Entscheidung in der Sierra Chica, Teil 4


Zum dritten Teil
Die Abenddämmerung senkte sich über Carrizo. Fast nichts erinnerte mehr an die unerfreulichen Ereignisse des frühen Nachmittags. Die Hähne des Dorfes saßen im Saloon zusammen und warteten auf Padre Léon. Dieser hatte sich nach dem vorläufigen Abzug der Four Cocks in die kühle Stille seiner Kirche zurückgezogen, dabei etwas von „frisch machen“ gemurmelt und für später eine Dringlichkeitssitzung anberaumt. Pedro, der Wirt kam mit einem Krug an den einzigen, wackligen Tisch des Saloons und schenkte im Dämmerschein einer Talgkerze eine Runde Tequila aus. Alle blickten zur Türe des Etablissements und erhaschten ein stummes Nicken von Jorge (Dem einzigen Abstinenzler im ganzen Ort), der dort Wache hielt. An der Kirche gegenüber rührte sich nichts. Die Luft war rein, also prosteten sich die Hähne mit einem verwegenen Sammelsurium blind gewordener Gläser und gesprungener Tonbecher zu und stürzten den Tequila nach einem geflüsterten Salud! in ihre ausgetrockneten Kehlen. Sie hatten gerade ausgetrunken, als Jorge ein leises „Er kommt!“ in den Schankraum wisperte. Sofort versteckte Pedro den Tequilakrug unter der Theke und stellte stattdessen mehrere Gefäße mit Wasser auf den Tisch. Die Gäste schenkten sich ein und kauten noch schnell ein paar getrocknete Pfefferminzblätter, damit Padre Léon nichts bemerkte. Die Flügeltüren öffneten sich und der Geistliche betrat leicht humpelnd und mißtrauisch schnüffelnd den Saloon. Er setzte sich an den Tisch zu den schweigenden, nach Pfefferminz riechenden Gockeln und schenkte sich einen Becher Wasser ein. Dann nahm er einen tiefen Schluck und hub dann an zu sprechen:
Tolle Vorstellung heute Mittag, meine Herren Hähne. Da werde ich von einem Dreiviertel der Four Cocks nach Strich und Faden vermöbelt, man reißt mir die Schwanzfedern aus und beraubt mich zu allem Überfluss auch noch meines Silbereies. Und was macht Ihr? Ihr steht herum wie eine Bande feiger Hühner und lasst alles geschehen. Sogar das Küken war mutiger als Ihr und hat sein Leben riskiert.“
„Padre, wir haben uns so vor den Ganoven und ihren Bohnenrevolvern gefürchtet.“, sagte einer der älteren Hähne.
„Papperlapapp!“, entgegnete Padre Léon, wütend mit einem Flügel fuchtelnd. „Im Heiligen Buch steht schon geschrieben: Ein Huhn helfe dem Anderen, auf dass ihm geholfen werde. Ihr habt mich schändlich im Stich gelassen.“
„Tut uns leid, Padre. Wie können wir unsere Schuld wieder gut machen?
„GARNICHT!“, donnerte Léon so laut, dass die Gläser auf dem Tisch wackelten, „Aber darum kümmern wir uns später. Zuerst müssen wir überlegen, was wir mit den Four Cocks machen, falls das in Eure beschränkten Hühnerhirne hineinpasst.“
Jorge antwortete: „Vielleicht sollten wir uns lieber darüber Gedanken machen, was diese Galgenvögel mit uns anstellen, wenn wir ihnen nicht unsere Wertgegenstände und außerdem noch El Pollo ausliefern.“
„Aber El Pollo ist nicht da und wir haben auch keine Ahnung, wo er stecken könnte.“, sagte Enrico, ein lispelnder jüngerer Hahn.
„Und wir haben keine Wertsachen und Schätze.“
„Dann müssen wir diesen verdammten El Pollo eben suchen und hierher schaffen.“, krähte der Padre ungeduldig während er sich zugleich reumütig für das „Verdammt“ beeite.
„Und wenn er nicht will?“
„Tja, wenn er nicht will, müssen wir ihn zwingen. Das Schicksal von Carrizo steht auf dem Spiel.“
„Vielleicht hilft er uns ja, wenn wir ihm erzählen, wie schlimm es um sein Heimatdorf steht.“, warf Pedro aus dem Hintergrund ein.
Der Padre wand sich hin und her und scharrte mit den Krallen auf dem Lehmboden des Saloons. Mit schlechtem Gewissen sagte er darauf hin: „Ich weiß nicht, ob wir El Pollo überreden können, uns zu helfen.“
„Und warum nicht?“, fragten die anderen wie aus einem Mund.
„Nun ja, ähm hm.“, erwiderte Padre Léon sichtlich bedrückt: „El Pollo hat Carrizo nicht ohne Grund verlassen und ich bin in diesem Zusammenhang nicht ganz unschuldig. Er und ich hatten einst eine üble Auseinandersetzung, die einige Fragen der (maßvollen) Anwendung bestimmter Genussmittel in unserer Gemeinde betrafen. Ein Wort gab das andere und um es kurz zu machen: El Pollo meinte schließlich, ich könne ihm eiweise an den Kamm steigen, an anderen Orten sei man in derlei Angelegenheiten deutlich liberaler und überhaupt. Also packte er seine Siebensachen, sattelte einen Klapperhasen und ritt für immer auf und davon. So, jetzt ist es raus.“
„Oha, das klingt jetzt aber nicht gut.“, gackerte Enrico und nahm leicht angewidert einen winzigen Schluck Wasser aus seinem Becher.
„Das Huhn ist aber nun mal in den Brunnen gefallen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als El Pollo zu finden und ihn zu bitten, nach Carrizo heimzukehren.“, sagte Pedro. „Wer geht?“
Dieses „Wer geht?“ war genau das Stichwort, an dem jeder der anwesenden Gockel versuchte, sich möglichst unsichtbar zu machen. Alle drucksten herum, faselten dabei etwas von Huhn und Küken und der Ernte, die schleunigst eingebracht werden musste. Schließlich stand Sancho, der bislang im Hintergrund geblieben war und noch kein Wort gesagt hatte, von seinem Stuhl auf. Er trat in den flackernden Schein der Kerze, während er verlegen seinen Sombrero in den Flügeln drehte und sagte, dramatisch beleuchtet: „Ich gehe, auch wenn ich den Weg nicht kenne.“
Dann ist es also beschlossen.“, sagte Padre Léon mit einem Anflug von Pathos in der Stimme. Er erhob sich dank seiner blauen Flecken ächzend und trotzdem würdevoll von seinem Platz, nickte zum Abschied stumm in die Runde und verließ den Saloon, während Pedro nach dem Tequilakrug unter der Theke griff.
Zum fünften Teil

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