Filmkritik: Alice im Wunderland (US 2010)

Filmplakat

Have I gone mad?

„Alice im Wunderland“ ist ein Paradebeispiel des Produzentenfilms, der Auftragsarbeit, denn obwohl sich kaum eine zweite literarische Vorlage dermaßen anbietet, von einem der größten Märchenerzähler unserer Zeit präsentiert zu werden, scheint Tim Burtons markante Handschrift nur in wenigen Momenten durch. Trotz eines durchaus vielversprechenden Anfangs und des wohl transportierten Gefühls einsamer Andersartigkeit verfällt der Plot kurz nach Betreten des Wunderlandes in dröge High-Fantasy. Lewis Carrolls wahnwitzig verdrehte Nonsense-Dialogie weicht konventionellem Prophezeihungsgeschwafel und aus der erfrischenden Unberechenbarkeit wird plötzlich dröge narrative Stringenz. Lediglich in raren Moment offenbart sich einem die typische burtoneske Verspieltheit, wenn ein lobenswert aufgelegter Johnny Depp von seinem berühmten Futterwacken-Tanz schwärmt oder sich ein abgehalfteter Hase und eine mit einer Nadel bewaffnete Maus gegenseitig wahllos mit Tee-Geschirr bewerfen – viel zu spärlich wird Carrolls kultivierter Wahnsinn in Disneys Popcorn-Großproduktion eingesetzt. Und dabei bietet diese nicht einmal die sonst die narrative Konservativität relativierenden Vorteile technischer Möglichkeiten: Obwohl sich der Plot von „Alice im Wunderland“ theoretisch wunderbar dafür eignen würde, haftet dem surrealen Zauberreich stets das unangenehme Gefühl schlecht emulierter Plastizität an. Diese sorgt letztlich dafür, dass Alice’ Ausflug von permanent registrierbaren Kulissen-Grenzen eingeengt wird, die schon beinahe ein bedrückendes Gefühl der Klaustrophobie aufkommen lassen. Der Detailgrad der Szenerie hält sich derweil in Grenzen, soll durch rasante Kameraschwenks kaschiert werden und erreicht letztendlich nie auch nur annähernd die atmosphärische Dichte vergleichbarer Filme.

Überdies kann er sich nicht entscheiden, ob die Darstellung seiner Figuren nun ironisiert oder ernsthaft geschehen soll, denn ständig beschleicht einen das Gefühl, als wären alle Charaktere im inneren Zwiespalt miteinander, so, wie es Burton womöglich selbst gewesen ist. Durch diese Inkonsequenz wird dem Zuschauer schlussendlich beinahe der letzte Boden unter den Füßen weggerissen, welchen bloß der vorhersehbare Helden-Plot noch mit letzter Kraft erhält. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass er trotz aller dramaturgischer Konservativität auf einfältige Schwarz-Weiß-Malerei verzichtet und all seine Bewohner als soziale Wesen offeriert, welche sichtlich unter den Streitigkeiten der politischen Machthaber leiden. Diese haben am Ende sogar für einen kurzen Augenblick die Möglichkeit der befreienden Revolution, nehmen für geordnete Strukturen allerdings Abhängigkeit und Unterwerfung in Kauf. Sozialpolitisch mag dies zwar wenig märchen- oder zauberhaft erscheinen, doch mit einem solch kleinlauten Ende durfte man beim Produzent Disney durchaus rechnen. Wenigstens in der vermeintlich realen Welt gelingt es Alice, sich zu emanzipieren und vollends zu entfalten. Das Bestehen von Abenteuern fungiert als erhellende Selbst-Therapierungen. Freilich ist das kein sonderlich innovatives Konzept, doch wenigstens gelingt es Burton, es halbwegs vergnüglich darzubieten, was in Anbetracht der künstlerischen Fesseln des Großkonzerns schon eine beachtliche Leistung ist.

Filmkritik: Alice im Wunderland (US 2010)5,5/10



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