Festival der verlorenen Kinder (2)

Weiter geht es mit dem zweiten Teil der Nachlese vom 29. Filmfest München.

Den Namen John Cameron Mitchell verbinden viele –wenn überhaupt– mit einem bestimmten Film: Short Bus (2006), einer gewitzten Komödie mit soft-pornografischen Anleihen und hörenswertem Soundtrack. Bereits dort bewies der Regisseur, dass ein Film, der gern in die Horizontale kippt, angereichert mit Humor, Dreistigkeit und ein wenig Melancholie für amüsante und pikante Momente sorgen kann.

Rabbit Hole (2010)

Mit Rabbit Hole traut er sich nun in die weniger freudigen Zwischenräume von Beziehungen. In dem Festivalfilm geht es um das Ehepaar Becca (Nicole Kidman) und Howie (Aaron Eckhart, bekannt aus The Dark Knight), das versucht, über den Tod des eigenen Kindes hinwegzukommen. Ihr Sohn Danny, so erfährt man, ist acht Monate zuvor hinter dem ausgebüchsten Familienhund her und auf die Straße gelaufen, wo er von einem benachbarten High-School Schüler überfahren wurde. Das Haus bleibt voller Erinnerungen. Wie werden Becca und Howie mit der Trauer fertig? Ziehen sie sich zurück oder teilen sie sich einander mit? Nehmen sie Hilfe von außen an? Und, viel wichtiger: Kann nach einer solchen Zäsur ein gemeinsames Leben noch funktionieren?

Eine Gruppentherapie scheint als Möglichkeit für die beiden bereits zum scheitern verurteilt. Zuflucht im Glauben kommt für Becca nicht in Frage und selbst ihre Mutter (großartig: Dianne Wiest) kann mit den ewigen Vergleichen (auch sie hat einen Sohn verloren, allerdings an eine Überdosis Drogen) eher Ärger anstelle von Trost spenden. Nun ist Beccas jüngere Schwester zudem schwanger, was für zusätzliches Gefühlschaos sorgt. Während Howie sich an das eingefangene Lachen seines Sohnes auf dem iPhone klammert, sucht Becca den Kontakt zu Jason (Miles Teller), dem Jugendlichen, der ihren Sohn umgefahren hat. Dieser zeigt ihr eines Tages ein Comic: Rabbit Hole. Es handelt von schwarzen Löchern und Paralleluniversen. Vielleicht also gibt es, so Becca, irgendwo eine glückliche Version ihrer selbst, zu einer anderen Zeit in einem anderen Universum. Nun klingt diese Story ziemlich traurig und das ist sie auch. Doch Cameron Mitchell schafft es, kitschfrei und einfühlsam zugleich, Schmerz und Trauer unverhofft mit Momenten lauten Auflachens zu mischen. Und das ist sicherlich ein Zeichen von Reife und Können. Wenn Nicole Kidman von Botox-Eingriffen abgelassen hätte, könnte man in ihrer Mimik mehr als einen Funken von dem erkennen, was sie eigentlich leisten könnte.

Rabbit Hole (2010) basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von David Lindsay-Abaire, das man als pdf-Datei runterladen kann. Den Trailer findet ihr hier.

Corman's World (2011)

Kommen wir nun zu einem gar nicht mal so verlorenen Kind: Roger Corman. Mag sein, dass man ihn als verlorenes Kind Hollywoods bezeichnen kann – Alex Stepletons Dokumentarfilm Corman’s World-Exploits of a Hollywood Rebel (2011) beweist eigentlich das genaue Gegenteil. So manch einer seiner Filme wurde mit Mini-Budget und in einem Zeitraum von zwei Tagen abgedreht. Von vielen verlacht von einigen belächelt und mit dem B für B-Movies beklebt, kann man in Cormans World das Werk und Schaffen eines der beeindruckendsten Independent-Filmemacher verfolgen. Der kurzweilige Film gibt nicht nur Einblicke in Cormans filmische Umwelt, sondern auch in seine politische, die in den 60ern und 70ern besonders stark brodelte.

Auch die weniger schmackhaften Seiten der Filmwelt werden nicht ausgelassen. So erfährt man, dass Corman, als er es wagte 1962 mit seinem Film The Intruder klar Stellung gegen Rassismus und Segregation zu beziehen, prompt von der reaktionären Filmwirtschaft gerügt und wieder zurück in die Trash-Nische gedrängt wurde. Der Meister des Low-Budget wird von Stapleton und einigen aussagekräftigen Talking Heads wie David Carradine, Peter Bogdanovich und einem zuweilen sogar rührseligen Jack Nicholson facetten- und anekdotenreich portraitiert. Dass Trash und Arthausfilm durchaus eine Freundschaft eingehen können, bewies Corman als einer der ersten, die in den USA die Distribution von Bergmann und Fellini in die Wege leiteten.

Von den trashigen Anfängen bis zur nicht minder trashigen Gegenwart zieht uns Alex Stepleton mit in die Welt eines Filmemachers, durch dessen Schule Martin Scorsese, Robert De Niro, Francis Ford Coppola, Ron Howard und viele weitere gegangen sind. In dieser Schule lernten sie, wie mit wenig Geld, Zeit und meistens ohne Drehgenehmigung inspirierende Ikonen wie beispielsweise Attack of the Crab Monsters (1957) oder Man with the X-Ray Eyes (1963) entstehen konnten. Erst 2010 wurde Roger Corman mit dem Ehren-Oscar für sein Lebenswerk ausgezeichnet und somit an die stiefmütterliche Brust von Mutter Hollywood zurückgeholt. Für den Trailer bitte hier entlang.

Als ein weiteres enfant perdu könnte man Kim Ki-Duk bezeichnen. Nach einer schweren Depression und drei Jahren Regieabstinenz kehrt der einst enorm gefeierte, südkoreanische Vorzeigefilmer mit Arirang (2011) – einem schonungslosen Selbstportrait – zurück auf die große Leinwand. Zurückgezogen in einem Zelt, das sich in einer Hütte auf einem Berg befindet, lebt er in völliger Abgeschiedenheit von der Außenwelt. Ausschlaggebend für seinen Rückzug war ein einschneidendes Erlebnis am Filmset seines letzten Films Dream (2008),wo eine Selbstmord-Szene für die Hauptdarstellerin beinahe tödlich endete. Die ersten 15 Minuten des Films widmen sich seinem monotonen Tagesaublauf, der aus Aufstehen, Essen und Schlafen besteht. Dann beginnt Kim Ki-Duk zu sprechen und aus der anfänglichen Anamnese wird – im Angesicht der Kamera – eine Form der Therapie. Diese mündet in eine kompromisslose Abrechnung mit der Welt des Films und allen, die an ihr beteiligt sind. Dabei spielt der Filmemacher mit unterschiedlichen Mitteln: Er nimmt verschiedene Perspektiven ein, spielt mit den Genres, interviewt sich selbst oder lässt sich von seinem Schatten beraten. Eindringliche Bilder verweisen auf die Konflikte eine Menschen, der nach 15 Filmen einfach so aufhörte das zu machen, wofür ihn sein Publikum liebte: Filme. Und immer wieder singt Kim Ki-Duk mit einer Larmoyanz, die man ihm irgendwie verzeiht, das koreanische Volkslied Arirang. Den Trailer gibt es hier.


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