Ein Film voller Looser: "Tatort: Der König der Gosse"

Film voller Looser:

©ARD

Polizisten leben einsam. Oberkommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) ist alleinerziehend und hat einen Sohn (Alessandro Emmanuel Schuster), der keinen Kuchen backen kann und auch mal auf dem Revier auftaucht, weil er das mit dem Bezahlen von Sachen (ein Eimer Farbe) noch nicht so ganz verstanden hat. Auch Kollegin Henni Sieland (Alware Höfels) hat einen Mann zuhause. Ihr Freund kauft nicht ein und ärgert sich über ihre 100 Stunden-Tage. Er war einer der ersten mit einem 'Refugee welcome'-Shirt, ist aber keiner, der einheimische Obdachlose bei sich zuhause begrüßt. "Bin nicht Jesus mit der wundersamen Lachsverehrung" lässt er seine Geliebte wissen. Und eine Leiche - sprich: Die aktuelle Mordakte - solle sie bitteschön auch nicht mitnehmen. Außerdem ist ja noch der Chef der beiden (Martin Brambach) da.
Peter Michael Schnabel heißt dieser und er trinkt Kaffee passenderweise aus einer Tasse mit der Aufschrift 'Schnabel-Tasse' - was ein Gag! -, der aber nicht schmeckt. Er bandelt mit der Kollegin aus dem Betrug an (Jule Böwe), die ist aber auch vergeben. Immerhin der Gerichtsmediziner in Dresden hat gute Laune und weiß von sich zu behaupten:"Ich hab an sich keinen Fehler gemacht, nur nicht auf Anhieb alles richtig." Merken Sie sich bitte diesen Satz für den nächsten Anpfiff durch Ihren Chef. Das Dresdner Polizeipräsidium ist aber auch für Verdächtige kein Ort des Frohsinns.

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"Wir sind keine Looser!" ©MDR/Gordon Mühle

Verdächtige rasten aus. "Was ist das eigentlich für ein Affenhaus hier?", fragt sich alsbald Hajo Taubert (Urs Jucker). Sein Bruder Hans Martin starb, von der Brücke ist er gestürzt. Freiwillig? Wurde nachgeholfen? Zu Lebzeiten war er erfolgreicher Sozialunternehmer mit Herz, der sich auf die Arbeit mit Obdachlosen spezialisierte. Ständig hatte er Hansi, Platte und Eumel (sackstark: Arved Birnbaum, David Bredin, Alexander Hörbe) bei sich. Sie selbst bezeichneten sich als seine Security, haben jedoch zusammen neun Promille und sind besoffen besser als die Kommissarinnen nüchtern. Finden sie. Gefunden haben sie ihren Kompagnon als erstes. Vor einem Edel-Italiener werden sie angepöbelt ("Jetzt gehen die Zigeuner schon zum Italiner?!"), sie seien alle keine Looser und haben eine Ader zum Philosophischen. Kotzen heißt? "Topf umarmen." Hab ich noch nie gehört, sollte ich mir nun merken. Ihre Beobachunten vorm Mord glaubt denen trotzdem niemand. Warum sollte man auch...
Es ist schon nach fünf Minuten klar, wohin die Reise des zweiten Dresden-Tatorts namens "Der König der Gosse" hingeht: Richtung Komödiantische. Kein Wunder, Ralf Husmann hat das Buch beigesteuert, der Erfinder von "Stromberg". Schon die Premiere "Auf einen Schlag" aus dem März schrieb er, wahnsinnig unterhaltsam war's damals. Und auch diesmal wieder. Mit Dror Zahavi nahm auf dem Regiestuhl derweil auch kein allzu schlechter seines Fachs Platz. Husmann und Zahavi schaffen es, in den 90 Minuten eine gesunde Balance aus Kriminalfilm mit humoristischen Elementen und gleichzeitig schöner Charakterzeichnung seiner Hauptfiguren zu zeichnen - ohne einen gesellschaftlichen Hintergrund zu vergessen.

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"Was ist das für ein Affenhaus hier?!" ©MDR/Gordon Mühle


Das private Schicksal der drei Polizisten erzählt der Streifen konsequent nebenher, aber eben wirklich nur am Rande. Geschickt verknüpft er teilweise das mit dem Praktischen. Wenn Gorniaks Sohn beim Klauen erwischt, aber von der Polizistin auf dem Revier rausgehauen wird, dann sind die drei Obdachlosen hautnah dabei - und kommentieren resigniert:"Unser eins hat kein Glück." Sieland nimmt die drei mit nach Hause, ihr Freund ist darüber nicht begeistert. Flüchtlingen hilft er per T-Shirt-Aufdruck, Obdachlosen jedoch nicht? Welch merkwürdige Doppelmoral. Man mag das plakativ nennen, wie sowas in den Fall eingebaut wird. Ich halte es eher mit 'richtig clever'.
Die Dialoge von Husmann sind, natürlich, komplett klasse. Oneliner hier, Oneliner da - ständig getragen von einem Ensemble, das den Job beherrscht. Aber auch sichtlich Bock hat an den einzelnen Rollen. Das Sozialsystem kriegt der Film ebenfalls noch unter. Nach außen hin gibt sich Tauberts Konkurrent Schleibusch (Stephan Baumecker) als sozialer Wohltäter, doch wenn's ums Geschäft geht, da kennt er keinen Spaß. Will der wirklich helfen oder sich einfach auf Kosten der Schwächeren profilieren, geht dafür unter Umständen selbst über Leichen und scheut auch keine Bestechung? Auch hier bohrt "Der König der Gosse" gekonnt nach.

Fazit


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Und da ist dann halt noch der Bruder des Toten. Der hat schon alles ausprobiert: Indische Energydrinks, Putzkräfte online vermittelt und jetzt ist er Betreiber eines Fitnessstudios. Trotz seiner weiteren Nebentätigkeit als Inkassoheini stand er beim Toten in der Kreide. Unweigerlich stellt sich irgendwann die Frage: Wer ist eigentlich hier der wahre Looser?
BEWERTUNG: 8,5/10Titel:Tatort: Der König der GosseErstausstrahlung: 02.10.2016Genre: KrimiRegisseur: Dror Zahavi
Darsteller: u.a. Alwara Höfels, Karin Hanczewski, Martin Brambach

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