Ein Unternehmensaufstieg

Eine komische Kapitalismuskritik ist jene, die mit kapitalistischen Unternehmen wirbt, um andere kapitalistische Unternehmen zu diskreditieren. Als ob man etwa über McDonalds heranziehen könnte, um Burger King zu kritisieren. Oder Pfizer mit Bayer relativiert. So abermals geschehen letzte Woche. Als man Dynamo, Hansa, ja den FC Bayern und den BVB als so viel besser als den RB Leipzig feierte. Anna Loos und ihre Band Silly glaubten dem Aufsteiger mittels Trikots anderer Vereine einen Spiegel vorhalten zu können. Das ist seit Jahren ein beliebtes Spiel in den Stadien der Republik, den Leipzigern ihre fehlende Tradition und ihrem potenten Mäzen den Kapitalismus anzuhängen, während man behauptet, dass der Rest der Ligen aus dem Gegenteil davon kommt, der aus gutem Brauchtum entstanden ist und in diesem auch weitergeführt wird.

Wenig könnte falscher sein. Wir haben es in jedem der Fälle mit Unternehmen zu tun, die Sport benutzen, um Rendite zu erzielen. Leipzig mag ein Retorten-Verein sein, aber er ist nicht der böse Kapitalist unter einer biederen Ansammlung von Klubs, denen das Big Business fremd ist. Wenn wir schon mal von Tradition sprechen: Den Vereinen der großen europäischen Ligabetriebe ist eine Sache gemein. Die der Schöpfung von Einnahmequellen, der Gier nach Marktanteilen, der Ausverkauf sportlicher Grundwerte und die Monetarisierung der Emotionen zugunsten des Merchandising. Ob sie nun aus Wolfsburg, Ingolstadt, Leverkusen oder Leipzig kommen - oder aus traditionellen Kickerstädten wie München, Hamburg oder aus Gelsenkirchen: Elf Freunde, die von netten Brauchtumsfunktionären betreut werden, um naiven Spaß auf den Rasen zu verursachen, ist nicht das Metier all dieser GmbHs. Letztlich ist ein Unternehmen in die DAX-Gruppe des deutschen Fußballs aufgestiegen und nicht ein Verein zu anderen Vereinen gestoßen.
Wenn man zum Beispiel bei der Eintracht in Frankfurt ein Heimspiel besucht, dann gehört es zur neuen Folklore, etwas gegen den RB Leipzig zu haben. Er sei halt eine Erfolgsgeschichte von sportkünstlicher Machart. Da kauft sich der Klub überdurchschnittlich gute Spieler, weil er es sich leisten kann und holt sich auf dieser für unlauter gehaltenen Basis das Oberhaus in die Stadt. Also wie Bayern oder die Borussia, die es ja genauso handhaben, denen man es aber eher verzeiht, weil sie sich diesen Status irgendwie verdient haben. Lassen wir es, hier an die Ungleichverteilung von TV- und Werbegeldern zu erinnern, die das Riesenhafte dieser zwei Giganten maßgeblich verursachen. Ob die von den Topvereinen aktiv betriebene Ungleichgewichtung ein Verdienst ist, sei also dahingestellt. Der Red-Bull-Verein dient so betrachtet auch der Romantisierung einer Sportart, in der es nichts mehr Romantisches gibt. Keine Vereinstreue mehr, keine elf Freunde, keine Pirmasens/Alsenborn-klopfen-an-das-Tor-zur-Bundesliga-Sensationen mehr.

Der RB Leipzig ist die Projektion der gegnerischen Fankurven, um sich selbst als Tradition feiern zu können, als Anhängerschaft von Vereinen zu sehen, die sich als Image und corporate identity die Tradition selbst gestiftet haben. So redet man sich ein, dass der eigene Verein eine ganz besondere Rolle spielt im Lande. Das ist gewissermaßen ein neurotischer Abwehrmechanismus, der den innerpsychischen Konflikt durch die Abbildung des Verlusts der eigenen sportmännischen Ideale auf andere verlagert. Und weil es ferner dieses Leipzig in dieser Form gibt, kann sich die fremde Anhängerschaft einreden, dass alles noch richtig läuft in der Fußball-Republik, im Land des Dauermeisters, in dem die Dominanz der zwei Großen Überraschungen tilgt, in dem es eine übersichtliche Mittelschicht und zwei Drittel Vereine gibt, die sich bis zum 31. Spieltag im Abstiegskampf befinden. Tradition halt, die sich der Traditionsarmut erwehren muss. Mit einem Feindbild lässt sich die Schieflage als Brauchtum feiern und die Kritik ereifert sich an einer kleinen Erscheinung der modernen Fußballrealität, nicht am ganzen System.
Der RB Leipzig ist das passende Feindbild zur rechten Zeit, um die Megalomanie der gesamten Branche zu kaschieren. So kann man als kapitalismuskritischer Mensch weiterhin dem Großunternehmen zujubeln und kann sich einbilden, dass es nur einige Ausreißer im System gibt, die zufällig oft Red Bull bezahlt.

wallpaper-1019588
PV-Einspeisevergütung für 2023 und 2024: Tabelle und Rechner mit aktuellen Sätzen und Änderungen
wallpaper-1019588
Vinland Saga S2: Part 1 nun vorbestellbar
wallpaper-1019588
#1497 [Review] Manga ~ Imadoki
wallpaper-1019588
Bodyshaming? Unsinn – Love Yourself | Lifestyle