[Gelesen] Sarah Kuttner–Wachstumsschmerz

Habt ihr diesen Beitrag von mir gelesen? Wenn ja, dann wisst ihr nun in etwa, was euch erwartet. Wenn nicht, dann lasst euch ebenso überraschen, wie mich das Buch überrascht hat.

Wachstumsschmerz

 

Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag
Seiten: 281
Preis: 9,99 Euro
Genre: Belletristik, Liebe, Identität, junge Erwachsene

 

 

 

KLAPPENTEXT “Wann ist denn nur alles so kompliziert geworden?” Luise und Flo sind ein Paar und beschließen, endlich erwachsen zu werden. Sie suchen eine Wohnung, ziehen zusammen, schaffen sich ein gemeinsames Bett an und tanzen zu Manfred Krug durch ihre neuen Zimmer. Doch nach kurzer Zeit stehen sie im Flur nebeneinander wie zwei an der Raststätte vergessene Kinder. Luise hat das Gefühl, nur Erwachsen zu spielen. Irgendwie ist dieses Leben falsch. Als ob jemand plötzlich alles verwandelt hätte, die Regeln geändert für das Leben, ab dreißig oder so.

ERWARTUNGEN Ich hab das Buch unter den anderen Mängelexemplaren in der Buchhandlung entdeckt. Ich wollte immer schon einmal ein Buch der Autorin lesen, jetzt war die Gelegenheit. Aber ich muss zugeben: den Klappentext hatte ich nicht gelesen. Als ich das Buch aufschlug, hatte ich eigentlich überhaupt keine Ahnung, worum es ging.

EINDRÜCKE Ich stand an der Bushaltestelle, als ich das Buch begann zu lesen. Ich war auf dem Weg zur Arbeit. Als der Bus kam, blickte ich ihn ungläubig an. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich erst wenige Seiten gelesen, aber ich konnte kaum glauben, was ich da in den Händen hielt.

Es war zunächst die Sprache, mit der Sarah Kuttner erzählt, die mich überrascht hat. Nicht, weil ich ihr das nicht zugetraut hätte (im Grunde habe ich mir überhaupt keine Gedanken darüber gemacht), sondern weil es so wenige zeitgenössische Autoren, meiner Meinung nach, gibt, die so dicht an der sprachlichen Realität schreiben können. Die Worte formen sich ganz alleine im Kopf, fließen ganz natürlich dahin und immer wieder hatte ich das Gefühl: Sarah Kuttner hat die Worte genau so aus meinem Kopf geklaut. Ehrlich: manche Sätze habe ich genau so schon gedacht, wie sie da vor mir standen. Kein Wunder also, dass ich ungläubig war, oder?

Die Handlung ist mit dem Klappentext im Grunde schon gut umrissen. Sehr viel Aktion gibt es nicht, denn es geht eigentlich mehr um die Gefühlswelt von Luise und Flo, die sich (weiter-)entwickelt. Dabei wird die Geschichte aus Luises Sicht erzählt, Flo lernt der Leser daher nur mit diesem Filter kennen.
Die beiden sind Anfang dreißig und seit einigen Jahren glücklich zusammen. Doch dann:

“Seit einem halben Jahr suchen Flo und ich eine Wohnung. Schon seit über einem Jahr tragen wir uns mit dem Gedanken zusammenzuziehen. Es ist für uns beide das erste Mal. Wir sind ziemlich spät dran, gemessen an unserem gleichaltrigen Freundeskreis. (…) Woher nehmen all diese Menschen nur die Sicherheit? Den Mut, einen so gewichtigen Schritt so dermaßen leichtfüßig zu gehen? (…) Wir haben immer allein gewohnt. Und dennoch schleicht sich bei mir das Gefühl ein, dass es Zeit ist. Ich bin keine zwanzig mehr, mir ist egal, dass andere Mütter auch schöne Söhne haben,  (…). Und nun sollte ich einen Schritt weitergehen. Mich entwickeln, wachsen. Die nächste Ebene. Frauenmagazinkram eben. Da ein Kind für Flo und mich grade überhaupt nicht in Frage kommt, bleibt nicht besonders viel Entwicklungsspielraum für unsere Beziehung, außer zusammenzuziehen.” (S. 15-16)

Damit beginnen bei den beiden die Schwierigkeiten, geprägt von dem vielen “man müsste, man sollte”. Aber bei Luise ist es nicht nur die Beziehung, die mit einem Mal schwieriger wird, auch ihr restliches Leben, ihr Beruf, wird von anderen kritisiert. Und immer stehen die Fragen im Raum: warum sollte man nicht mehr vom Leben wollen, wenn es doch so viele Möglichkeiten gibt? Warum sich mit dem zufrieden geben, was man hat, wenn man mehr haben könnte? Tja, warum?

Wie schon eingangs erwähnt: ich wusste nicht, worum es in diesem Roman geht. Dementsprechend fühlte ich mich dann doch ertappt. Ich stehe zwar nicht kurz davor mit meinem Freund zusammenzuziehen, aber glaubt mir: diese Fragen nach dem Mehr-wollen, Mehr-wollen-müssen und den Fragen, ob es das nun alles schon gewesen ist mit Ende zwanzig/Anfang dreißig, dass es womöglich nicht mehr viel Handlungsspielraum gibt, ja, die kenne ich alle. Die habe ich oft schon mit den besten Freunden und dem besten Mann diskutiert. Und ich kam zu ganz ähnlichen Antworten wie Luise.
Sarah Kuttner ist es auf (scheinbar) leichtfüßige Weise gelungen, den Geist der Anfang Dreißiger-Generation einzufangen, widerzuspiegeln und ohne mahnenden Zeigefinger darzustellen. Sie bietet auch keine eindeutige Lösung an. Das Ende des Romans ist zwiespältig und offen. Letztendlich kann jeder Leser das herauslesen, was er möchte. Das, was eben zu ihm am besten passt, das, was er will. Besser geht es nicht.

FAZIT Wachstumsschmerz ist definitiv eines meiner Jahreshighlights von 2014. So überraschend, einnehmend und aufwühlend – das hätte ich nicht erwartet. Ein Herzensbuch meinerseits. Ob ich es empfehlen würde, weiß ich nicht. Im Grunde schon, allerdings kann ich mir auch vorstellen, dass andere mit Kuttners Art zu Schreiben oder den Themen in dem Roman nichts anfangen können. Von mir bekommt es jedenfalls die volle Punktzahl und einen Ehrenplatz im Regal.

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