viel sein oder nicht zu früh starten. Fakt ist immerhin: Man muss sich selbst und auch die Kinder bewusst auf den Umgang vorbereiten. Wer sagt denn, dass die elterlichen Vorbilder immer einen wünschenswerten Umgang haben?

Die unseligen Frankfurter Plakate, welche Mütter vor einer Weile mahnten, brav den Nachwuchs im Blick zu haben und kein Smartphone auf Spielplätzen zu nutzen, waren ein Gipfel der Diskussion. Gut, dann dürften Mütter auch keine Zeitschrift, kein Buch und auch keine Gesprächspartnerin als Ablenkung akzeptieren – aber soweit wurde da wohl nicht gedacht.

Zumindest regten sie an, über die Vorbildfunktion nachzudenken. Und ja, früher nahm man im Wartezimmer die Zeitschrift, heute das kleine Kästchen, das mütterliche Tor in die Welt, von  der sie sich manchmal so abgeschnitten fühlt. Warten sorgt schnell für Smartphonekonsum und das ist sicher auch in Ordnung. Wenn die eigenen Kinder kopfüber am Klettergerüst hängen und um Hilfe rufen, dann bemerkt man das schon.

Wir sind ja bekanntermaßen (zumindest für jene, die schon länger hier bei uns mitlesen) ziemliche Nerds und mögen Technikkrams. Und gerade deshalb haben wir darüber nachgedacht, wie wir den Umgang gestalten wollen. In Maßen, ja klar, das sagt ja jeder. Ich handhabe das eher variabel. In den Ferien zum Beispiel hängen sie länger dran. Sie spielen Minecraft, hören Musik oder gucken Videos. Irgendwann kommandiere ich sie ab, wenn sie nicht schon selbst vorher aufgehört haben. Ich will, dass sie ein paar Mal den Overload erleben, den der Konsum bedeutet.

Ich habe früher mal so lange Tetris gespielt, dass ich im Supermarkt schon begann, mir automatisch vorzustellen, wie ich die das Paniermehl zwischen die Packungen mit den Klößen schiebe. Das machte mir dann etwas Angst und war ein Aha-Erlebnis.

Der Umgang mit den Medien gehört ebenso zu den mannigfaltigen pädagogischen Aufgaben, die eng an Selbstreflexion gekoppelt sind, wie eben auch das Thema Geld oder das Thema Freundschaftspflege. Oder um die Hundert andere.

Vier Individuen

Wir hier besprechen den Umgang je nach Alter und individueller Wirkung der Medien auf das einzelne Kind.

Medienkompetenz bis in den kleinen Zeh: Daddelnde Nummer 2 und 3

Medienkompetenz bis in den kleinen Zeh: Daddelnde Nummer 2 und 3 (ja, die Spiegeltüren hat Nummer 4 mit Schmierfingern dekoriert)

Nummer 1  (bald 13) schaltet innerlich ab und amüsiert sich zugleich, wenn sie sich Youtuber ansieht. Sie fühlt sich da irgendwie verstanden und abgeholt, weil sie für ihr Alter sehr reif ist und die Gesellschaft Erwachsener präferiert. Also darf sie das durchaus genießen. Zudem findet sie es toll, dass ich die ganzen Typen und Typinnen da nicht kenne und sie sich dadurch pubertär notwenig abgrenzen kann.

Sie hört gerne Musik über das Smartphone und auch das ist völlig in Ordnung für uns. Sobald sie kein Gerät in der Hand hat, ist sie ein (altersgemäß müdes) ausgeglichenes und aufmerksames Familienmitglied.

Nummer 2 (11) liebt Minecraft. Das spielt sie gerne mit einem weiter entfernt wohnenden Freund. Sie telefonieren dabei dann per Lautsprecher und gackern mächtig rum. Dies begrenze ich auf zwei Stunden – das Limit wird murrend hingenommen. (Auch aus dem Telefonhörer). Ansonsten chattet sie mit Freunden innerhalb der Gruppe ihrer Schulklasse und spielt Spielchen. Sie neigt dazu, müde und bräsig zu werden, wenn sie den Medienkonsum übertreibt.

Nummer 3 (8) war neulich mal krank und erlebte den ersten Medien-Overload. Sie glotzte pausenlos diese kreischigen Filme mit der Meerjungfrau, die von einem Hai (?) beschützt wird und die ein anderes Tier immer auffressen will.  Mamma mia, hat mich das genervt. Aber gut. Sie lag malade hernieder und nach drei Stunden hatte sie eine heiße Stirn. Aber nicht von Fieber  – sondern vor Anstrengung. Und das fand sie selber schrecklich. Seitdem achtet sie selber (meist) darauf, wie viel sie guckt.

Nummer 4 (1,5) guckt gerne Videos von Baggern auf YouTube (hey, die sind sehr meditativ!) und auch die Sendung mit der Maus – Themenschwerpunkt Bagger … Seine Aufmerksamkeitsspanne beträgt durchschnittlich circa vier Minuten. Vom Overload weit entfernt, daher darf er das gucken.

Die Glotze

Das Fernsehen hat für mich persönlich die erschreckendste Wirkung auf Kinder.

Wir kennen sie natürlich, die großen und kleinen Glotzzombies. Wir haben sie auch hier gehabt.

Bis vor zwei Jahren. Da haben wir die Glotze ausgeschaltet. Seitdem wird sie nur genutzt, wenn ab und an eine Spielkonsole läuft und sie den Bildschirm dafür darstellt.

Warum haben wir das so entschieden?

Weil sie so gut darin waren, hirnlose Werbe-Jingles zu singen und niemals antworteten, wenn man sie ansprach. Und weil sie nach dem Glotzen genau die fiesen, streitlustigen, Miesepeter waren, die ich erwartete. Während des Glotzens sahen sie aus wie Zombies. Sogar ihr sonst ausgelassenes Lachen klang wie das müde, geistlose Grunzen eines Untoten. Bah!

Trotz dieser Beobachtungen war dies nicht der Anlass, die Glotze fortan als Staubfänger zu benutzen. Schließlich gucken doch alle Kinder Fernsehen, ne? Da will man seine ja nicht ausgrenzen und so.)

Es ergab sich so. Ich erinnere mich, dass sie gerne nach der Schule beim Ansehen einer der Kinderkanäle abschalteten. Also innerlich. Komplett gehirnmäßig. Sie wurden zu den erwähnten Glotz-Zombies. Ich hatte dem TV gegenüber immer ein latent schlechtes Gefühl. Zwischendurch dudelten Werbepots und nach dem Ausschalten hatten sie plötzlich tausend Wünsche – alle gefüttert durch die TV-Werbung. Dauerte die Fernsehzeit zu lange, waren sie mies gelaunt und meckerten sich gegenseitig an.

Das letzte, was wir noch  zusammen im regulären TV guckten, waren die für mich nostalgischen Serien “She Ra” und “He-Man”. Die Kinder meinten irgendwann, die beiden Serien seien so viel ruhiger und nicht ganz so “dämlich” wie die anderen. Am nächsten Tag schalteten wir nicht mehr ein und am Tag darauf auch nicht. Ich habe es einfach gar nicht angesprochen und sie befassten sich mit etwas Anderem.

Und was gucken wir und die Kinder dann? 

Wir präferieren Streaming-Dienste wie Netflix, Watchever oder Amazon Instant. So haben wir ausgesuchte Unterhaltung und keine Werbeunterbrechungen. Okay, Watchever nennen wir wegen dauernder technischer Probleme zärtlich WatchNever und kündigen es häufig wieder.

Oder wir gucken auch einfach mal nix.

Nummer 1 und Nummer 2 sind mit bald 13 und 11 Jahren eh in einem Alter, in dem das Smartphone an der Handinnenfläche angewachsen ist – sie bilden eine Symbiose mit dem Teil und sind nur noch operativ zu trennen. Sie wissen nicht, wie man mit ihren Spielzeugen telefoniert und nutzen sie als etwas, das wir Dinosaurier Walkman nannten. Aber auch das schränke ich ein, was sie allerdings begrüßen, weil sie um das Suchtpotential wissen. Und ihnen ebenso von uns bewusst gemacht wurde, dass man manchmal eben von außen einen Hinweis annehmen kann und sollte, der einen unterstützt.

Einstiegsdroge: Das Baby Tablet

Einstiegsdroge: Das Baby Tablet

Vorbilder: Ein Bekenntnis

Ja, wir sind die Vorbilder unserer Kinder. Sie sehen nicht nur, welche Art von Beziehung wir Eltern miteinander führen, wie wir mit unseren Freunden umgehen und wie wir uns die Schuhe anziehen. Sondern auch, wie viel wir uns gegenseitig phubben oder wie oft wir uns das Tablet schnappen. Und das beobachten wir hier. Unter dem Stichwort “Horror-Techies” sitzen wir hier manchmal und machen genau das. Alle haben irgendein Gerät zur Hand: Ich tippe etwas auf dem Notebook, Mr. Essential surft auf dem iPad Mini, die Großen haben die Smartphones und Nummer 3 spielt ein Spiel auf dem anderen iPad. Nummer 4 schläft dann entweder oder wirft mit Plastikbaggern auf uns. Dann hören wir auf.

Genau dann, wenn uns die erste Baggerschaufel mit beinahe tödlicher Wucht trifft, merken wir wie zufällig, was wir gerade getan haben. Und es findet sich immer einer von uns, der dann sagt:

“Oh Mann, wir Eierköpfe.”

Ein anderer konstatiert dann: “Aber es ist gemütlich und zeitgemäß. Man muss ja nicht immer miteinander labern.”

Meine Ohren stimmen stöhnend zu, aber auf die zwei blutigen Dinger hört hier eh niemand.

Schließlich komme ich dann mit dem weisen Satz: “Es ist nichts so schlecht, als dass es nicht noch ein schlechtes Beispiel taugt” und die Bagger fliegen plötzlich alle in meinen Richtung.

Diese Momente gab es mal häufiger, inzwischen gibt es sie kaum noch. Auch wir Eltern mussten erst einmal lernen, mit den verlockenden Spielzeugen umzugehen. Ich nehme das Smartphone ab und zu in die Hand. Dies ist etwas häufiger geworden, seit ich ein schönes, neueres Apfelmodell habe, beobachte ich. Und wegen Schneewittchen, Ihr wisst schon, bin ich dem Apfel verpflichtet. Ich habe natürlich auch so einen Schneewittchen-Sticker vorne auf meinem Notebook. Aber gut, ich schweife ab.

Wir sind Vorbilder – auch ohne es zu merken. Ich erziehe meine Mädels beispielsweise zu gleichberechtigt denkenden Frauen – mal so als Beispiel. Und trotzdem sagte Nummer 3 mal irgendwann: “Der Dada ist der Chef. Weil der verdient das ganze Geld. Und du musst dauernd aufräumen und kriegst nix dafür.” Das saß, klar. Ich habe dann mit ihr gesprochen und sie erklärte mir die Auswirkungen des knallharten Kapitalismus auf sie als Beobachterin der modernen Frauenrolle. Wieder was dazugelernt. Der Dada, der putzt fast nie. Also sind Frauen für das Putzen da. Und er verdient mehr Geld. Also ist er der Ansager.

Habe das alles inzwischen natürlich korrigierend erläutert. Sie weiß nun, dass ihr Vater und ich gleichberechtigt entscheiden. ich die Ansagen mache.

Kinderstimmen zum Thema Medienkompetenz

Habe Nummer 1 bis 4 eingehend zum Thema Medienkompetenz befragt. Sie sagten ungefähr Folgendes:

Nummer 1: “Ich würde echt gern den ganzen Tag am Smartphone hängen und YoutTubeVideos von iBlabla gucken. Aber leider schlafe ich dauernd.”

Nummer 2: “Während ich über den Rechner ein Let’sPlay gucke und in der einen Hand das Smartphone für die Musikauswahl habe, hab ich glücklicher Weise noch eine Hand frei, um nebenher Manga-Figuren zu zeichnen.”

Nummer 3: “Ich BIN ein iPad!”

Nummer 4: “Babba gucke!”

Expertenrat

Es geht nicht darum, Kindern möglichst den Zugang zu den Medien zu verwehren oder einzuschränken, sondern ihnen Kompetenz also Können zu vermitteln.

Schon kleine Kinder interessieren sich brennend für die kleinen Geräte mit den bunten Bildern und lustigen Tönen – wir alle kennen das.

Experten raten, bestimmte Fähigkeiten zu vermitteln. Hierbei geht es um Folgendes:

  • Kinder sollen lernen, Werbung von anderen Inhalten zu unterscheiden
  • Es ist wichtig, den Kindern alles Notwendige über das Thema Sicherheit im Internet zu erklären
  • Der Umgang mit einem Touchscreen erfolgt meist intuitiv nach Beobachtung – auch dies gehört zum Bereich der Medienkompetenz
  • Das Kind sollte wissen, welche Funktionen Geräte wie Tablet, Notebook, PC und Co haben
  • Bei größeren Kindern ist es wichtig, sicherheitsrelevante Phänomene zu erklären: Kettenbriefe bewirken nicht den Tod eines Angehörigen und nein, wir verschicken keine Nacktfotos an jemanden. Nein, auch nicht, wenn wir glauben, ihn (oder sie) für immer zu lieben.
  • Wie gehe ich mit Cybermobbing um? Was genau ist das? Auch hier ist es wichtig, dass Eltern erklärend zur Seite stehen

Ich finde auch noch das hier wichtig:

  • Wie gehe ich mit einer Suchmaschine effizient um?
  • Wo genau finde ich Informationen, die ich brauche?
  • Wie kann ich das Internet als lehrreich erfahren?
  • Was genau bedeutet das hier: “Das Internet vergisst nichts”?
  • Wie verhalte ich mich in Chatrooms und wie schütze ich mich dort?

Kinder sind von kleinauf mit Medien umgeben.

Eigentlich gehören auch Zeitungen dazu – aber ich habe den Kindern bisher nie das Layout einer Tageszeitung erklärt. Obwohl ich als Dinosaurier dies in der Schule durchaus gelernt habe.

So gehört es zu den Aufgaben der neuen (unserer) Elterngeneration, die Kinder im Umgang mit den Medien zu schulen.

Ganz niedlich für etwas jüngere Kinder ist der Internet-Führerschein. Diesen findet man hier. Die Seite, auf der Kinder den Surfschein erwerben können bietet per E-Mail auch Expertenrat für die Kinder. Die Seite empfehle ich, weil sie uns selber gut gefiel – dafür sahne ich nicht ab. Mist, hätte ich mich mal vor diesem Artikel bei denen gemeldet :D

Wie läuft das bei Euch zuhause ab? Wird viel geglotzt oder wenig oder gar nicht? Hängen die Kinder an den Tablets und Konsolen? Sind sie internetfit?



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