Filmkritik zu ‘Extrem laut & unglaublich nah’

Filmkritik zu ‘Extrem laut & unglaublich nah’

Bereits 2005 hat Schauspieler/Regisseur Liev Schreiber mit ‚Alles ist Erleuchtet‘ den Debütroman des amerikanischen Schriftstellers Jonathan Safran Foer verfilmt. Mit ‚Extrem laut & unglaublich nah‘ folgt nun der zweite Roman, in dem es um einen Jungen geht, der durch die Anschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center seinen Vater verliert. Unter der Regie des Briten Stephen Daldry (‚Der Vorleser‘, ‚Billy Elliot‘) entstand der für zwei Oscars nominierte Film mit Tom Hanks als Vaterfigur, Sandra Bullock, Max von Sydow (Nominierung als bester Nebendarsteller) und Jungschauspieler Thomas Horn in der Rolle des verwirrten Oskar Schell.

Dieser ist laut seiner Visitenkarte ein Erfinder, Goldschmied, Amateur-Entomologe, Frankophiler, Veganer, Origamist, Computer-Spezialist, Sammler und vieles mehr. Aber im Grunde ist Oskar nur eines: Ein neunjähriges Kind, das grenzenlos traurig ist. Denn bei den Terroranschlägen auf das World Trade Center hat er seinen Vater verloren. Beim Durchwühlen des Nachlasses seines Vaters findet Oskar einen Schlüssel. Daraufhin macht er sich heimlich auf die nicht ganz alltägliche Suche durch die fünf Stadtbezirke von New York um herauszufinden, welches Geheimnis dieser Schlüssel birgt. Bei seinen ungewöhnlichen Streifzügen begegnet er den unterschiedlichsten Menschen, die alle sehr persönliche Überlebensstrategien entwickelt haben. Seine Suche endet schließlich dort, wo sie begonnen hat. Doch die vielen liebevollen Begegnungen geben Oskar Halt und Trost, um das Geschehene zu verarbeiten.

Filmkritik zu ‘Extrem laut & unglaublich nah’

Max von Sydow & Thomas Horn

Immer wieder wird dem Zuschauer vor Augen geführt, welche innige Bindung zwischen Oskar und seinem Vater bestand. Durch Rückblicke, die zielgenau in der Handlung positioniert wurden, wird uns diese Tatsache niemals abhanden gehen. Es ist aber auch eine überemotionale Darstellung, für die Tom Hanks als Thomas Schell eine Idealbesetzung ist. Wir kaufen ihm gerne den liebenden, überfürsorglichen, verspielten und einfallsreichen Vater ab, dem die Beziehung zu seinem Sohn alles bedeutet. Dem entgegen sehen wir Sandra Bullock als überforderte, gebeutelte Mutter Linda Schell, die vor dem Tod ihres Mannes eine Randnotiz ist und hinterher selbst die Situation nicht im Griff zu haben scheint – zumindest bis der Film seine Auflösung erfährt. Hier wird auch erst der Punkt gesetzt, an dem Oskar zu seiner Mutter Vertrauen fasst. Vorher sind es viel mehr die fremden Menschen, die er besucht und von denen er Fotos macht, die ihm durch seine schwere Zeit helfen. Allen voran steht hier Max von Sydow, der zeitweise so etwas wie eine neue Vaterfigur, vielleicht auch eher Großvater-Figur, für Oskar wird.

Max von Sydow macht dabei auch den unterhaltsamsten Teil des Filmes aus. Als stummer Rentner, der mit Oskar über einen Notizblock kommuniziert, schafft der Altdarsteller durch seine bloße Mimik die Gefühlslage der Zuschauer und der Filmhandlung zu kontrollieren. Er möchte Oskar helfen, aber nicht immer so, wie es der Junge gerne hätte. Es entsteht oftmals ein Zwiespalt, aber die beiden raufen sich wieder zusammen. Diese Verbindung zueinander lässt das Gefühl aufkommen, dass Oskar in ihm erkennt, dass es andere Menschen gibt zu denen er Vertrauen fassen kann. Thomas Horn selbst steht Max von Sydow aber in Nichts nach. Als verschrobener Einzelgänger übermittelt er gekonnt seine Verzweiflung, seine Trauer und den Wahn, den er auslebt. In einer Szene schreit er seine Mutter an, weil er einfach nicht verstehen will, wieso das Grab seines Vaters leer ist, warum man ein Begräbnis macht, obwohl die Leiche gar nicht gefunden wurde. Seine Mutter – Sandra Bullock scheint inzwischen Gefallen an tragischen Rollen zu finden – versucht ihm zu erklären, dass sie den Geschehnissen hiermit ein Ende setzen wollte, spricht allerdings gegen eine Wand von Traurigkeit an, die sich in der Verwüstung der Küche auslebt.

Filmkritik zu ‘Extrem laut & unglaublich nah’

Tom Hanks & Sandra Bullock

Man wird sich allerdings des Öfteren fragen, warum dieses Kind von seiner Mutter noch nicht zum Psychiater geschickt worden ist. Immerhin leben sie in New York, wo jeder Zweite einen Seelenklempner aufsucht. Die Stadt spielt vor dem Hintergrund des Anschlages natürlich auch eine große Rolle und wo sonst wäre es möglich, dass ein Kind mit einer aufgesetzten Gasmaske in der U-Bahn nicht weiter auffällt. In jeder anderen Stadt hätten wir uns über dieses Bild gewundert, in New York kaufen wir dem Film diese Episode ohne Bedenken ab.

Die letzte halbe Stunde des Filmes entfernt sich schon fast von jedweder Handlung und zeigt in patriotischen Bildern die Stadt, die Trauermauer um den 11. September und wie für Oskar, seine Mutter und all die Menschen, die er besucht hat, zwar nicht alles gut, aber besser wird. Die Bildeinstellungen zeigen einen lächelnden Oskar vor der Skyline New Yorks ohne dem World Trade Center. Das Leben geht weiter, das soll hier wohl vermittelt werden. So schön der Film stellenweise inszeniert wurde, so gut die schauspielerischen Leistungen sind, so sehr man diesen Film mit Begeisterung in Empfang nehmen möchte, so sehr sind es doch diese letzten patriotischen Minuten – die geradezu zelebriert werden – die diese Stimmung hemmen. Somit wird ‚Extrem laut & unglaublich nah‘ zu einem Film gemacht, der ein Erinnerungsstück an die Ereignisse darstellt, aber ohne eigene filmische Nachricht daherkommt. Alles vorher Geschehene scheint nur auf diese letzte Ehrerbietung hinauszulaufen und kratzt damit erheblich an dem eigenen Qualitätsanspruch.

Denis Sasse

Filmkritik zu ‘Extrem laut & unglaublich nah’

‘Extrem laut & unglaublich nah‘

Originaltitel: Extremely Loud and Incredibly Close
Altersfreigabe: ab 12 Jahren
Produktionsland, Jahr: USA, 2011
Länge: ca. 129 Minuten
Regie: Stephen Daldry
Darsteller: Thomas Horn, Tom Hanks, Sandra Bullock, Zoe Caldwell, Max von Sydow, John Goodman, Viola Davis, Jeffrey Wright


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