FSK – Freiwillige Selbstkontrolle ? (1)

Vielleicht habt ihr es bereits einige Male hier etwaigen Kritiken nachgelesen: manchmal pack ich mir bei der FSK (Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft) wirklich an den Kopf. Habe ich persönlich nicht nur bei Krieg der Götter oder Kung Fu Panda das Rating unglücklich gefunden. Aber die FSK kann noch mehr. Nämlich so richtig derbe auf die Kacke hauen!

Gerade eben bei den Fünf Filmfreunden gelesen: Kürzlich bewertet wurde der Film Romeos…anders als du denkst. Eine Indie-Produktion, die auch mir erst jetzt bekannt geworden ist. Beantragt wurde eine ab 12 Jahren-Bewertung, aber erhalten hat die Pro Fun Media GmbH sie nicht. Stattdessen gibt es das knüppeldicke ab 16 Jahren. Gut, kann man drüber streiten. Aber dies ist nicht der Punkt.
Im Film geht es um einen transsexuellen Jungen, der als Zivi nach Köln kommt (hach, welch Klischee…) und sich dort in einen anderen Jungen verliebt. Erzählt wird quasi, wie sich eine homosexuelle Liebe im Teenageralter entwickelt. Eine durchaus interessante, weil vor allem mutige Geschichte. So wirklich viele Menschen würden nicht ins Kino für diesen Film rennen, weil Homosexualität trotz aller Beteuerungen nicht in dieser Gesellschaft angekommen ist (siehe das Menschenverbindende Element Fußball). Auch wenn es mich persönlich nicht trifft, so finde ich diese Intoleranz in Deutschland dennoch wirklich zum Kotzen. Danke lieber Springer-Verlag, danke liebes Fernsehen – you made it!

Und die FSK haut mal gleich in dieselbe Kerbe. Ich will in keinster Weise auf dem Rating an sich rumhacken. Da gibt es weitaus schlimmeres. Aber die Urteilsbegründung haut einen toleranten Menschen echt aus den Socken. So viel Homophobie kennt man sonst nur von der Kirche. Ich werde euch den Begründungsteil einmal komplett zitieren und dann betreffende Stellen markieren (hier kommt ihr nochmal zum gesamten Dokument):

„[...] Der Film zeigt einen leidenden jungen Menschen, der auf seinem Weg der Geschlechtsumwandlung mit seinem Umfeld, mit Spott und Vorurteilen zu kämpfen hat. Damit behandelt der Film ein schwieriges Thema, welches für die Jüngsten der beantragten Altersgruppe, die sich in diesem Alter in ihrer sexuellen Orientierungsphase befinden, sehr belastbar sein könnte¹ . Das Thema selbst ist schon schwierig für 12- bis 13-Jährige und die Schilderung einer völlig einseitigen Welt von Homosexualität im Film könnte hier zu einer Desorientierung in der sexuellen Selbstfindung führen². Die explizite Darstellung von schwulen und lesbischen Jugendlichen und deren häufige Partnerwechsel können verwirrend auf junge Zuschauer wirken³, auch wenn der Film auf Bildebene nicht schamverletztend ist und niemanden diffamiert. Der Film spiegelt eine verzerrte Realität wider¹¹, die Kinder aufgrund keiner oder zu geringer Erfahrungen nicht erkennen können. Der Film bedient sich keiner zotigen Sprache und diskriminiert Homosexuelle nicht¹², so dass er für ältere Altersgruppen nicht als problematisch beurteilt wird. [...]„

So…dann wollen wir mal…

¹ – Viele Themen können in der „sexuellen Orientierungsphase“ sehr belastbar sein. Vor allem das verzerrte Bild, dass uns viele Rom-Coms präsentieren, kann auch in heterosexueller Form für Störungen sorgen. Nehmen wir das Fallbeispiel Meine erfundene Frau. Film ist freigegeben für JEDEN! Hier wird auf menschlicher Basis am Ende eine Szene explizit nicht gezeigt, die nicht nur dramaturgisch wichtig gewesen wäre, sondern den Kindern auch noch Werte vermittelt hätte. Dort muss der Charakter von Adam Sandler nämlich gestehen, dass er den gesamten Urlaub über eine Farce vorgespielt hat, um das Herz der Dame zu erobern. Diese Szene wird NICHT gezeigt, sondern nur im Nebensatz erwähnt und dann auch noch mit einem unrealistisch positiven Ausgang. Aber vielleicht glaubt man auch nur, dass Fünfjährige gar nicht so gut sprechen können, um den Sinn dieser Worte zu verstehen…

² – Desorientierung ist auch ein frei interpretierbares Wort, oder? Können sich dann die Kiddies nicht entscheiden, ob sie hetero oder homo werden? Bloss nicht dafür sorgen, dass sie den „falschen“ Weg gehen. Umgekehrt könnte auch ein Schuh draus werden: dieser Film kann bei der Orientierung helfen, gerade weil er, wie die FSK zugibt, nicht diffamierend und diskriminierend ist. Das Bild, das uns Medien und viele Filme von Homosexuellen geben ist einseitig – nur halt von der anderen, vorurteilsbehafteten Seite. Ein solcher Film könnte dabei jungen Teenagern helfen, ihren Weg zu finden, wenn sie nicht das große „böse“ Etwas in der Homo- und Transsexualität sehen, sondern die harte Realität. Dass auch sie Menschen sind. Dass auch das zum Leben dazugehört. Und dass man sich dessen nicht zu Schämen braucht.

³ – Die „häufigen Partnerwechsel“ sind ja wohl der Witz des Jahrhunderts. Sieht man sich mal an, wie sich die Menschen durch jede Soap durch jedes Bettchen vögeln, zur besten Sendezeit für Kinder, die gerade aus der Schule gekommen sind, kommt man nicht umhin hier einfach nur ein erweitertes Desorientierungsargument vor sich liegen zu sehen. „Verwirrend“ kann auch Inception sein, weil die Geschichte so unfassbar verschachtelt ist. Aber DER Film ist ja auch ab 12…

¹¹ – Verzerrte Realität?! WTF?! Die Begrifflichkeit „verzerrte Realität“ ist so unfassbar negativ angehaucht, dass man es schon nicht mehr als Versehen deklarieren kann. Vor allem, was ist daran verzerrt? Eine „verzerrte Realität“ zeigt ein Bild, das nicht mit unserer Wirklichkeit übereinstimmt. Übertragen wir das auf Homosexualität wäre das homosexuelle Pärchen das verzerrte Bild, dass aber nicht der Wirklichkeit entspricht. Ganz ehrlich, hier geht die Homophobie der FSK wirklich viel zu weit!

¹² – Der Film bedient sich keiner zottigen Sprache und diskriminiert Homosexuelle nicht. Ist das nicht gut? Wäre dadurch nicht der Lernfaktor für Heranwachsende höher? Solange man nicht ins Erotische oder Pornographische abdriftet, wäre an der Präsentation einer homosexuellen Liebe in keinster Weise etwas verwerflich. Die Beurteilung ist hier in dem Punkt einfach nicht konsequent. Auf der einen Seite ist Homosexualität so schlimm für die Wirklichkeit, aber der Film geht wenigstens freundlich damit um. Sorry liebe FSK, aber das bringt es doch echt nicht.

Mir ist beim Schreiben gerade noch ein Fallbeispiel eingefallen, was genauso dem „Tatbestand“ der möglichen „Desorientierung junger Teenager“ erfüllen mag. In Hangover 2 wird explizit der Sex mit einer Transsexuellen als Element einiger derber Zoten genommen. Die Prostituierten, die Ed Helms Charakter „vernascht“, ist eine Frau mit männlichem Geschlechtsorgan. Nicht nur, dass über diese Szene geredet wird. Dann könnte man noch Unachtsamkeit der hochverehrten FSK attestieren. Nein, die Transsexuellen werden auch noch von der Hüfte an abwärts nackt gezeigt! Das heißt im Klartext, der Zuschauer sieht eine Frau, die eindeutig aber auch Mann ist. Zwei Geschlechter in einer Person. Und dieser Film mit DIESER Szene ist AB 12 JAHREN FREIGEGEBEN! Welcher 12-Jährige wäre da nicht desorientiert?!

Über Bewertungen der FSK kann man streiten. Manches ist zu sanft, manches ist zu grob beurteilt. Es wird immer bei jedem Film kleine Ungereimtheiten geben, die man anders auslegen kann. Doch wenn ein Film so unglaublich zerrissen wird und dabei ein heikles Thema so eindeutig undifferenziert betrachtet wird, schrillen die Alarmglocken. Homosexualität gehört zur menschlichen Existenz dazu. Reiche Römer haben in der Antike sich Lustknaben gehalten. Es ist Teil unserer Gesellschaft. Sicher sollte unsere Jugend geschützt werden. Nur macht das bei den richtigen Gegnern oder gleichberechtigt für alle.


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