Es ist der Zucker, stupid!

Wir wollen alle nur das Beste für unsere Kinder – ganz besonders, wenn es ums Essen und Trinken geht. Zumindest nach bestem Wissen, Gewissen und dem was unser Geldbeutel erlaubt.

Dass Cola, Fanta, Fertigkakao & Co. ungesund viel Zucker enthalten, dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben. Foodwatch haben in einer Marktstudie Erfrischungsgetränke auf ihren Zuckergehalt untersucht und dabei herausgefunden, dass 59 % aller untersuchten Getränke mit mehr als 5 % Zuckeranteil überzuckert gewesen seien. Erschreckend aber wenig überraschend.

Sicher ist auch bekannt, dass Ketchup noch brutaler ist: ein Esslöffel Ketchup enthält bis zu einen Teelöffel freien Zucker. Schon weniger verbreitet ist vermutlich die Erkenntniss, dass auch Frühstückscerealien nur so vor süße strotzen. In der Regel enthalten diese 25 bis 35 % und in Ausnahmen bis zu 50 % freien Zucker. Ganz schön happig für einen gesunden Start in den Tag.

Und dann gibt es Lebensmittel, denen man den enthaltenen freien Zucker nicht „ansieht“. Eben nicht die üblichen Verdächtigen wie Tütensuppen oder -soßen, Nuss-Nougat-Creme, Schokolade oder Currywurst. „Zuckersüß“ scheint heute eine Eigenschaft für so ziemlich alles zu sein, was mal eine Industriemaschine gesehen hat. Und hier beginnen meine Probleme.

Erbsen und Mais sind Töchterchens Manna

Unser Kind verspeist Unmengen Erbsen. Im Sommer hat sie die Sträucher in Opas Garten geplündert und Erbsen im Dutzend verschlungen. Sie liebt aber auch Dosenerbsen, ganz besonders die mit den feinen Möhrchen. Und Mais sowohl vom gekochten Kolben geknabbert als auch aus der Dose gelöffelt. Sie verputzt zum Abendessen schon mal den Inhalt einer kleinen Dose Erbsen oder Mais.

Nun – die Dosenerbsen haben einen Zuckeranteil von 1,7 %, die Erbsen mit den jungen Möhren 3,8 % und der Mais 5,2 %. Für alle gilt: sie wurden künstlich nachgesüßt. Mir ist klar, dass man die Zahlen relativ betrachten muss, da alle diese Produkte von Natur aus Zucker enthalten. Aber ich als Verbraucher erfahre weder, wieviel der enthaltenen Süße natürlich ist oder künstlich hinzugegeben wurde, noch erfahre ich mit welcher Art Zucker nachgesüßt wurde.

Dabei wären genau diese Angaben für uns als „Ernährer“ und Verbraucher sehr wichtig.

Freie vs. natürliche Zucker

Die WHO empfiehlt in der aktuellen Version ihrer Richtlinie „Sugars intake for adults and children“ vom 4. März 2015 den täglichen Konsum freien Zuckers auf 10 % der benötigten Energiemenge zu begrenzen – besser seien sogar nur 5 %. Zehn Prozent von Töchterchens täglichem Kalorienbedarf entsprechen ca. 100 kcal oder 25 g Zucker und fünf Prozent gar „nur“ 50 kcal oder 12,5 g Zucker.

Um bei dem Beispiel mit dem Dosengemüse zu bleiben: 100 g des Dosenmais mit 5,2 % Zucker würden also ihren maximalen täglichen Zuckerkonsum zu 20,8 % (zehn Prozent) und zu beachtlichen 41,6 % (bei max. fünf Prozent) decken.

Würde – denn so einfach ist das nicht. Die Empfehlung der WHO bezieht sich auf den Konsum freien – also zugesetzten – Zuckers und nicht auf natürlich enthaltene Zucker wie bspw. der natürliche Fruchtzucker eines Apfels. Wie gesagt, Mais, Erbsen, junge Möhren und andere industriell verarbeitete Produkte haben von Natur aus einen Eigenanteil Zucker. Maximale Verwirrung ist also garantiert.

Dabei möchte ich gar nicht sagen, dass die Dosenerbsen oder -mais mit zusätzlichem Zucker über die Maßen aufgepeppt werden. In der Regel wird hier Zucker zum Ausgleich von Rohstoffunterschieden verwendet. Der Punkt aber ist: ich weiß es schlicht nicht, weil es nirgendwo transparent gemacht wird.

Was wir eigentlich bräuchten wäre eine Verpflichtung für die Hersteller auf ihren Produkten die Unterscheidung aufführen zu müssen, welcher Anteil des enthaltenen Zuckers von Natur aus vorhanden und welcher Anteil zugesetzt ist. Als verantwortungsvolle Eltern wollen wir schließlich wissen, was wir unseren Kindern zu Essen geben und für eine qualifizierte Entscheidung benötigen wir die notwendigen Informationen.

Diese sind heute wichtiger denn je, ist es doch nahezu unmöglich geworden verarbeitete Lebensmittel zu kaufen – seien sie noch so nahe an ihrem Urzustand – denen keine Süße zugesetzt wurde.

Die Nahrungsmittelindustrie hat daran natürlich kein Interesse.

Fructose, Glucose, Saccharose, Dextrose, Maltodextrin, …

Es gibt Einfach-, Zweifach-, Mehrfach und Vielfachzucker. Zu den Einfachzuckern oder Monosacchariden zählen bspw. Fructose (Fruchtzucker) und Glucose (Traubenzucker). Zweifachzucker oder Disaccharid ist zum Beispiel unser Haushaltszucker der zu je 50 % aus Fructose und Glucose besteht. In der Lebensmittelverarbeitung bedient man sich besonders gerne eines hohen Fructoseanteils, denn Fructose schmeckt süßer als Glucose.

Fruchtzucker klingt harmlos, klingt nach reifen Früchten und Früchte sind gesund. Nur hat die verarbeitete Fructose mit Früchten nichts gemein. Der zugesetzte Zucker ist in der Regel ein hochkonzentrierter Glucose-Fructosesirup hergestellt aus Mais oder Weizen. Diese Sirups finden sich als Süßungsmittel in vielen Produkten, wie Marmeladen, Konserven, Joghurts, Softdrinks, usw.

Früchte sind gesund, sie enthalten Ballaststoffe, Mineralien und Vitamine und sie sättigen. Es spricht also nichts gegen Früchte! Die industriell verarbeitete Fructose hat all diese Eigenschaften allerdings nicht.

Hier taucht mein zweites Problem auf.

Fructose hat im Gegensatz zu Glucose einen negativen Einfluss auf den Insulinhaushalt, auf das Sättigungsgefühl und den Stoffwechsel.1 Es zeigt sich mehr und mehr, dass Fructose u. a. für die Zunahme von Diabetes Typ 2, dem metabolischen Syndrom und anderer Krankheiten zumindest mitverantwortlich ist.2 Industriell verarbeitete Fructose soll sogar Krebserkrankungen negativ beeinflussen. Ganz zu schweigen von den Folgen für die kleinen und großen Zähne.

Kurzum: eigentlich will man genau das nicht in seinem und sicher nicht im Essen seiner Kinder haben – zumindest nicht in nicht erkennbaren Mengen aus einer hochkonzentrierten Quelle.

Ich will nicht sagen, dass die Dosenerbsen, die meine Tochter so liebt, mit Fructose als Zuckeraustauschstoff vollgeballert sind. Nur: ich weiß es einfach nicht, weil weder immer angegeben werden muss, ob ein hochkonzentrierter Zuckeraustauschstoff als freier Zucker hinzugefügt wurde, noch in welchen Mengen oder Verhältnissen!

Ich wünschte mir – nein, ich fordere – dass die Lebensmittelhersteller verpflichtet werden, neben der genauen Menge des zugesetzten Zuckers auch die Zuckerart und -quelle auf ihren Verpackungen genau und immer aufführen müssen.

Um im Beispiel mit dem Mais und den Erbsen aus der Konserve zu bleiben: ich will meiner Tochter dieses Lebensmittel nicht verbieten, weil künstlicher Industriezucker zugefügt wurde. Ich will mich aber hinreichend informieren können, um überhaupt einschätzen zu können, ob, wann und wieviel sie davon essen sollte.

Wie denkt Ihr über das Thema? Habt Ihr eigene Erfahrungen oder weitergehendes Wissen? Lasst es mich in den Kommentaren wissen.

Zusatz

Ich habe mir bei den Recherchen zu diesem Artikel auch die „Verordnung über einige zur menschlichen Ernährung bestimmte Zuckerarten (Zuckerartenverordnung)“ zu Gemüte geführt. Ganz ohne Arroganz schätze ich mich als halbwegs intelligenten und gebildeten Menschen ein. Es ist aber nahezu unmöglich als Nichtjurist diese Verordnung zu verstehen. Wann genau muss denn jetzt angegeben werden, ob Glucose-Fructose- oder Fructose-Glucose-Sirup verwendet wurde und wann dürfen die Hersteller das mit „Zucker“ oder ähnlichem umschreiben?

Wer mehr wissen möchte, dem empfehle ich die Dokumentation „Jamie’s Sugar Rush„.
Der Anfang der Dokumentation ist jedoch nichts für schwache Nerven!  Disclaimer: Ja, ich weiß wer Jamie Oliver ist und dass er letztes Jahr
erzählte, er habe seine Tochter mit einem mit Chili eingeriebenen Apfel bestraft. Die Dokumentation ist aber gut, so dass ich sie trotz seiner nicht entschuldbaren Ignoranz gegenüber dem Kinderrecht auf körperliche Unversehrtheit, empfehle.

Außerdem lohnt sich der Vortrag „Sugar: The Bitter Truth“ von Dr. Robert H. Lustig – einem Kinderendokrinologe und einer der führenden internationalen Fachleute für Fettleibigkeit bei Kindern und weiterführend sein Buch
Die bittere Wahrheit über Zucker: Wie Übergewicht, Diabetes und andere chronische Krankheiten entstehen und wie wir sie besiegen können“ (Amazon Affiliate-Link).

Fußnoten:


  1. Jeder Zucker hat eine Energiedichte von etwa 4 kcal pro Gramm. Einfach gesprochen: Glucose gelangt recht schnell ins Blut und wird von dort mittels Insulin von seinen Abnehmern aufgenommen. Die Umwandlung in Speicherfett (Glykogen) lass ich hier mal unter den Tisch fallen – wichtig ist das Insulin. Im Gegensatz dazu wird Fructose im ersten Schritt insulinunabhängig verstoffwechselt. Das Hormon Insulin reguliert nicht nur den Blutzucker sondern neben dem Hormon Leptin auch unser Hunger- und Sättigungsgefühl. Neben dem niedrigeren Insulin scheint Fructose auch das Hormon Leptin zu blockieren – was wiederum einen Einfluss darauf hat, wann wir uns satt fühlen. ↩
  2. Hier lohnt sich die Stellungnahme des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) vom März 2009 zu studieren. ↩

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