Elena Ferrante. Meine geniale Freundin

ferrante_meine_geniale_freundinIm Mai diesen Jahres habe ich das erste Mal von der italienischen Autorin Elena Ferrante gehört, deren Romane in deutscher Übersetzung vor einigen Jahren in den Verlagen List und DVA erschienen sind. Irgendwie hatte ich mich bisher weder für die Autorin noch für ihre Romane interessiert. Das änderte sich, als ich von dem Buch Meine geniale Freundin hörte – einem weltweit vielbeachteten Roman, der nun (von Karin Krieger ins Deutsche übersetzt) im Suhrkamp Verlag erschienen ist.

Ich denke zurück an jenen 22. Mai 2016 und an das Bloggertreffen im Haus des Verlages. Hier gibt es bereits erste Informationen zum Buch und zur Autorin (deren Wunsch, anonym zu bleiben ihr italienischer Verlag seit 1992 akzeptiert). Große Begeisterung für das Buch und seine Autorin von allen Suhrkamp-Mitarbeitern. Verhaltene Neugier bei uns Bloggern (nachzulesen bei Jochen von lustauflesen.de). Für jeden von uns gibt es als Überraschung noch ein Leseexemplar des Romans und so ist der Monat Mai für mich Ferrante-Monat. Die ganz große Begeisterung stellt sich bei mir nicht ein, doch beschäftigt mich die Geschichte um Elena und Lila bis zum heutigen Tag.

In diesem ersten Teil ihrer vierbändigen Saga erzählt Ferrante in ausdrucksstarken Bildern die Geschichte zweier fleißiger kleiner Schulmädchen, deren Weg von Anfang an klar zu sein scheint. Und der sich ganz allmählich und schließlich für immer verändert. 

Eigentlich kommen Elena Greco und Lila Cerullo aus demselben Milieu. Sie wachsen auf in einer bedrückend engen Welt, die nicht nur räumlich, sondern auch geistig klein und düster wirkt. Finstere Kulisse ist das Neapel der vierziger und fünfziger Jahre. In dieser von Männern dominierten und strukturierten Welt scheint es für Frauen kaum eine Ausbruchsmöglichkeit zu geben.

Doch Elena sieht für sich einen Weg, der Welt des Rione zu entkommen. Diesem Leben in Armut und Schmutz. Dessen Alltag von einer alles verschlingenden Negativität beherrscht wird. Die Menschen leben in viel zu engen Wohnungen, jeder beobachtet jeden. Ein abgegrenztes Leben wie wir es aus der Großstadt kennen, gibt es nicht. Und wie ihr Umfeld, so sind auch die Menschen im Rione: kränklich und blass. Obwohl das Meer doch in direkter Nähe liegt, haben viele von ihnen den Rione nie verlassen. Lediglich Elena hat im Verlauf der Geschichte die Chance, zwei Monate auf der Insel Ischia zu verbringen. Hier bekomme ich plötzlich das Gefühl, von einem Schwarz-Weiss-Film in einen Film in Technicolor zu wechseln. Doch nicht nur Farben, auch Düfte und Geräusche sind jetzt präsent! Elena genießt das Inselleben, sie blüht auf. Schon längst hat sie erkannt, dass allein Bildung ihr helfen wird, diese andere intensive und schöne Welt für immer zu betreten. Manche langatmige Szene in diesem Roman konnte ich der Autorin für solche Bilder, wie die Zeit auf Ischia oder die Milieuschilderungen aus Neapel und dem Rione verzeihen.

Unverständlich für mich deshalb, warum es im Literarischen Quartett vom 26.08. am Ende der Buchvorstellung von Meine geniale Freundin ein so klares 0:4 von den vier Kritikern gab. Der Vermutung, ein Team von Drehbuchautoren würde sich hinter dem Namen Elena Ferrante und ihrem vierteiligem Roman verbergen, widerspricht, dass sie seit ihrem Debüt 1992 als anonyme Autorin schreibt. Ich hätte wirklich gern mit dabei gesessen und ein Plädoyer für Ferrante gegeben. Okay, auch mich hat die Geschichte nicht zu 100 % begeistert. Dennoch gebe ich dem Roman (auf einer Skala von 1-10) acht Punkte. Ich habe Kapitel für Kapitel verschlungen, mochte ganz besonders die Beschreibungen des morbiden, düsteren Neapels. Auch wenn die Figur der Elena mich manchmal mit ihrer Beflissenheit und ihrem Strebertum nervte, hat sie doch entgegen aller Meinungen erkannt, dass allein Bildung – und nicht die Hochzeit mit einem angesehenen Mann aus dem neapolitanischen Milieu – ihr helfen wird, dasselbe zu verlassen. In einer Zeit und in  einer Welt, da Bildung für Frauen in den Köpfen der Männer gar nicht vorgekommen ist, empfinde ich das als beachtlich für ein Teenager-Mädchen.

Ich hatte tatsächlich eine Gänsehaut, als ich mir klar machte, dass Lila ja gerade mal 16 Jahre alt ist, als sie als Braut im weißen Kleid vor den Altar tritt. Auf sie warten ein Schuh-Geschäft (und damit ein Einkommen für die Familie) und eine Eigentumswohnung mit Badewanne, Eisschrank, Telefon und Fernseher. Dinge, für die es in den Augen von Elenas Mutter lohnt, auf Bildung zu verzichten. Tochter Lenú ist in deren Augen lediglich eine Brillenschlange, die es niemals zu etwas bringen wird. Doch Elena geht den schweren Weg, den ihre Lehrerin Maestra Oliviera ihr immer gewiesen hat. Bezeichnenderweise erscheint jene Lehrerin als Einzige nicht zur Hochzeit ihrer ehemaligen Schülerin Lila! Ein stiller und sehr mutiger Protest, der Elena hilft, diese Welt nun erst recht zu verlassen. In ihren Augen Trauer und Schmerz. Im Herzen bereits ein Gefühl der Fremdheit. Elena schaut ihre Freundin an und weiß, Lila wird den Rione nie verlassen, so sehr sie das vielleicht gerade an der Seite des wohlhabenden Stefano glaubt.

ferrante_die_geschichte_eines_namensUnd so spüre ich am Ende dieses Romans eine finstere Bedrohung und bin gespannt auf Ende Januar, wenn bei Suhrkamp Die Geschichte eines neuen Namens – der zweite Teil, die Zeit der Jugend der beiden Mädchen – erscheinen wird. Ich hoffe, Ferrante wird noch tiefer eindringen in das neapolitanische Milieu. Und vielleicht taucht ja auch der Junge Nino wieder auf, dem Elena so gern gesagt hätte, dass er bleiben soll …

Beim Stöbern auf perlentaucher.de findet man übrigens erste sehr positive Stimmen von Kritikern und Kritikerinnen. Iris Radisch beispielsweise nennt das Buch ein epochales literaturgeschichtliches Ereignis (Die Zeit 25.08.). Auch Sandra Kegel bespricht den Roman durchaus positiv und findet ihn bildstark und spannungsgeladen (FAZ 25.08.). Ganz allein bin ich mit meinen Gedanken also glücklicherweise doch nicht. Eine ausführliche Chronologie des Phänomens Ferrante gibt es auf dem Blog bei Stefan Mesch.

Elena Ferrante. Meine geniale Freundin. Aus dem Italienischen von Karin Krieger. Suhrkamp Verlag. Berlin 2016. 422 Seiten. 22 ,-€



wallpaper-1019588
Deutscher Simuldub zu “I Was Reincarnated as the 7th Prince” gestartet
wallpaper-1019588
Final Fantasy XII – Brettspiel zum PS2-Klassiker angekündigt
wallpaper-1019588
Super Nintendo World – „Donkey Kong Country“-Eröffnung verschoben
wallpaper-1019588
Pokémon Karmesin und Purpur – Neues Tera-Raid-Event am Wochenende