Fortsetzung: Die Süddeutsche und die Lügen zu den beabsichtigten SGB II–Änderungen

An und für sich war zu erwarten, dass der 2. Teil der SZ der sich mit den Wohnungen bzw. den Kosten der Unterkunft (KDU) nach § 22 SGB II befasst, ebenfalls fernab von der Wahrheit dargestellt wurde. In einem ersten Artikel wurde bereits auf die verbreiteten Halbwahrheiten und Lügen bzw. mangelnde Kompetenz der Autoren der SZ hingewiesen.

Die SZ schreibt in dem Artikel zu Wohnung folgendes:

“Das Arbeitsministerium will künftig auch vermeiden, dass Hartz-IV-Empfänger auf Grund von Sanktionen auf der Straße landen können. Die staatliche Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung werde "nicht mehr von den Sanktionen erfasst", schreiben Nahles’ Beamte.”

Zur Wahrheit gehört es, dass der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit längst die Anwendung von Sanktionen ausgesetzt hatte, die sich auf den Entzug der vollständigen (bei eigener Wohnung) oder teilweisen (Mitglied in einer Bedarfsgemeinschaft) KDU erstrecken.

Und das hatte die Bundesagentur für Arbeit nicht aus eigener Überzeugung veranlasst. Vielmehr wurden bei konkreten Sanktionen Proteste der Sozialanwälte, der Erwerbsloseninitiativen und anderer Sozialverbände laut, die auf die Verfassungswidrigkeit der “Sippenhaft” hingewiesen hatten, die im Sanktionsparagraphen § 31a SGB II verankert waren.

Es wurde mit den “Gesetzestexten” nicht nur gegen das Übermaßverbot grob verstoßen, die rechtswidrigen Vorschriften führten auch direkt zu einer grundgesetzwidrigen Sippenhaft, weil bei jungen Erwachsenen unter 25 Jahren die Eltern oder ein Elternteil normalerweise Mieter ist und auf diesem Sanktionsweg Mittel für den Erhalt der Wohnung entzogen wurden. Das führte dazu, dass “indirekt” das Existenzminimum bei Ernährung, der Beschaffung von Medikamenten und Hygieneartikeln usw. rechtswidrig eingeschränkt wurde, weil verständlicherweise jede Familie zunächst die Wohnung sichern wollte.

Wer jetzt die oben zitierte scheinbare Absicht der Ministerin Nahles liest, umschrieben von der SZ, der merkt schnell, wie verlogen die Darstellung ist, nur um die Bundesregierung, voran die ehemalige Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) zu schützen.

Das in dem SZ-Artikel sogar der Vorteil hervorgehoben wird, dass die Mitarbeiter der Behörden nicht mehr soviel rechnen müssen, wirkt wie eine Verhöhnung derjenigen, die zumindest anfangs der klar rechtswidrigen Vorgehensweise der Behörden bei buchstabengetreuer Umsetzung der Gesetzeslage betroffen waren. Erst nach den vielfachen Protesten der Fachkundigen, der eingeleiteten Gerichtsverfahren und der drohenden Urteile zu Lasten der Behörden setzte sich die Bundesanstalt für Arbeit für die Nichtanwendung der Sanktionskürzungen bezogen auf KDU ein.

Auch der Hinweis der SZ, dass sich das Ministerium für die Herausgabe von “Lebensmittelgutscheinen” bei Sanktionen einsetzt und daran festhalten will, ist geradezu eine Frechheit bezogen auf die Darstellung des Sachverhaltes.

Richtig ist vielmehr, dass bei Entzug der Leistungen nach § 20 SGB II (Regelbedarf) und § 21 SGB II (Mehrbedarf) der Staat nicht berechtigt ist, die Betroffenen “hungern” zu lassen, sozusagen Bestrafung in Form des Nahrungsentzuges, wurde bereits im ersten Artikel mit Hinweis auf die Urteilslage des BVerfG hingewiesen.

Insofern ist es geradezu eine Pflicht des Staates, über Lebensmittelgutscheine das Existenzminimum bezogen auf Nahrung sicherzustellen. Bei der SZ bleibt unerwähnt, dass sich Lebensmittelgutscheine nicht eignen, um beispielsweise benötigte Medikamente, für die der Betroffene selbst aufkommen muss, beispielsweise Schmerzmittel, zu beschaffen. Das ist den Behörden und dem Gesetzgeber seit Jahren bekannt. Der Sachverhalt wird einfach ignoriert. Damit bleibt festzuhalten, dass umfassende Sanktionen nach wie vor gegen das Übermaßverbot verstoßen, weil der Gesetzgeber bisher nicht bereit war, hierfür eine gesonderte Regel zu verfassen, die die Gesundheit der Betroffenen berücksichtigt.

Geradezu lachhaft ist der SZ-Hinweis auf die “Akzeptanzprobleme” bei Sanktionen. Übersehen wird geflissentlich, dass insgesamt rd. 50 % der anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren per Urteil oder Rückzug der Behörde zu Gunsten der Betroffenen entschieden werden. Das macht deutlich, dass in den Behörden alleine aus “Haushaltsgründen” Sanktionen forciert werden und nicht selten die Karriere von Mitarbeitern davon abhängt, ob erkennbar ausreichend sanktioniert wird. Manche Mitarbeiter mit Zeitarbeitsverträgen haben den Eindruck, dass ein Dauerarbeitsplatz nur erlangt werden kann, wenn besonders eifrig Sanktionen verhängt werden.

Auffällig ist, wie einseitig und tendenziös die SZ Meldeversäumnisse junger Erwachsener unter 25 Jahren beschreibt. Da wird sogar der Begriff der “Schwarzarbeit” bemüht. Richtig ist vielmehr, dass sich junge Erwachsene vor dem Teufelskreis prekärer Arbeitsverhältnisse fürchten, weil die Behörden kaum anderes anzubieten haben. Die Unternehmen haben sich auf die 1-Euro-Jobber, Leiharbeiter und Praktikanten und Saisonarbeiter (z.B Amazon) eingestellt. Sie denken gar nicht daran, Normalarbeitsplätze zu schaffen und jungen Leuten eine echte Chance anzubieten; der Shareholder-Value lässt grüßen. Hinzu kommt, dass der Bundesagentur für Arbeit Mittel in Milliardenhöhe von Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) gestrichen wurden, nur um die angestrebte Nullrunde bei der Neuverschuldung zu halten.

Und wer drei Meldetermine nicht wahrnimmt, der sendet häufig das Signal aus, dass er mit seinem CaseManager nicht zurechtkommt, anders als die SZ mutmaßt. Die CaseManager ihrerseits haben aufgrund der Streichorgie von Ausbildungsangeboten und Kursen häufig nur die Möglichkeit, Sklavenarbeit bzw. 1-Euro-Jobs anzubieten. Darin sehen nicht selten junge Erwachsene keine Möglichkeit, jemals in den ersten Arbeitsmarkt zu gelangen und sich eine eigenständige Existenz aufzubauen oder gar eine Familie zu gründen.

Die AGENDA 2010 wurde einst von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) als Erfolg anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos gefeiert; Schröder berichtete begeistert über den in der westlichen Welt größten Niedriglohnsektor! Dass diese Politik für die Situation auch junger Erwachsener verantwortlich ist, lässt sich nicht ernsthaft bestreiten. Es ist die Politik der Gier nach maximalen Gewinnen und Vermögensanhäufung die dazu geführt hat, dass die “soziale Marktwirtschaft” bis zur Unkenntlichkeit zerstört wurde.

Kein Wunder, dass angesichts der daraus resultierenden Verwerfungen am Arbeitsmarkt, den millionenfachen prekären Arbeitsverhältnissen, viele qualifizierte Arbeitnehmer und junge Erwachsene kaum eine Chance haben, jemals wieder Fuß im ersten Arbeitsmarkt zu fassen. Es ist diese Aussichtslosigkeit, die auch junge Erwachsene depressiv macht und von “Meldeterminen” abhält. Der neoliberale Zeitgeist macht krank.

Und wenn die SZ schreibt, dass bei mehreren Meldeverstößen offensichtlich keine Bedürftigkeit mehr gegeben ist, dann erinnert das erneut an das Propaganda-Ministerium unter Goebbels. Jedenfalls sind solche Äußerungen purer Zynismus, weil an und für sich jeder die Realität kennen sollte, zumindest die Verfasser solcher Artikel.



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