Ertrage die Clowns!

Ertrage die Clowns!

Das blaue Sofa / Club Bertelsmann

Das war der Ratschlag seines Großvaters an seinen Vater: Ertrage die Clowns! Und sein Vater trug diesen Spruch auf einem Zettel geschrieben stets bei sich. Er machte ihn gar zu seiner Lebensregel. Dieser großväterliche Ratschlag gilt jetzt uns allen. Wir müssen die Clowns ertragen. Speziell Leute wie den Enkel, mit dem wir Zeitgenossen uns gegenwärtig beschäftigen müssen. Er ist nun Mitglied der AfD geworden und setzt sich dafür ein, dass Moscheen geschlossen werden. Über Hitler sagte sein Vater mal, dass der »eine anthropologische Möglichkeit [bleibe], die es immer wieder geben wird«. Nun ist der Sohnemann ja kein Hitler, belegt aber freilich auch, dass es die Möglichkeit solcher Zivilisiertbarbaren durchaus nach wie vor gibt, wenn der Schoss fruchtbar ist, aus dem das kriecht.

Nicolaus Fest ist der Sohn von Joachim Fest. Manche würden sagen: Des großen Joachim Fest. Eine konservative Koryphäe quasi. Man kann von seiner Herkunft und von ihm als Historiker ja halten was man mag, jedenfalls hat er nie so getan, als sei der Hitlerismus ein Unfall der deutschen Geschichte gewesen. Was er mit dem oben genannten Zitat ja nochmals unterstrichen hat. In seiner berühmten Hitler-Biographie beschreibt er die Stimmungen in den Jahren der frühen Weimarer Jahre, die von tiefen (Nachkriegs-)Krisen und Arbeitslosigkeit geprägt waren und in denen sich der Nationalsozialismus als Bewegung festigte, ehe er nach den Jahren der relativen Stabilisierung der Republik die nächsten Krisenjahre nutzte, um sich an die Macht zu machen. Er erzählt von politischen Abenteurer, Esoterikern und Verschwörungsgruppen, vom Messianismus der Rechten, die eines Führers harrten und die Demokratie als Ausdruck von Geschwafel begriffen. Wenn man die Passage liest, man wird ein wenig an unsere Zeit erinnert. Auch heute ist derselbe Menschenschlag mit einer ganz ähnlichen Paranoia da draußen drauf und dran, sich dieser Republik zu bemächtigen.
Eben auch der Sohn des Vaters. Wenn wir hier von ihm sprechen, dann geht es überhaupt nicht um ihn. Nicht direkt. Wer ist schon dieser Nicolaus? Nur weil er der Sohn seines Vaters ist? Eines Vaters, der trotz seiner oft spießigen Haltung und seiner Verachtung für gesellschaftliche Dynamiken, dennoch seine historische Arbeit als Mahnung an die Generationen nach ihm begriff. Man könne es sich halt nicht so einfach machen und behaupten, der braune Spuk sei vorbei. Man müsse verstehen, dass Demokratie wehrhaft sein muss. Das hat ihn dann oft wehleidig werden lassen und so sah er in mancher linken Tour gleich einen »Faschismus von links«, selbst in Filmen von Fassbinder zum Beispiel. Aber Sympathie für Faschisten, das hatte er gewiss nicht. Er ließ Ernst Nolte als Mtiherausgeber der »Frankfurter Allgemeinen« gewähren, teilte aber seine Ansichten nicht. Zurück zum Nicolaus: Der Sohn ist eben nur der Sohn, keine Bekanntheit. Aber es passt eben so schön, dass uns der Vater berichtete, wie die Leute damals tickten und dass diese Beschreibung so fein zum Spross passt.
Seit Jahren schrieb er für die »Bild«. Kulturchef war er dort. Und später gar stellvertretender Chefredakteur der Sonntagsausgabe. Seine Paranoia steigerte sich ständig. Wenn man seine Auswürfe las, hatte man den Eindruck, sie seien wie geheime Kassiber, die unter ständigem Verfolgungswahn getippt werden mussten. Man sah ihn vor sich, wie er zusammenzuckt, wie er sich umdreht, gehetzt seinen Text in die Tastatur klimpert. Es ging gegen die Linken, die einen neuen Bolschewismus planten. Oder halt gegen Muslime, die beabsichtigten, den Bundesadler durch einen Sichelmond zu ersetzen. Arme konnte er auch nicht leiden. Zwei-Klassen-Medizin sein anständig und jeder Versuch von Gleichheit ein Affront gegen die Vernunft. All so was kam von ihm. Er trieb sich selbst mit der Ausmalung seiner Ressentiments zu immer beißenderen Kommentaren. Der angeblich linke Zeitgeist nagte an ihm, die angebliche Muslimisierung raubte ihm den Schlaf, die angebliche Ausbeutung durch den Sozialstaat triezte ihn. Er wähnte sich umstellt. Die Linken, die Moslems, die Linken, die Moslems ... die linken Moslems, dauernd leierte er denselben Quark von der Platte.

In die Partei, in die er jetzt eintrat und die sich selbst als einzige Alternative für dieses Land aufspielt, finden allerlei Leute eine Heimat, die genau wie in Joachim Fests Beschreibung der frühen Weimarer Jahre agieren. Schon witzig, dass nun ausgerechnet sein eigener Sohn einer dieser Leute ist, die er schon vor Jahren beschrieb und die jetzt wieder ein plärrendes Revival feiern. Auch sie sind eben »eine anthropologische Möglichkeit, die es immer wieder geben wird«. Diese Clowns müssen wir ertragen.

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